April 1996    
Theater: Shakespeare "Der Widerspenstigen Zähmung"  
     
  "Der Widerspenstigen Zähmung ist ein bemerkenswertes Beispiel für Shakespeares wiederholte Versuche, dem Publikum realistische Komödie schmackhaft zu machen. Petruchio ist als menschliche Charakterstudie fünfzig Orlandos wert ... Und es ist gut für Katharina, daü sie auf eine kraftvolle Persönlichkeit wie ihn stöüt, der sie zur Vernunft bringt." Diesen Textausschnitt, der gekennzeichnet ist Bernard Shaw (1897), fand ich auf der Rückseite des Reclam - Heftchens, welches den Text Der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare enthält. Welch eine Enttäuschung beim Lesen des Textes! Aber vielleicht war es gar keine Enttäuschung, sondern nur das Gähnen eines reizüberflossenen Menschen? Vielleicht ist es auch der des öfteren beschworene britische Humor, den ich nicht verstehe? Die Dialoge, gelesen, schleppen sich dahin. Ein Schmarren, verkündigte ich, bevor ich das Stück sah. Mitnichten; der dreistündige Theaterabend hat sich gelohnt.
Ich sah das über dreihundert Jahre alte Theaterstück am 17. März 1996 in den Kammerspielen im Bezirk Berlin - Mitte. Das Bühnenbild war, sieht man von einigen Versatzstücken ab, immer gleich. Einer meiner Neffen stellte anläülich eines schon zurückliegenden Theaterbesuches - es war ein ganz anderes Stück - die These auf, daü die Bühnenbilder aus Kostengründen so einfach und das ganze Stück durchlaufend konzipiert sind. Die Theaterleute weisen vermutlich diese These als Unterstellung zurück, indem sie sagen werden, der Blick des Zuschauers wird durch ein vereinfachtes Bühnenbild auf Handlung und Text gerichtet. Dieser müüige "Streit" ist nur zu schlichten, indem ich behaupte, daü immer noch das Spiel und die Qualität der Schauspieler entscheidend sind.
Es war das Spiel der real vorhandenen guten Schauspielerinnen und Schauspieler, welches dieser Inszenierung Der widerspenstigen Zähmung einen sehr guten Platz in der Berliner Theaterszene sichert. Dreihundert Jahre vor dem Zeitalter der Frauenemanzipation persifliert Shakespe- are in einer vorzüglichen Art und Weise Unterordnung und Emanzipation der Frau, nicht ohne das Männlichkeitsgehabe auf eine sehr diffizile Art und Weise vorzuführen. Es gab Zuschauer, die in der Pause die Vorstellung verlassen haben. Ich kenne ihre Motive nicht. Ich kann mir jedoch vorstellen, daü allzu heftige Anhänger bürgerlicher Unterordnung bzw. emanzipatorischer Freiheit, gepaart mit Humorlosigkeit, das Stück als eine Zumutung empfinden.
In dem Stück geht es um eine Frau (Katharina), die sich selbst durch überspannte Erwartungen an die Ehe eine bei ihr selbst unbeliebte Keuschheit auferlegt. Sie ist mit sich selbst und der Welt unzufrieden, dadurch übellaunig zu sich selbst, zu jederfrau und jedermann und auch noch gewalttätig. Zu allem kommt noch, daü die Mutter Baptista die jüngste Tochter Bianca, umworben von vielen Freiern, erst verheiraten will, wenn Katharina "unter die Haube" gebracht ist. Das erhöht die Garstigkeit von Katharina ins Unermeüliche, zumal sich diese Schwester den Wünschen der Mutter (scheinbar) unterordnet. Die durch das mir vorliegende Textbuch nicht gedeckte Wandlung des reichen Edelmannes in Padua (Vater von Katharina und Bianca), Baptista, in eine reiche Witwe in Padua (Mutter von ...), Bapista, ist insofern ein guter Inszenierungs - Schachzug, als ein besseres Gleichgewicht zwischen den Männern und Frauen des Stückes hergestellt wird.
Aus dem Programmheft geht hervor, daü Der Widerspenstigen Zähmung .. früher als alle anderen Shakespeare . Dramen 1672 in gedruckter deutscher Übersetzung .. vorlag... Es wurde schon 1658, von Zittauer Gymnasiasten, in Deutschland aufgeführt. Die Premiere der Berliner Inszenierung fand am 17. Dezember 1995 statt.

William Shakespeare, der im Meyers Konversationslexikon von 1909 als der gröüte Dichter Englands und einer der gröüten aller Zeiten bezeichnet wird, wurde (vermutlich) am 26. April 1564 geboren, und zwar in Stratford - on - Avon und starb daselbst am 23. April 1616. Laut Reclam - Textheftchen ist die Entstehungszeit des Lustspiels nicht festzustellen; es gibt Vorgängertexte; natürlich ist Shakespeare durch fremde Texte zum Schreiben angeregt worden, und, wie vielfach bei Shakespeare, wird die Frage nach seiner Urheberschaft gestellt und schlieülich positiv beantwortet.

 
     
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