Dieter Kersten - Juli / August 2003    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

auf Seite 2 ff. habe ich einen Beitrag von Antje Vollmer aus dem Jahr 1984 abgedruckt. Zu diesem Artikel habe ich einen Begleittext geschrieben (Seite 3), in dem es einen scheinbaren Widerspruch gibt. Ich habe der Absage an alle Machtpolitik aus dem Text von Antje Vollmer den Satz von Wolf Schenke aus dem Jahr 1950 Dritte Macht oder Untergang - Die Alternative für Europa gegenübergestellt.

1984 ging es darum, ein Deutschland, welches geteilt, zwischen Ost und West liegend, aus der Gefahr herauszuhalten, zwischen den damaligen Mächten zerrieben zu werden. 1950 und 2003 ging und geht es darum, Europa und Deutschland der Fremdbestimmung durch den einzigen vorhandenen Hegenom, den Vereinigten Staaten von Amerika, zu entziehen, indem dieses Europa eine Kultur der Neutralität entwickelt. Diese Friedensinitiative muß von Deutschland ausgehen, welches im vergangenen Jahrhundert allzu bereitwillig zwei Weltkriege angenommen hatte, ohne alleine verantwortlich gewesen zu sein.

Wir sind inzwischen vom Frieden weiter entfernt, als wir es uns vorstellen können. Frieden ist ja nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern Frieden muß ständig gedacht, erarbeitet und erstritten werden. Zur Zeit geschieht das absolute Gegenteil: die USA treiben ihre Weltherrschaftspläne durch lokale Kriege immer weiter voran Wie das u.a. geschieht, wird in den Beiträgen auf Seite 4 von Helmut Fallschessel und auf Seite 5 im Gespräch mit Willy Wimmer geschildert.

Ein heißer Krieg lodert immer noch in Palästina/Israel. Ich habe ernsthafte Zweifel, daß es dem us-amerikanischen Präsidenten Bush recht ist, wenn im Heiligen Land wirklich Frieden gestiftet wird. Ich verwende mit Absicht das Wort gestiftet, denn Friede dort bedeutet Selbstlosigkeit auf beiden Seiten, rücksichtsvolle Ehrlichkeit nicht nur gegeneinander, sondern auch den eigenen Bürgern gegenüber. Ich biete Ihnen dazu in der Bestelliste noch einmal das Nahost-Lexikon an. In diesem Buch gibt es einen Kartenanhang, in dem die israelischen Siedlungen eingetragen sind. Es gibt keinen Frieden, wenn es nicht gelingt, ein in sich geschlossenes Staatsgebiet für Palästina zu schaffen, ohne jüdische Siedlungen, wenn es nicht gelingt, die Wasserrechte gleichmäßig-gerecht zu verteilen, und, wenn es nicht gelingt, für Jerusalem einen Sonderstatus zu schaffen. Es gibt keinen Grund, "Mitleid" mit den Israelis zu haben, denn sie sind als Eroberer in das Land gekommen und haben sich fremdes Eigentum angeeignet. Deshalb ist es notwendig, eine besondere Gerechtigkeit gegenüber den Palästinensern zu üben. Ein ganz großes Problem ist die Frage, was mit den zahlreichen palästinensichen Flüchtlingen passieren soll. In ihre angestammte Heimat können sie nicht mehr zurück. Sinnvoll wäre eine Wirtschafts-Konförderation von Israel, Palästina, Syrien, Jordanien und Libanon, in der die materiellen und kulturellen Voraussetzungen von Ansiedlungen außerhalb Israels geschaffen werden müssen. Das müßte international unterstützt werden. Ich denke, diese Sichtweise ist eine utopische Notwendigkeit, um die wir nicht herumkommen. Die jetzt immer wieder zitierte Road Map führt nicht zum Ziel.
Bevor ich zu den innenpolitischen Ereignissen komme, möchte ich auf Entwicklungen hinweisen, die Vorboten einer noch übleren internationalen Entwicklung sein können. Experten beurteilen die Sicherheitsgesetze der USA als weitgehender als die Ermächtigungsgesetze und die ihr folgenden Verordnungen des Hitler-Reiches. Putin in Rußland eifert dieser Entwicklung in sofern nach, als er die Pressegesetze so verschärft hat, daß es eine Pressefreiheit in Rußland nicht mehr gibt. Das hat nach Lage der Dinge und entsprechend der russischen Mentalität die gleichen Folgen wie in den USA. Dort kann jeder Bürger jederzeit festgenommen werden und für sechs Monate ohne einen Anspruch auf einen Rechtsbeistand inhaftiert werden. In Rußland war es bisher so, daß die relative Pressefreiheit einen gewissen Schutz vor willkürlichen Festnahmen bot. In Deutschland habe ich den Eindruck, daß Schily, unser Innenminister, ständig nach Möglichkeiten sucht, die Freiheit einzuschränken. Hinzu kommt - als Beispiel für ähnliche Aktionen - das regierungsamtliche Angstgeschrei vor einer möglichen Pockenepidemie, terroristisch ausgelöst. Das Gespenst der Zwangsimpfung geht herum. Die Menschen sollen, weil Politik versagt, zu Eingriffen in die körperliche Integrität gezwungen werden. Mit Angst läßt sich gut regieren. Ein ängstliches Volk ist ein williges Volk.

Die Reaktion marschiert, die Demokratie soll abgeschafft bzw. diskreditiert werden. Das ist der Auftrag der Weltkonzerne: Arbeit nur gegen Abschaffung der Demokratie.

Die Angst vor einer Selbstbestimmung des Volkes ist bei den Oligarchien riesengroß, so daß immer wieder gegen die direkte Demokratie, auch in den Medien, Stimmung gemacht wird. Stellen Sie sich vor, Sie könnten in einem Volksentscheid über die Gehälter der "öffentlich Beschäftigen" abstimmen, über die Höhe der Steuern, über die Haftung der Konzernbosse, über das Arbeitspensum (den Fleiß) von Richtern und Staatsanwälten, über die Amtshaftung von Politikern usw. usf.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, so lese ich im Internet, berichtet unter Berufung auf den Prüfungsbericht von Ernest & Young, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) habe Zweifel an der fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit der verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Westdeutschen Landesbank (WestlB). Ich berichte von dem neuesten Bankenskandal einer landeseigenen Bank, ähnlich der Bankgesellschaft Berlin. Es geht zur Zeit "nur" um "läppische" 1,5 bis 3 Milliarden Euro. Der Betrag wird sich sicher erhöhen. Mindestens wird er sich um die Entschädigungen erhöhen, die die zurückgetretenen Chefs Jürgen Sengera und Andreas Seibert erhalten werden, damit sie sich einen geruhsamen Lebensabend gönnen können. Und dann ist da noch der Aufsichtsrat, der mal wieder völlig versagt hat. Auch in solchen Fällen muß es unbedingt eine Amtshaftung geben. Auch die Politiker des Landes Nordrhein- Westfalen haben ihren Teil an der verfehlten Personalpolitik, vielleicht auch an den Investitions- Fehlentscheidungen. Ein Untersuchungsausschuß muß die Verfehlungen aufdecken. Es ist fremdes Geld, mit dem da gedankenlos umgegangen worden ist.

Die nächste Ausgabe des Kommentar-und Informationsbriefes NEUE POLITIK erscheint im September 2003. Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sommer und, soweit möglich, einen schönen Urlaub.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen am 11. Juli 2003

 
     
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