Dieter Kersten - Januar 2006    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

Ein Leser hat mich gebeten, das neue Jahr mit einer positiven Bemerkung über unsere höheren Bundesgerichte zu beginnen. In der Dezember-Ausgabe hatte ich einen Beitrag von Jürgen Rose abgedruckt, der über den Freispruch des Bundeswehrmajors Florian Pfaff vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung durch den Zweiten Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichtes berichtete. Es ging darum, daß sich Herr Pfaff geweigert hatte, mit seiner dienstlichen Aufgabe bei der Bundeswehr den Irak-Krieg zu unterstützen. Er war degradiert worden und mußte die Ochsentour durch alle Instanzen durchlaufen, bis ein hohes Gericht ihn freisprach, und zwar mit der Begründung, daß jedes Engagement der rot/grünen Bundesregierung für den Irak-Krieg verfassungswidrig war.

Höhere Gerichte in Deutschland sprechen und schaffen Recht, weil „Politik“ und „Ministerialbürokratie“ nicht nur unfähig sind, Gesetze ordentlich zu formulieren, sondern auch, weil sich die „Politik“ immer mehr von der „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ (Verfassung und „Geist der Verfassung“) entfernt.

Florian Pfaff konnte sich die Ochsentour durch die Instanzen leisten. Der normale Bürger kann das oft genug nicht. Es fehlt ihm das Geld, die Zeit und das Vertrauen. Wenn Recht erst durch ein Bundesgericht möglich ist, dann ist etwas faul an unserer Rechtsordnung. Diese Rechtsordnung ist, wie vieles in diesem Staat, zu erneuern. Rolf Gässner berichtet auf Seite 2 ff. in seinem Beitrag „Schäubles Horrorliste“, über die Verstrickungen deutscher Politik in die weltweiten CIA-Folter-Aktionen. Mein anschließender Beitrag Eine not- wendige Ergänzung von „Schäubles Horrorliste“ ist ein Fragment. Ich habe festgestellt, daß die Zahl der Regierungen, die blind und ohne Eigenkontrolle us-amerikanischer Vorgaben folgen, so groß ist wie nie zuvor. Es wird kaum ein Land auf dieser Erde geben, in dem Folter unmöglich ist.

Es gibt weltweit ein Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen an dem einzelnen Menschen, wie schon lange nicht mehr. Waren früher eher Gruppen und/oder Völker betroffen, so ist es heute der einzelne Mensch. Dieser einzelne Mensch hat wenig Rückhalt in einer Gesellschaft, die, wie in Deutschland, fünfzig Jahre auf Wohlstand trainiert worden ist. Es ist das Menschenbild, was im Glanz der Schaufenster verzerrt worden ist und welches Folterer, Lauscher, Kontrolleure und Parteipolitiker geprägt hat.

Trotzdem gibt es Erfreuliches zu berichten: In den USA verbreitet sich außerhalb und sogar innerhalb der Republikanischen Partei immer mehr die Auffassung, daß der „Kampf gegen den Terror“ lediglich der Aufhänger für eine Entdemokratisierung des Landes und für eine menschenfeindliche Weltherrschaft der Großkonzerne ist. Immer mehr Menschen machen sich mit dem Wissen vertraut, daß die Herrschenden für diesen „Terror“ selbst verantwortlich sind. Immer mehr Landkreise und Bundesländer in den USA wehren sich gegen die Zumutungen der Bundesregierung in Washington D.C., die Freiheits- rechte einzuschränken. Wir sollten uns mit diesen mutigen Menschen verbünden.

Mohssen Massarrat, Professor an der Universität Osnabrück, hat in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 14. Oktober 2005 seinen Beitrag > Große Koalition nur auf Zeit < mit folgendem Ausblick enden lassen: > Die zahlreichen kleinen Zirkel der Zivilgesellschaft müßten ihre alternativen Ideen und Projekte jetzt offen zur Diskussion stellen. Mit einer erstarkten Zivilgesellschaft ist es durchaus möglich, alsbald - in einem Jahr, vielleicht auch in zwei Jahren - eine rot-rot-grüne Regierung mit einem sozial-ökologischen Programm, das an den Menschen orientiert ist, durch- zusetzen, notfalls durch Neuwahlen.. ....<

Der Kommentar- und Informationsbrief versucht immer wieder, seine Beiträge zur politischen Neuordnung in das öffentliche Bewußtsein zu rücken (in dieser Ausgabe auf Seite drei ff.). Die alternativen Ideen und Projekte können aber eben deshalb nicht offen zur Diskussion gestellt werden, weil sich die (Massen-) Medien verweigern. Ich hatte anläßlich der Bundestagswahl die Frage an die Bundestagskandidaten empfohlen: Sind Sie bereit, im Bundestag ein Gesetz einzubringen, mit dem die Medien veranlaßt werden, regelmäßig eine angemessene Zeit bzw. einen angemessenen Platz für die Darstellungen von unkonventionellen wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen, kulturpolitischen und demokratischen Alternativen ohne jede Zensur zur Verfügung zu stellen? „Die staatstragende Politik“, soweit sie überhaupt antwortete, lehnte dieses Ansinnen mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit ab. Wir müssen also noch ein wenig kämpfen, sehr geehrter Herr Massarrat, um Foren für eine wirklich öffentliche Diskussion zu schaffen. Außerdem bezweifle ich, daß eine rot-rot-grüne Regierung mit der vorhandenen Personaldecke alternative Ideen und Projekte durchsetzen kann. Wir brauchen eine neue politische Ordnung, politische Nachbarschaften (Runde Tische), mit denen der Bürger nicht nur die vorhandenen Parteien und die darüber hinausgehenden Machtstrukturen kontrollieren, sondern seine politisch-soziale Ordnung selbst bestimmen kann.

Also, Bürger, Hartz IV-Empfänger, Rentner und Pensionäre, ran an die politische Front, tun Sie etwas für die Zukunft, bilden Sie überschaubare Gemeinschaften (Nachbarschaften). Nehmen Sie den Bundespräsidenten und die Bundeskanzlerin beim Wort und setzen Sie in eigener Initiative neue politische, wirtschaftliche und soziale Ideen durch.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

( abschlossen am 13. Januar 2006)

 
     
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