Dieter Kersten - Mai 2005    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

oh, Jupiter, wer hätte gedacht, daß 2000 Jahre nach der Geburt Deines großen Kontrahenten Jesus Christus der Ritus (Hokuspokus) und die Verkleidungen aus Deinen Tempeln und der Deiner Kollegen so lebendig ist, daß die ganze Christenheit fasziniert das Fernsehen einschaltet oder die hohen Reisekosten nach Rom auf sich nimmt, um Plagiatoren zuzujubeln. Auf den Seiten zwei und drei bringe ich drei Beiträge zu dem Thema Papst und katholische Kirche.

Vielleicht ist das schon zuviel Ehre für eine Institution wie die Katholische Kirche, deren > historische Verdienste ... für die Werdung Europas< und für dieses Land ich eben nicht > zu schätzen weiß < Die Zitate stammen aus dem Kommentar meines Mitstreiters Martin Rust auf Seite zwei.

Warum sollte ich > Grund zur Freude < haben? Das zu äußern überlasse ich Gazetten wie z.B. der BILD, die am 20. Mai titelte: Wir sind Papst!, oder der BZ am gleichen Tag: Jubelt! Ein Deutscher Papst. Die Alemannische Fastnacht ist eben auch anders als der Rheinische Karneval!

Wenn ich auch nicht mit allen Teilen des vorzüglichen Beitrages von Friedrich Schorlemmer übereinstimme bzw. ich mich für vieles, was zwischen den "Glaubensgemeinschaften" abläuft, nicht "zuständig" fühle - ich hielt es für geboten, den Beitrag im Kommentar- und Informationsbrief abzudrucken. In dem Schorlemmer-Beitrag finden Sie die Begründungen, die mich davon abhalten, Gefühle des Stolzes, daß ein Deutscher Papst geworden ist, zu haben. Wenn in dieser ernsten Geschichte Spaß erlaubt sein darf, dann kann ich als geborener Preuße nur feststellen, daß ja kein Deutscher, sondern ein Bayer zum Papst gewählt worden ist. Griesgrämig bin ich deshalb keinesfalls. Im Gegenteil, ich bin ausgesprochen fröhlich, da ich die Ketten kirchlicher Bindungen abgeworfen habe.

Natürlich können wir uns alle in Deutschland und Europa, egal welcher Religion oder welcher Religionsrichtung wir angehören oder ob wir die Ketten abgeworfen haben, nicht aus diesem kulturellen Geflecht lösen, welches 2000 Jahre gewebt worden ist.

Wer vergleichende geschichtliche Beispiele mag, der sollte sich mit Hadrian VI. beschäftigen, dem letzten Deutschen auf dem päpstlichen Thron vor dem jetzigen Papst Benedikt XVI. Im ARGENTINISCHEN TAGEBLATT vom 23. April wird Hadrian VI. als ein Papst beschrieben, der nicht verstand, was mit der Reformation in Deutschland seiner Kirche geschieht. Im Meyers Konversationslexikon von 1908 wird Hadrian VI. etwas genauer beschrieben. Ich fasse den langen Text zusammen: Geboren 1459, gestorben 1523, studierte Philosophie und Theologie und zeichnete sich durch seine Gelehrsamkeit aus. Er war an der Durchführung der Inquisition in Spanien führend beteiligt. Er wurde 1522 zum Papst gewählt. Erst beim Schreiben dieses Textes fällt mir auf, daß mein Satz - > er scheiterte in seinem Amt als Papst, als er die Kirche reformieren wollte < - etwas kurz gegriffen ist. Er war ja nur ein Jahr Papst; trotzdem ist der Satz eine korrekte Zusammenfassung des Lexikon-Textes.

Ich habe bestimmte Worte durch Fettdruck markiert. Sie zeigen die große Übereinstimmung mit dem jetzigen Papst. Mitstreiter Johannes Scholler, von dem der Beitrag über Friedrich Nietzsche auf Seite vier stammt, prophezeit, daß Benedikt XVI. der letzte Papst sein wird, weil die katholische Kirche, so wie sie existiert, an ihren Problemen zerbrechen wird.

Themenwechsel! In der Ausgabe März/ April des Kommentar- und Informationsbriefes NEUE POLITIK veröffentlichte ich unter der Überschrift Wild Bill Cody eine Seite aus einem Buch, die mit folgenden Sätzen endet: > "Wir lebten im jüdischen Sektor von Warschau", fing er langsam an. Es waren die ersten Worte, mit denen er mir gegenüber von sich selbst sprach. Meine Frau, unsere zwei Töchter und unsere drei kleinen Jungen, als die Deutschen unsere Straße erreichten, stellten sie jeden an die Wand und eröffneten mit Maschinengewehren das Feuer. Ich bettelte, daß sie mir erlauben würden, mit meiner Familie zu sterben, aber da ich Deutsch sprach, steckten sie mich in eine Arbeitsgruppe." - Er unterbrach, vielleicht weil er wieder seine Frau und seine fünf Kinder vor sich sah. "Ich mußte mich dann entscheiden", fuhr er fort, "ob ich mich dem Haß den Soldaten gegenüber hingeben wollte, die das getan hatten. Es war eine leichte Entscheidung, wirklich. Ich war Rechtsanwalt, in meiner Praxis hatte ich zu oft gesehen, was der Haß im Sinn und an den Körpern der Menschen auszurichten vermochte. Der Haß hatte gerade sechs Personen getötet, die mir das meiste auf der Welt bedeuteten. Ich entschied mich dafür, daß ich den Rest meines Lebens - mögen es nur wenige Tage oder viele Jahre sein - damit zubringen wollte, jede Person, mit der ich zusammenkam, zu lieben.<

Mich haben diese Sätze nicht mehr losgelassen, gerade in diesem Jahr, wo sich die "Gedenktage" häufen. Ich vermisse den Entschluß aller gesellschaftlichen Kräfte in den christlich-jüdisch dominierten Kulturen, sich zu lieben und diese Liebe in den Vordergrund geschichtlicher Auseinandersetzungen zu stellen. Dazu gehört, daß nur Menschen in Positionen und Institutionen gewählt werden sollten, die liebesfähig sind und die ihren Hass nicht ständig politisch mißbrauchen. Das gilt gleichermaßen für die sehr große "Spanne" zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Bundespräsidenten.
Ich bin davon überzeugt, daß ein großer Teil der noch lebenden Verfolgten des Naziregimes verziehen haben. Leider lassen sich einige einen unsäglich dummen Gruppenzwang ("political correctness") zum "ewigen" Hass verführen.

In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 4. Februar ist ein Gespräch mit dem israelischen Maler Jehuda Bacon abgedruckt, der als 13jähriger 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 5. Mai im KZ Gunzhausen bei Linz befreit wurde. Aus diesem Gespräch will ich einen Absatz wiedergeben: > Wir haben uns noch im Lager gefragt: Was wird mit uns sein, wenn wir überleben? Die Deutschen, das waren für uns die SS-Mörder. Und wir dachten: Wir nehmen Rache. Wir bauen eine Mauer und lassen dahinter alle Deutschen verhungern. Sehr kindliche Gedanken. Ich kann mich auch noch daran erinnern, als ich 1945 in meine Heimatstadt Mährisch-Ostrau zurückkam, da sah ich plötzlich ältere Deutsche mit einer Binde, die Schnee schaufeln mußten, und ich erinnerte mich, daß mein Vater das Gleiche tun mußte und dabei geschlagen wurde, während ich gezwungen war, dieser Demütigung zuzusehen. Da dachte ich einen Moment: Wenn ich jetzt einen Stein auf diese Männer werfe, kann mir niemand etwas anhaben - ich nehme Rache. Aber dann dachte ich: Vielleicht sind sie unschuldig, außerdem wird die Asche meines Vaters nicht wieder lebendig. Und wenn ich weiterhasse, hat Hitler gewonnen, weil ich dann so bin wie er. Davon wollte ich mich befreien. <

Beachten Sie mein reichhaltiges Buchangebot in der beiliegenden Bestelliste und auf meiner Webseite www.neuepolitik.com.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

Abgeschlossen 13. Mai 2005

 
     
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