Dieter Kersten - März / April 2000    
Editorial    
     
 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,

ist die Republik nun doch käuflich? Altbundeskanzler Kohl sammelt wieder Geld für seine Partei, diesmal, so heißt es, ganz legal, nicht in schwarzen Koffern, sondern per Euroscheck mit EC-Karten-Nummer. Die Spender sollen diesmal genannt werden. In einer Meldung heißt es: Einer der jüngsten Spender ist der Präsident des Verwaltungsrates von NestlŽ, Helmut Maucher. Ein Sprecher sagte, Maucher zahle das Geld als Privatmann. Er habe sich »als verantwortungsbewußter Staatsbürger und als CDU - Mitglied bereit erklärt, auf Anfrage von Herrn Kohl einen Beitrag an die CDU zu leisten «. Auch der Filmemacher und Berliner Großgrundbesitzer Artur Brauner ist unter den Spendern. Als Sanitärgroßhändler hatte ich mit diesem Typen zu tun. Seine Hausverwaltung zahlte die Rechnungen erst nach endlosen Mahnungen oder nach Klagen. Wir bekamen schließlich keine Aufträge mehr, als mein Vater als Inhaber unserer Sanitärgroßhandlung sich weigerte, an die israelische Kinderliga zu spenden, für die Frau Brauner warb.

Die Medien melden, daß Teile der CDU-Führung beschämt und wenige empört sind, der eine oder andere Kohls Sammelaktion aber begrüßt. Politik und Geld, Wirtschaft und Geld ( > shareholder value <), Sport und Geld, Kultur und Geld und auch Kirche = > Glauben < und Geld sind in den letzten Jahrzehnten eine unheilvolle Symbiose eingegangen, daß, so fürchte ich, der überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger gar nicht merken, daß sie in eine moralische und naturwidrige Falle getappt sind. Ohne an dieser Stelle eine Philosophie des Zusammenlebens der Menschen entwickeln zu wollen, möchte ich nur darauf hinweisen, daß die Vorgehensweise von Kohl unserer Gesellschaft nicht gut tut. Dieses Vorgehen eweist nur, daß alles käu.ich ist, auch ie Liebe der Partei zu ihrem Ex - Vorsitzenden. etzt ist mir auch klar, weshalb der an sich so unsportliche Kohl eine Affinität zum Fußball hat. Er bewundert das reibungslose Kaufen und Verkaufen von Menschen, von Fußball-Profis, wie das so klappt, mit den Ablösesummen, den Tansfergeldern ..... und dann sogar mit den Spielergehältern, von denen selbst ein Bundeskanzler, legal natürlich, nur träumen konnte. Erfolg ist eben käuflich, so Kohls Ideologie und er vermag seinen festen Glauben auch nicht zu verstecken. Insofern ist Herr Kohl berechenbar.

Darüber hinaus verkünden die Nachrichten, daß Helmut Kohl am 17. März erstmalig in diesem Jahr im Bundestag erwartet wird. Wenn ich auch dem 17. März als Redaktionsschluß dieser Ausgabe angeben werde, kann ich nicht berichten, ob der Herr erschienen ist oder nicht. Jeder Arbeitnehmer wird entlassen, wenn er unentschuldigt oder ohne Krankschreibung fehlt, ein Bundestagsabgeordneter darf, gesetzlich geschützt, seiner Arbeit fernbleiben. Der Steuerbürger muß ihn bezahlen. Er kann ihn leider nicht abwählen. Wir sollten das ändern.

Der amtierende Bundeskanzler Schröder, SPD, hat, ideologiefrei, wie er sich gibt, bei der CEBIT-Eröffnung Teilen der Industrie, der, wie man sagt, Informatik-Branche, großzügig, wie so ein Herr im Maßanzug ist, billige Arbeitskräfte (Fachkräfte) zugesagt. Er dachte vielleicht, wenn er überhaupt dachte, an die Aufforderung einer UN-Kommission aus dem vorigen Jahr an Deutschland, jährlich 500 000 Einwanderer aufzunehmen, weil, die UN kennt sich da aus, nur so der Wirtschaftsstandort Deutschland haltbar wäre. Nun hat das ja Facetten fast unendlicher Buntheit, die ich gar nicht alle nennen kann. Abgesehen davon, ob die von Herrn Schröder genannten 75 000 Programmierer überhaupt so einfach, mir - und dirnichts auf dem Weltmarkt zu »beschaffen« sind und abgesehen davon, daß die Ausbildung dieser Leute zum Teil auf Kosten ihrer Völker stattgefunden hat und ihre Abwerbung dort einen Aderlaß bedeuten würde, trägt dieser Vorschlag das Odium eines Menschenhandels, den ich gerade beim Fußbalfreund Kohl beschrieben habe. Geistig sind Kohl und Schröder von einander gar nicht weit entfernt, ja, vielleicht sogar des gleichen Ungeistes Kind.

Neben der Befriedigung fast schon unheilvoller wirtschaftlicher Interessen gibt es in Deutschland, und das scheint dem Herrn Bundeskanzler entgangen zu sein, auch noch ein Volk, welches nicht bereit ist, in Zukunft und in der Weise, wie Schröder meint, mit anderen Menschen umgehen zu können, zur Manöveriermasse der internationalen und nationalen Konzerne zu werden. Das gilt auch für den neuen Bevölkerungsteil, nämlich unsere auslandstämmigen Mitbürgern, denen es in überwiegender Zahl gelungen ist, sich zu integrieren. Volk und Bevölkerung, die Bewohner dieses Landes, sind diejenigen, die bereit sein müssen, Fremde aus anderen Ländern dauerhaft aufzunehmen. Der »spontane« Einfall eines industriegelenkten Bundeskanzlers alleine wird nicht reichen, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufgaben in diesem Land zu lösen.

Der simple Spruch Geld regiert die Welt könnte auch als Überschrift für die Aufregungen um die Gen-Patente gelten. Ich habe das Gefühl, daß wir Menschen noch gar nicht begriffen haben, was da mit dem üblich gewordenen bürokratischen Akt - ohne jegliche Mitbestimmung der Menschen, die betroffen sind - passiert ist. Ulrike Baureitel beschäftigt sich in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 3. März eine Zeitungsseite lang mit diesem wichtigen Thema. Der Beitrag ist überschrieben mit Wen kümmern die Regeln für den Menschenpark? und hat die Unterüberschrift Patent auf menschliche Gene: Die Auseinandersetzung um das Münchener Patentamt hat die Debatte um biotechnologische Forschungsmöglichkeiten und ihre Kontrolle neu entfacht. In diesem Beitrag heißt es u.a.: Das Münchner Patentamt, das sich ausschließlich aus den Gebühren für die Patentverfahren finanziert und deshalb an zahlreichen Anmeldungen interessiert ist - eine Patenterteilung kostet durchschnittlich 60 000 Mark - reagierte sofort. Es erklärte bakterielle, tierische und menschliche Gene generell für patentierbar, soweit sie von einem Wissenschaftler > schöpferisch < entdeckt, gentechnisch beschrieben, analysiert und verändert, also > erfunden < worden sind. Das ursprünglich für Erfindungen aus der unbelebten Natur geschaffene Patentrecht, das den Urheber schützen und geistigen Diebstahl ausschließen sollte, wird hier auf die belebte Natur übertragen, mit dem Effekt, daß der Patentinhaber automatisch Besitz- und Nutzungsrechte auf die natürlichen Nachkommen dieser Lebewesen - gleichgültig, ob es sich um Saatgut, Krebsmäuse, geklonte Schafe oder irgendwann vielleicht einmal Menschen handelt - reklamieren kann. Ein gentechnisch veränderter Mensch wird damit in letzter Instanz auch wieder zum patentierbaren Produkt.

Der Mensch als Handelsobjekt? Der Kohlsche Materialismus ist überall spürbar.

Die nächste Ausgabe des Kommentar - und Informationsbriefes erscheint im Mai.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen am 17. März 2000

 
     
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