Dieter Kersten - Juli / August 2009    
 

Oper:Nunziato Porta"Orlando Paladino"
Theater: Bertolt Brecht "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui"

 
     
 

(D.K.) Am 12. Mai 2009 sah und hörte ich in der Staatsoper Berlin, Unter den Linden, die Oper  Orlando Paladino, Text von Nunziato Porta, Musik von Joseph Haydn (* 31. März 1732 in Rohrau, Niederösterreich; † 31. Mai 1809 in Wien). Neben den Programmzetteln, die meines Wissens nichts kosten, können Sie für € 7,- ein „Programm-Buch“ kaufen, in dem neben langen theaterwissenschaftlichen Artikeln auch der Text der Oper in deutscher Sprache abgedruckt ist. Es wird nämlich italienisch gesungen, mit deutschen Übertiteln, die für mich persönlich an diesem Abend schlecht zu lesen waren.

Orlando Paladino heißt auf deutsch Ritter Roland.  Manchen von uns ist sicher noch die Roland-Sage bekannt. So gibt es  am Rhein auch einen „Rolandsbogen“. Es gibt eine fast unübersichtliche und inhaltlich ausufernde  Anzahl von Geschichten, die die Menschen des  17. und 18. Jahrhundertssehr beschäftigt haben müssen. Kaum ein Libretti-Schreiber oder Komponist hat, in dieser Zeit, das Thema Ritter Roland in all seinen Variationen ausgelassen. Es ist keine deutsche, sondern ein europäische Literatur.

Die historische Premiere von Haydns Orlando Paladino fand am 6. Dezember 1782 im Opernhaus Schloß Esterháza in Ungarn statt.  Das ungarische Fürstenhaus Esterháza hat sich um Haydn und seine Musik verdient gemacht. Im Opernhaus Schloß Esterháza gab es keine kostenpflichtigen Eintrittskarten. Jeder, der ordentlich und sauber gekleidet war, hatte Zutritt.

Orlando Paladino soll, wie Mozarts Zauberflöte, den Freimaurern zugeordnet sein. Mozart und Haydn waren eng befreundet und gehörten, der Überlieferung nach, der gleichen Freimaurerloge an.  Für mich ist die Oper ein „fantastisches“ Märchen, manchmal schon zu fantastisch, mit verwirrenden Ereignissträngen. Es spielte das Freiburger Barockorchester, vorzüglich, und es gab keine menschliche Sing-Stimme, die zu kritisieren wäre.

Das Bühnenbild war ein gelungenes Zusammenspiel von moderner „Guckkastenbühne“ und der modernen Bühnen-Drehtechnik. Die Vorstellung war sehr gut besucht. Es war die 3. Vorstellung nach der Premiere der jetzigen Inszenierung am 8. Mai 2009.

Der Schlußsatz, der von allen Sängerinnen und Sänger gesungen wird, lautet: Wenn ihr glücklich sein möchtet, liebt immer den, der euch liebt, unschuldig, ohne Künstlichkeit, und das Herz wird glückselig sein.

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(D.K.)  Am Donnerstag, den 21. Mai sah ich im Theater am Schiffbauerdamm - Berliner Ensemble das Theaterstück Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui von Bertolt Brecht (* 10. Februar 1898 in Augsburg, † 14. August 1956 in Berlin). Die Inszenierung ist eine Regiearbeit von Heiner Müller (* 9. Januar 1929 in Eppendorf/Sachsen, † 30. Dezember 1995 in Berlin). Die Premiere war am 3. Juni 1995.

Laut Wikipedia ist das Stück von Brecht 1941 geschrieben und erst nach seinem Tode, am 19. November 1958, in Stuttgart uraufgeführt worden. Brecht soll, nachdem er  (wann?) gefragt wurde, warum das Stück nicht aufgeführt wird - gesagt haben, die Deutschen seien noch nicht reif dafür - ??? Naja, kann ich dazu nur  sagen, auch Bertolt Brecht gehört zu den Deutschen.

Die ungefähr hundert Jahre, teilweise wirksame, Aufklärung im 17. + 18. Jahrhundert ist im 19. + 20. Jahrhundert in Deutschland nicht weiter vertieft worden. Die Folge waren die menschlichen und geschichtlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts bis heute. Die immer noch lebendige politisch-soziale Menschenverachtung (Faschismus), ob links oder rechts, ist nachwievor vorhanden, ganz egal übrigens, auf welchem Erdteil.

In meinen Augen ist  das Gangsterstück Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui fast eine Verniedlichung des politischen Geschehens im Deutschland des „Dritten Reiches“. Brecht wollte, indem er das us-amerikanische Gangstertum (Al Capone) der zwanziger bzw. dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts schilderte, den Menschen  die Verbrechen Hitlers und seiner Paladine vor Augen führen. Diese Gangster aus Chicago und New York wären meiner Meinung nach nicht in der Lage gewesen, ein ganzes Volk geistig und moralisch kaputt zu machen.

Zwischenbemerkung: Ich wundere mich, daß das Stück nicht Der aufhaltsame Aufstieg des Adolf Hitler   heißt. Das Hilfsmittel Al Capone wäre nicht notwendig gewesen.

Zwei Zitate von Bertolt Brecht, die vielleicht bei der Inszenierung von Heiner Müller eine Rolle gespielt haben könnten, und die ich auf der Wikipedia-Seite gefunden habe, sollen nicht unterschlagen werden: „Ui ... ist ein Versuch, der kapitalistischen Welt den Aufstieg Hitlers dadurch zu erklären, daß er in ein ihr vertrautes Milieu versetzt wurde.“ und „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch (aus dem Epilog des Dramas).“.

Angesichts der aktuellen Sichtbarwerdung des noch nicht besiegten „Raubtier“-Kapitalismus muß festgestellt werden, daß Aturo Ui, Hitler, Josef Ackermann und Al Capone gesellschaftspolitisch nicht sehr weit voneinander entfernt sind.

Aber was ist mit dem Kommunismus, Herr Brecht und Herr  Müller? Eine rhetorische Frage, denn beide sind  tot.

Zum Schluß stelle ich mir noch die Frage: War Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui nun „ein Brecht“ oder „ein Müller“?

Ich kann und will es nicht verhehlen, daß es ein sehr eindrucksvoller Theaterabend war, sehr gut besucht, von einem hoffentlich künstlerisch und politisch aufnahmebereiten Publikum.

 
     
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