Dieter Kersten - März / April 2009    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

wollen wir weiterhin ein Geld- und Wirtschaftssystem haben, welches auf Gier und kurzfristigen Profit ausgerichtet ist und die Zerstörung der natürlichen Ressourcen fördert, oder wollen wir eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Beständigkeit? Wollen wir ein politisches (Parteien-)System unterstützen, in dem eine politische Klasse ständig dem Volk mißtraut, welches kontrolliert und geführt wird, oder wollen wir, das Volk, unsere eigenen individuellen wirtschaftlichen und politischen Schicksale selbst in die Hand nehmen, um uns und unseren Nachbarn eine nachhaltige Lebensqualität zu verschaffen? Es werden jetzt, in der real vorhandenen Wirtschafts- und Währungskrise (Systemkrise) die gesellschaftspolitischen Weichen für die nächsten Jahrzehnte gestellt. Wir sind aufgerufen, unsere Gehirne und unsere Lebensweisen von einem überbordenden und politisch gewollten persönlichen Egoismus zu befreien. Wenn wir das könnten, dann müßten wir kommunikative politische Nachbarschaften und überschaubare Wirtschaftsregionen schaffen.

Auf den Seiten 2 ff. finden Sie einen Bericht über Komplementär-Währungen und über ein Kreditsystem auf Gegenseitigkeit der schweizerischen WIR-Genossenschaft. Beide Vorschläge könnten mit dazu beitragen, die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden.

Am 23. Februar meldete RBB-Aktuell, daß die deutsche Wirtschaft eine Genossenschaftsbank plant, mit der die "reichen" Firmen (Industrie, Handel, Handwerk) den "armen" Firmen zu einem Kredit verhelfen wollen. Genau das, was WIR macht!

Autor Bernard Lietaer (siehe  Seite 2 ff.) spricht in einem seiner Texte  von den Geld- und  Machtspielen der Gegenwart. Die neoliberale Ausbeutung des Menschen (und der Natur) mit seinem nahezu hierarchisch-feudalistischen Gegenstück, der Parteiendemokratie, hat die Charaktere des Menschengeschlechtes in den Industrieländern so geformt, daß sie sich, mehr als nötig, vom Geld  her definieren. Wer viel Geld hat, ist was.

Es kommt auf uns Bürger in Deutschland an, ob wir den Geld- und Machtspielen der Gegenwart ein basisdemokratisches Ende bereiten und uns für Komplementär-Währungen entscheiden.

Die WIR-Genossenschaft (ein Kreditsystem auf Gegenseitigkeit), ist, in der kapitalistischen Schweiz entstanden, ein Produkt der besonderen Schweizer „Direkten Demokratie“  und der Calvinistischen Ideologie (ich bin kein Anhänger Calvins, im Gegenteil). Es müssen schon sehr durchsetzungsbereite und durchsetzungsfähige Unternehmer sein, die in Deutschland ein solches gegenseitiges Kredithilfesystem einführen. Banker-Allüren sind da nicht gefragt. Sie würden die WIR-Idee nur zu Fall bringen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine WIR-Genossenschaft, die in Deutschland immer vor dem Erfolg stehen, müssen vermutlich erst erstritten werden.

Das Recht selber bedarf eines neuen, demokratischen Geistes, eines Geistes des Miteinander und nicht den Ungeist der gegenseitigen Übertölpelung.

Die Systemkrise hat es an das Licht der Öffentlichkeit gebracht: die Autoindustrie ist, ähnlich wie die Rüstungsindustrie und die Bankenwelt, fernab vom gesunden Menschenverstand. Das Auto, wie es in Mehrzahl technisch existiert, ist eine Fehlentwicklung. Das Elektroauto wird nur ein Zwischenprodukt sein, z. B. als lokaler Zubringer und Lastenträger. Wir brauchen eine in sich schlüssige Verkehrsplanung und -politik, die die Mobilitätswünsche der Bürger aufgreift, bequeme öffentliche lokale Verkehrsmittel in Stadt und Land anbietet, den Fernverkehr mit allen Bequemlichkeiten auf die Schiene bringt und für den Luftverkehr (Zeppeline?) energie- und ressourcensparende Möglichkeiten anbietet. Wir brauchen auf allen diesen Gebieten Forschung und Entwicklung, technische Innovationen, Investitionen, aber keine Finanzierung aus öffentlichen Finanzmitteln (Steuergelder) für eine verfehlte Unternehmens- und Industriepolitik. Wir haben jetzt die Chance, unter Berücksichtigung von Zwischenlösungen „das Steuer herumzureißen“. Zwischenlösungen sind vor allen Dingen für die in der Autoindustrie Beschäftigten notwendig.

In den 70ger Jahren des vorigen Jahrhunderts war ich einer der Mitbegründer eines Bürgerkomitees für Verkehrspolitik in Berlin: unser Slogan  = Jedes zweite Auto ist zu viel. Unsere Begründung damals schon: ein zu großer Ressourcen-Verbrauch, eine zu große Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Landverbrauch. Das Heft Umweltfront Berliner Wahljahr 1974/75: Der Wähler kämpft für eine menschliche Stadt und gegen die Übermotorisierung, welches ich in der beiliegenden Bestelliste anbiete, stammt aus dieser Zeit.

Vorständen und Investoren waren die verqueren Entwicklungen in der Autoindustrie durchaus bekannt. Die Vorstände unserer Autoindustrien bedürfen keines besonderen Schutzes, genau wie die Bankvorstände, die ebenfalls genau wußten, welche kriminellen Taten sie auf Kosten der Menschen begingen (begehen).

Schutz brauchen die Menschen in Industrie, Handel und Handwerk, die unter dieser Systemkrise zu leiden haben. Manager, Politiker und die aus Steuergeldern bezahlten Wirtschaftswissenschaftler haben mit höchster Verantwortungslosigkeit und mit krimineller Energie die realen gesellschaftlichen Zustände an den Rand des Abgrundes gebracht. Jetzt sollen die gleichen Leute uns vor dem totalen Absturz retten?  „Bürger, werdet aktiv und schließt Euch zusammen,  lokale wirtschaftliche und soziale  Regelkreise zu schaffen, die eine andere Geld-, Wirtschafts,- Sozial- und Gesellschaftspolitik gestatten. Macht in Ordnungs- und Sachfragen politischen Druck von unten.“

Ein Großteil der Geschäfte von Industrie, Handel und Banken weltweit sind nicht inhabergeführt. In den meisten Fällen bestimmen die Aufsichtsräte, die die Inhaber (Aktionäre, Kommanditisten), die kreditgebenden Banken und die Arbeitnehmer (in Europa die Gewerkschaften) repräsentieren, die geschäftsführenden Manager. Diese Manager wechseln die Stellungen und Firmen, haben ein hohes Gehalt, streichen einen Bonus nach dem anderen ein, und wenn sie  nicht gerade „die silbernen Löffel“ der Firma stehlen (also allzu großen Mist bauen), stehen sie auch bei Mißerfolg ihrer Geschäfte für nichts, aber gar nichts ein.

Das Risiko des Inhabers eines selbstgeführten Wirtschaftsunternehmens ist weitaus größer. Er verliert unter Umständen Ruf, Stellung und haftet oftmals weit über das eingesetzte Kapital. Der Manager gleicht dem Politiker: er trägt immer dann Verantwortung, wenn er wiedergewählt  werden will (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Wir müssen das Verantwortungsbewußtsein der Menschen und das freie Unternehmertum stärken.

Die nächste Ausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes  erscheint im Mai 2009.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

(abgeschlossen am  19. März 2009)

 
     
  Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen Download  
     
  Alle Artikel liegen als PDF - Datei zum herunterladen vor. Um PDF - Dateien zu lesen, benötigen Sie den "Acrobat Reader". Falls das Programm nicht auf Ihrem PC installiert ist, können Sie es sich hier kostenfrei herunterladen. Hompage_Acrobat