Dieter Kersten - Juni 1997    
Oper: Puccini "Tosca"  
     
  Ich hätte schwören können, daü ich schon über Giacomo Puccini berichtet habe, insbesondere im Zusammenhang mit den Opern La Bohéme und Madame Butterfly. Ich habe nichts gefunden, auüer den Bericht im April 1995 über Das Mädchen aus dem goldnen Westen. Deshalb schreibe ich zu Beginn dieses Kulturscpiegels einige Daten über den Komponisten Puccini nieder, was im April 1995 nicht geschehen ist.
Giacomo Puccini wurde am 22. Dezember 1858 in Lucca (bei Florenz) geboren und starb am 29. November 1924 in Brüssel. Er war der gröüte italienische Komponist nach Verdi; wenn ich als Laie Puccini von Verdi unterscheiden will, dann würde ich sagen, Puccini war nicht ganz zu monumental bzw. bombastisch, wie Verdi meistens ist. Das ist musikwissenschaftlich sicher eine ungenügende Aussage. Puccini ist, wenn wir die Opern Madame Butterfly und La Bohéme nehmen, lyrischer als Verdi, wobei mir das musikalische Grundmuster bei diesen beiden Opern so ziemlich gleich erscheint. Das Mädchen aus dem goldnen Westen ist da schon ganz anders, kräftiger, handfester, was jedoch auch zur Folge hat, daü dieses Stück keine populären Ohrwürmer liefert.
Das gilt auch für die Oper Tosca. Am 2. Mai 1997 sah und hörte ich in der Deutschen Oper Berlin, der Charlottenburger Oper, Tosca, in italienischer Sprache, Oper in drei Akten nach dem Drama von Victorien Sardou, Libretto von Guiseppe Giarcosa und Luigi Illica. Die beiden Librettisten haben übrigens auch die Texte für die Puccini - Opern Manon Lescaut, La Bohéme und Madame Butterfly geliefert. Tosca ist eine sehr dramatische Oper, die, wenn mich mein Gehör nicht täuscht, wieder einige lyrischen Anleihen bei Madame Butterfly und La Bohéme aufnimmt. Tosca ist im gleichen Jahr wie La Bohéme, aber nach Madame Butterfly, uraufgeführt worden, und zwar am 14. Januar 1900 in Rom. Tosca war für Rom ganz offensichtlich eine "politische" Oper, denn es gab vor der Aufführung nicht nur künstlerische, sondern auch politische Intrigen, letztere wohl, um die Aufführung zu verhindern. Das Stück spielt in Rom des Jahres 1800 und eine der Hauptpersonen ist ein charakterloser Polizeipräsident (Scarpia). Wie heiüt es: Ähnlichkeiten sind rein zufällig; wer von den Herrschenden läüt sich gerne über einen seiner Vorgänger entlarven.
Es war die 268. Aufführung seit der Premiere am 14. April 1969 in der Deutschen Oper Berlin, und zwar ist es eine Inszenierung des 1906 geborenen Alt - Intendanten Boleslaw Barlog, in unserer schnellebigen Zeit ein Fossil innerhalb der real existierenden Kulturlandschaft. Gemessen an den meisten modernen Inszenierungen alter Opern ist diese Tosca konventionell inszeniert, insbesondere was die Bühnenbilder betrifft. Andersherum gesagt: diese alte Inszenierung hebt sich sehr reizvoll von den modernen Inszenierungen ab.
Alle Sängerinnen und Sänger, voran Hasmik Papian als Floria Tosca, sangen und spielten vorzüglich. Das Opernhaus war fast ausgebucht, was ich zu meiner Freude sah.
Folgen Sie mir nunmehr von der Oper in das Sprechtheater. Am 22. Mai 1997 sah ich Molly Sweeney von Brian Friel im Renaissance-Theater. Das Theaterstück ist ganz frisch auf einer Berliner Bühne: es hatte Premiere am 15. Mai 1997. Es ist in der Tageszeitung DIE WELT am 17. Mai 1997 von Lorenz Tomerius freundlich besprochen worden, und ich mache es mir einfach, wenn ich daraus zitiere: "Molly Sweeney" erzählt in undramatisch monologischer Struktur die Geschichte einer jungen Frau, die als kleines Kind erblindet ist. Von den Eltern nicht einmal auf die Blindenschule geschickt, gelingt es ihr dennoch, ein erfülltes Leben zu führen. Erfolg als Schwimmerin, im Beruf als Masseuse, mehr als tüchtig, hat sie mit ihrer Ausstrahlung, ihrem menschlichen Reichtum sogar einen Mann beim Tanz gefunden, mit dem sie glücklich lebt. Ja, sie ist sogar in der Lage, den herzensguten Spinner Frank liebevoll zu behüten. Eine blinde Frau also, die auf ihre Art und Weise hat "sehen" können, durch das Tasten, durch das Hören, durch das Schmecken, durch das Riechen, läüt sich von einem Arzt und von ihrem Mann davon "überzeugen", wie schön es ist, sehen zu können. Die Motive von Arzt und Ehemann sind durchaus freundlich. Molly hat von Anfang an Bedenken, die sie nicht ausdrücken kann. Wie klingt das schon, wenn ein Blinder sagen würde - ich will nicht sehen? Molly verliert ihre seelische Balance, nachdem die Operation gelungen ist. Sie kann nicht mehr so "sehen", wie sie es Jahrzehnte lang gewöhnt war. Molly endet in der Irrenanstalt. Es ist fast eine Parabel, wobei ich nicht weiü, ob der Dramatiker es so gesehen hat.
Brian Friel ist ein irischer Schriftsteller, 1929 in Omagh (Nordirland) geboren und wird in dem dünnen, aber teuren Programm - Heft (besser als Programm - "Karte" zu bezeichnen) als der "inzwischen weltweit bedeutendste lebende Dramatiker" Irlands bezeichnet. Drei - gute - Schauspieler bieten etwa zwei Stunden gute Schauspielkunst, aber im Zuschauerraum waren höchsten 20 % der Plätze besetzt. Die action - gewohnte Gesellschaft verirrt sich nicht in ein Theater, wo Nachdenkliches geboten wird.
 
     
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