Martin Rust - Februar 2005    
Zelluloid, Zelluloid  
     
 

Für die Filminteressierten gab es im Januar zwei Ereignisse von herausragender Bedeutung in Berlin. Vom 12. 01. bis 20. 01. gab es die "Globale 05", das zum zweiten Mal stattfindende Festival der Globalisierungskritiker mit einem prall gefüllten Programm mit über 80 Dokumentationen, Kurz- und Spielfilmen sowie über 40 Filmschaffenden. Spielstätten waren die Kinos Acud und Central, zur Auftaktveranstaltung allerdings traf man sich im HAU 2, dem ehemaligen Theater am Halleschen Ufer.

Auf dem Programm stand der neue Film von Lutz Dammbeck "Das Netz - Unabomber, LSD und Internet". Strukturell selbst angelegt wie ein sich allmählich ausbreitendes Netz, welches den Zuschauer in seinen Bann zieht, taucht der Film ein in die Geschichte von Ted Kaczynski, einem ehemaligen Harvard-Absolventen und Mathematikprofessor. Im April 1996 wird er vom FBI verhaftet und es wird ihm vorgeworfen, als "Unabomber" Anschläge gegen Personen aus Wissenschaft, Kunst, Militär und Computertechnologie verübt zu haben. Der Film spürt den Einflüssen und Utopien nach, denen Kaczynski und viele andere seiner Generation ausgesetzt waren: die Hippie-Kultur Kaliforniens, die Kunstszene New Yorks, die wissenschaftlichen Utopien einer durch Technologie befriedeten Welt, wie sie in den Laboratorien von im Sold von Industrie und Militär stehenden Computerfreaks ausgedacht wurden und bis heute Gültigkeit haben. Der Film verwebt dabei die verschiedenen Stränge so geschickt, daß trotz der für eine Dokumentation nicht geringen Länge von 115 Minuten eine derart verdichtete dramaturgische Spannung entsteht, die den Betrachter auf den Sitz fesselt. "Das Netz" will nichts beweisen, aber alles andeuten. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen teil, neben Dammbeck selbst John Zerzan, führender Kopf der anarchischen Bewegung in den USA, Florian Rötzer, freier Journalist, Publizist, Medientheoretiker und Herausgeber des Online-Magazins "Telepolis" aus München, und Prof. Dr. Hans-Ulrich Reck, seines Zeichens Philosoph und Kunstwissenschaftler mit den Arbeitsschwerpunkten "Visuelle Dispositive der Neuzeit" und "Geschichte und Theorie der Einbildungskräfte". Ein wenig auch der nicht sehr professionellen Moderation geschuldet, ging die Diskussion zu wenig auf den Film als solches ein (Dammbeck sah aus, als empfände er es wohl ähnlich), sondern einzelne Mitglieder des Panels nutzten die Gelegenheit, sich und ihre Ideen aneinander vorbeiredend in den Vordergrund zu stellen. Dennoch: Wegen des Films ein sehr lohnenswerter Abend.

Etablierter ging es da schon am 19. Januar im Martin-Gropius-Bau zu. Anlaß war die Eröffnung der Ausstellung über Stanley Kubrick (ab 20. 01. bis 11. 04.); sie ist auch Teil des Berlinale - Rahmenprogramms. Anwesend waren Karin Schubert, Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Justiz, vor allem aber Sir Kenneth Adam ("Ken Adam"), gebürtiger Berliner und einer der weltweit renommiertesten "Kulissenbauer" im Filmgeschäft - ihm war vor knapp zwei Jahren an gleichem Ort eine eigene Ausstellung gewidmet - und als Ehrengäste Christiane Kubrick und Jan Harlan, letzterer der Regisseur einer Dokumentation über Kubricks Leben und Schaffen, die im Gropius-Bau ebenfalls täglich zu sehen ist. ..

Über Stanley Kubrick (1928-1999) selbst muß der Schreiber wohl an dieser Stelle nicht mehr sehr viele Worte verlieren. Nur wenige Regisseure haben es wie er verstanden ein breites Publikum gleichermaßen zu faszinieren und zu befremden. Seine Filme ("u.a. .. A Clockwork Orange", "Barry Lyndon", "2001: A Space Odyssey", "Shining") gehören zu den einflußreichsten Beiträgen der neueren Filmgeschichte; seine Bildwelten haben die Möglichkeiten des Films grundlegend an neue Grenzen geführt und Maßstäbe gesetzt - und ihm daneben auch ein Schloß mit über 100 Räumen in England ermöglicht. Die Ausstellung, die auch in weiteren europäischen Städten und schließlich New York zu sehen sein wird, widmet sich zum ersten Mal dem Gesamtwerk des Regisseurs; präsentiert werden Materialien und Objekte aus dem Nachlaß sowie Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen, aber auch das Spannungsfeld zwischen Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte.

Besonders gefallen hat dem Schreiber in all der Fülle des Abends der Extra-Raum, in dem es um Filmmusik ging. Kubrick setzt alle Arten von Filmmusik ein, von der Klassik bis hin zu elektronischen Klängen. Dabei geht es ihm nicht wie sonst meist im Filmbusiness üblich um die Doppelung des visuell dargestellten, sondern um die Musik als ein Eigenes. .. So drückt bei Kubrick ein Walzer die Routine aus, elektronische Musik wird eingesetzt zur Darstellung des inneren Wahns der handelnden Charaktere, Harfenklänge weisen auf innere Einsamkeit hin und Marschrhythmen dienen der Parodierung. Der Besucher sollte wenigstens die doppelte Zeit in diesem Raum verbringen: die Filmausschnitte genießen, einmal unterstützt durch die Kraft des Auges, beim zweiten Mal aber ganz auf seine Ohren vertrauend. Insgesamt ist die Ausstellung ein "Muß" nicht nur für Cineasten, sondern darüber hinaus für jeden Kultur- und Medieninteressierten. Öffentliche Führungen immer samstags 14 Uhr, sonntags 16 Uhr.

Weitere Informationen zu beiden Events:

www.globale-filmfestival.de

www.stanleykubrick.de

www.gropiusbau.de

 
     
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