Dieter Kersten - Juli / August 2010    
Editorial    
     
 

die Bundespräsidentenwahl am 30. Juni hat ungefähr neun Stunden gedauert, einschließlich der Zwangspausen für politische Beratungen. Im 3. Wahlgang wurde schließlich Christian Wulff (CDU) gewählt, bis dahin Ministerpräsident von Niedersachsen, sogar mit einer von mir nicht vermuteten bzw. vorhergesehenen absoluten Mehrheit.

Hat die Parteiendemokratie mit der Art und Weise, wie die Wahlen abliefen, ein schlechtes Zeugnis abgelegt? Diese Frage kann mit ja und mit nein beantwortet werden. Die Wahl des Bundespräsidenten Wulff war mit dem offiziellen Anspruch verbunden, Geschlossenheit von CDU/CSU und FDP zu demonstrieren. Das ist völlig daneben gegangen. Als Kritiker der Parteiendemokratie kann ich nur bemerken, daß einige wenige Abgeordnete mutig ein Zeugnis von Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit abgelegt haben. Viele davon sind aber leider nicht dabei geblieben.

Die Partei DIE LINKE hat  Recht, wenn sie Joachim Gauck vorwirft, den Afghanistan-Krieg zu befürworten. Anders wäre er nicht Kandidat von SPD und DIE GRÜNEN geworden, die ja beide Kriegsparteien sind. Trotzdem habe ich den Eindruck, daß das nicht der eigentliche Grund ist, Herrn Gauck die Stimme zu verweigern. DIE LINKE ist noch sehr stark von Linksfaschisten durchsetzt, die dem Stasi  so manche Träne hinterherweinen.  Bedenklich finde ich es auch, wenn ein Teil der in der Bundesversammlung anwesenden Vertreter der Partei DIE LINKE sich nicht in der Lage sah, am Schluß der Veranstaltung „Präsidentenwahl“ die Nationalhymne mit zu singen. Diese Leute sind noch nicht in der Bundesrepublik Deutschland angekommen.

Christian Wulff, der nunmehr gewählte Bundespräsident, ist ein echtes, ein legitimes, Kind seiner Partei, der CDU, kein Quereinsteiger, wie es Horst Köhler war.  Als ich Freunden von meiner Verwunderung über den Rücktritt von Horst Köhler erzählte, meinten sie, daß es hinter den Kulissen nach seinen Äußerungen über die Rohstoffkriege (siehe Seite 2 ff) ganz schön gerumst haben muß, bis zu persönlichen Beleidigungen, die sich Herr Köhler nicht hatte bieten lassen wollen. Ein Christian Wulff wird alle Zumutungen seiner Vorsitzenden Merkel ohne Murren aushalten.

Auf Seite 6 drucke ich zur Illustration der politischen Zustände im (Bundes-)Berlin einen Beitrag aus www.abgeordnetenwatch.de ab. Dieser Beitrag zeigt, daß sich nicht nur der FDP-Vorsitzende und Außenminister Westerwelle für  viel Geld und unter Vernachlässigung der Aufgaben als Abgeordneter mieten läßt (vielleicht ließ, weil er sich als Minister die Prostitution nicht trauen wird). Das „älteste Gewerbe auf dieser Erde“, die Prostitution,  hat unter Umständen noch eine gesellschaftspolitische und sozial-hygienische Bedeutung. Die Ehrverlogenheiten von Politiker wie Steinbrück, Westerwelle und andere sind weitaus größere Skandale.

Die Skandale häufen sich. Frau Merkel flog am 3. Juli auf Kosten des Steuerzahlers nach Südafrika, um dem Fußballspiel Argentinien-Deutschland zuzuschauen. Die veröffentliche Meinung (Presse) kolportierte, daß der Flug mit der Regierungsmaschine pro Stunde € 10 000,- kostet.

Es wäre eine Tat gewesen, wenn die Bundeskanzlerin den Airbus mit Jugendlichen aus HartzIV-Familien gefüllt und einen großen Teil der Kosten dafür selbst, aus eigener, privater Tasche, getragen hätte. Aber auf diese praktische und politisch originelle Idee kommt eine FDJ-Sekretärin a.D. nicht.
So wie ihre Fußball-Südafrika-Reise ablief, so sehr sah die Reise wie eine Flucht vor nicht gemachten „Schularbeiten“ aus.

Schularbeiten haben zweifellos die deutsche Nationlamannschaft und ihr Trainer Joachim Löw gemacht. Diese junge, multikulturelle Truppe von deutschen Nationalspielern hat, in der Art wie sie spielen, einen wohltuenden Einfluß auf die deutsche Gesellschaft. Ein Freund machte mich darauf aufmerksam, daß diese junge deutsche Fußballmannschaft ein Integrationsgrund geworden ist, insbesondere hier in Berlin für die türkischen Jugendlichen. Sie schwingen nicht nur die deutsche Fahne Schwarzrotgold, sondern sie identifizieren sich mit der deutschen Mannschaft. Die Niederlage gegen Spanien ändert nichts an diesem positiven Eindruck.

Auf Seite 3 ff. veröffentliche ich einen Beitrag von Günter Woltmann-Zeitler mit einem sehr langen Titel. Ich hoffe auf eine inhaltliche Diskussion.

Ich selber bin über diesen Beitrag nicht so sehr begeistert. Ich habe das Gefühl, daß der Inhalt hinter den Vorschlägen der Freiwirte, der Anthroposophen und der unterschiedlichen Weiterdenker und Interpreten zurückfällt. Herr Woltmann-Zeitler ist von einer fast naiven Gläubigkeit an die Fähigkeiten der heutigen Staats- und Gesellschaftordnung bestimmt.

Ich bin sehr erfreut, daß das Bundeskabinett am 2. Juli ein Gesetz beschlossen hat, welches Leerverkäufe von Wertpapieren verbietet. Leerverkäufe heißt, es werden Wertpapiere verkauft, die man am Tag des Verkaufes gar nicht besitzt. Alle Finanzgeschäfte, denen unmittelbar kein Warenhandel zu Grunde liegt, sollten strengstens verboten werden. In diesem Zusammenhang müssen sich natürlich die Fachleute Gedanken über den Devisenhandel machen, weil davon z.B. Reise und Tourismus abhängt.

Finanzgeschäften liegt die gleiche Geldgier zugrunde, wie dem Handel mit harten Drogen, wie Kokain, LSD und andere. Handel und Genuss von Drogen schafft eine ähnliche, auch psychische, Abhängigkeit wie die Zockerabhängigkeit der in Finanzgeschäften Tätigen. Alle Täter wollen reich werden, koste es was es wolle.

Auf Seite 5 veröffentliche ich einen Text von Ohne Rüstung leben. Dieser Verein ist fachlich ein sehr kompetenter Verein. Er trägt die Zahlen für die deutsche Rüstung zusammen. Er kommt auf 30 Milliarden Euro Rüstungsausgaben pro Jahr. Mit Recht reklamiert der Verein das Geld für Bildung und soziale Leistung. Mein Schwerpunkt liegt auf Schulbildung und fachliche Ausbildung, und zwar nicht nur bei intellektuellen Leistungen sondern mit einer „Schule für praktische Daseinsbewältigung“. Diese praktische Daseinsbewältigung wird ab morgen lebensnotwendig werden. Natürlich gehört dazu der politische Widerstand in den europäischen Institutionen, die durch die materiell-politische Einflußnahme der Konzerne aus der europäischen Bevölkerung ein (fast) willenloses Heer von Arbeitssuchenden machen will, in dem er Einzelne nicht mehr in der Lage ist, einen Nagel in die Wand zu schlagen, oder, was noch schlimmer ist, eine Kartoffel zu pflanzen.

Die deutsche Steuerveranlagungen werden von Jahr zu Jahr komplizierter. Die Einnahmenseite ist genauso undurchsichtig wie die Ausgabenseite. In der Zeitschrift von Prognos, trendletter, Ausgabe 2009 Spezial wird unter der Überschrift >Wege des geringsten Widerstands< eine Mehrwertsteuererhöhung 2011 „prognostiziert“. Prognos, eine Schweizer „Fachleutevereinigung“ ist gegründet worden, um Konzerninteressen in Europa durchzusetzen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer. Die nächste Ausgabe erscheint im September 2010.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

(abgeschlossen am 22. Juli 2010)

 
     
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