Dieter Kersten - November / Dezember 2011    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

noch im März 2010 verkündete Merkel, sie „glaube nicht, daß Griechenland im Moment Geld braucht“. Genau das aber war nach der Offenlegung der Bilanz durch die in Athen neu ins Amt gekommene Regierung jedem ersichtlich. Merkel hingegen meinte mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen, man solle das Problem „nicht überbewerten“. Auch die FDP stemmte sich gegen die Unheil ankündigenden Umfragen und brachte sich mit jenem euroskeptischen Populismus in Stellung, der mit der Berlinwahl wohl endgültig gescheitert ist: Es könne nicht sein, polterte der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, daß „der deutsche Steuerzahler die Zeche für das Missmanagement in anderen Ländern zahle“. Diesen kursiv markierten Text habe ich einem Artikel von Tom Strohschneider entnommen, erschienen unter der Überschrift „Merkels Werk und Röslers Beitrag“ in der Wochenzeitschrift DER FREITAG vom 22. September 2011. Ich halte es einmal mehr für notwendig, festzuhalten, wie „alternativlos“, versteht sich (so wie die Kanzlerin monatelang zu sagen pflegte), Frau Merkel nur an ihre „Macht“ dachte und nicht an eine notwendige Auseinandersetzung mit Griechen und Geldmächten. Die Verzögerung von wichtigen Maßnahmen für und gegenüber Griechenland hat dazu geführt, daß die maßgeblichen Geldbesitzer ihr Geld ohne Widerstand außer Landes gebracht haben. Fachleute sprechen von einem „ausgewanderten“ Geldvermögen in Höhe des griechischen Defizits. Selbst wenn wir Frau Merkel vergessen und wenn wir bei Griechenland bleiben: es schält sich immer mehr heraus, daß ein Großteil der Griechen es bis heute nicht fertig gebracht haben, wenigstens annähernd ehrliche Steuererklärungen abzugeben.

Der zitierte euroskeptische Populismus kann nur aufkommen, wenn Merkel & Co., sprich, die staatstragenen Parteien, keine Vorstellungen von einem anderen Geldwesen (umlaufgesichertes Geld) und keine Ahnung von einem dezentral organisierten Wirtschaften haben.

Die deutsche Gewerkschaftlerin Ursula Engelen-Kefer beschreibt in der FREITAG-Ausgabe vom 15. September 2011 die „Eurorettung (Griechenlands) als soziale Falle“.

Die Demonstranten in Athen sind nicht für eine neue Sozial- und Wirtschaftsordnung. Die Volksabstimmung des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou ist mehrfach unter die Räder gekommen. Geldhandel und Demokratie vertragen sich nicht.

Gottseidank gibt es noch andere Demon-strationen, nicht nur in Israel, was ich sehr beachtlich finde, in Spanien und anderswo, und, guck an, in den USA.

Moritz Koch berichtet in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG vom 7. Oktober 2011 unter der Überschrift „Von der dunklen Macht der Wall Street“ u.a.: Ob in Boston oder Chicago, in Manhattan oder auf Hawaii, im ganzen Land demonstrieren die Amerikaner gegen die Macht der Wall Street. Es ist nicht allein die Angst vor Arbeitslosigkeit, die die Menschen umtreibt. Es ist die Angst um die amerikanische Demokratie. Wie kann es sein, fragen die Demonstranten, daß das sonst so zerstrittene Land im Zorn über die Banken vereint ist, und die Politiker dennoch nicht den Mut finden, sich den Kreditkonzernen entgegenzustellen? Die Antwort führt auf die K-Street in der Hauptstadt Washington, wo sich die Büros von Lobbyisten aneinander reihen, und auf die Flure des Kongresses. Deniz Igan und Prachi Mishra vom Internationalen Währungsfonds IWF bringen etwas Licht in diese dunkle Welt. Ihre Ergebnisse, in einem Arbeitspapier vom Juni 2011 veröffentlicht, sind brisant. "Wir kommen zu dem Schluß" schreiben sie, "daß Lobby-Ausgaben der US-Finanzindustrie in den Jahren vor der Krise in direkter Verbindung zum Abstimmungsverhalten von Volksvertretern bei wichtigen Gesetzesvorhaben standen - und daß Reformen, die von der Branche als nachteilig aufgefaßt wurden, sehr viel seltener erfolgreich verabschiedet wurden, als solche, die Deregulierungsschritte beinhalteten." Mit anderen Worten: Der politische Druck der Finanzindustrie hat jahrelang Reformen unterbunden, die den Zusammenbruch des Immobilienmarkts von 2007 und damit die bis heute anhaltende Wirtschaftskrise vielleicht hätten verhindern können. Schon das ist ein Skandal. ..... Der frühere Chefökonom des IWF, Simon Johnson, spricht daher von einem "stillen Coup": Amerika werde im Interesse der Wall Street regiert. Der Finanzindustrie sei es gelungen, den Politikern weiszumachen, daß Amerika nur prosperieren könne, wenn es den Großbanken gut gehe. Johnson geht sogar so weit, von der Übernahme Washingtons durch die Wall Street zu schreiben.

Was ist neu an diesen Erkenntnissen? Neu ist lediglich, daß so etwas in den oftmals gleichgeschalteten deutschen Gazetten steht. Sichtbar scheint auch zu werden, daß solche internationalen Programme wie Globaliserung Projekte der us-amerikanischen „Finanzindustrie“ sind, ein dummes, oft nachgesprochenes Wort, welches suggerieren soll, daß hinter den spekulativen Geld-Vermehrungs-Offensiven irgendetwas Produktives steckt.
Globalisierung ist ein neues Wort für Kolonisierung der Völker. Auf dieser Erde zirkulieren riesige Mengen an Geld, welches nicht durch eine produktive, ideenreiche Industrie erwirtschaftet worden ist, sondern welches „er-spekuliert“ worden ist. Bei der Globalisierung geht es auch um eine „Eine-Welt-Regierung“ unter der Fuchtel des Geldkapitals.

In der Wochenzeitschrift DER FREITAG vom 22. September wird unter der Überschrift „Lebhafter Ausverkauf von Ackerland“ und der Unterüberschrift „Agrarparadies über Spekulanten und Investoren“ berichtet, die sich mit Hilfe eines korrupten Diktators und auf Kosten der ortsansässigen Bauern bereichern. Während Somalia der Hunger quält, ernten internationale Investoren im benachbarten Äthiopien Salat, Kohl, Reis und Tomaten Es wird mir berichtet, daß in Brandenburg Israelis und Araber lebhaft Land kaufen, sozusagen als spekulative Reserve für ihren Wohlstand. Die Pachtkosten für die in Brandenburg arbeitenden Landwirte für Feld, Wiese und Wald erhöhen sich und die Erlöse für die Feldfrüchte können mit denen in Äthiopien nicht konkurrieren.

Aus Platzgründen nur eine kurze Bemerkung zu den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September 2011. Herr Wowereit (SPD), „Regierender Bürgermeister“, geriert sich als Gewinner der Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Es gehört schon eine ganze Menge Arroganz dazu, ein Ergebnis von 28,3 % und ein Verlust von 2,5 % für die SPD und der Verlust des Direktmandates für Wowereit mit dem Satz zu feiern: Wir haben gewonnen.

Ich wünsche Ihnen ein FROHES WEIHNACHTSFEST und ein gesundes, glückliches Jahr 2012. Ich wünsche mir viele neue Abonnenten und eine profunde Diskussion über die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Neuordnung Deutschlands.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

(Abgeschlossen am 15. November 2011)

 
     
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