Dieter Kersten - Januar / Februar 2010    
 

Theater: Federico Garcia Lorca: "Gedicht in mehreren Gärten - Doña Rosita oder die Sprache der Blumen"
Theater: Georg Büchner: "Woyzeck"
Theater: Fritz Schindlecker: "4 nach 40"

 
     
 

(D.K.)  Am 9. September sah ich im Berliner Ensemble/Theater am Schiffbauer Damm/Brecht-Theater das Gedicht in mehreren Gärten - Doña Rosita oder die Sprache der Blumenvon Federico Garcia Lorca.

Federico García Lorca, geboren am  5. Juni 1898 in Fuente Vaqueros, Provinz Granada; erschossen durch spanische Nationalisten am 19. August 1936 in Viznar nahe Granada war ein spanischer Schriftsteller und Dichter.

In meinen Augen ist dieses Stück sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch ein unspektakuläres Theaterstück. Der Inhalt: In Granada nimmt Doña Rosita Abschied von ihrem Verlobten, der nach Südamerika fährt. Sie verspricht, auf seine Rückkehr zu warten. – Die Jahre vergehen. Uneingestanden verabschiedet sich Rosita allmählich von der Hoffnung, daß ihr Verlobter, trotz seiner Beteuerungen, zurückkommen wird. – Wieder Jahre später. Rosita sieht sich gezwungen, endgültig Abschied zu nehmen von ihrer Illusion der unverbrüchlichen Liebe. Der Verlobte hat geschrieben, daß er seit acht Jahren verheiratet ist. Sie versinkt in dem „entsetzlichen Gefühl, eine gestorbene Hoffnung aufrecht erhalten“ zu haben. Doña Rosita blüht und verwelkt wie die „Rosa mutabilis“, die veränderbare Rose, die morgens rot ist, mittags leuchtet, nachmittags weiß wird und in der Dämmerung abstirbt. Onkel, Tante und Haushälterin sehen aufgeregt und entgeistert zu.

Lorca  beschreibt in seinem Stück am Beispiel der „sitzen gelassenen“ Rosita, dem Leben ihrer Tante und der Haushälterin, die Stellung der Frau in der spanischen Gesellschaft Anfang des vorigen Jahrhunderts. Es ist eine vergangene Gesellschaft. Sie wird auch in Spanien der Neuzeit nur in den immer wiederkehrenden Geschichten der Familien weiter existieren.

Es ist ein unterhaltsames Stück. Ich bin dem Regisseur Thomas Langhoff sehr dankbar, daß er darauf verzichtet hat, die Schauspieler schreien zu lassen. Sie brauchten sich auch nicht auf dem Boden zu wälzen. Auf diese Weise kam die Poesie des Stückes zur Wirkung.

Die Poesie des Stückes ist das Einzige, was von einer möglichen Botschaft Lorcas übrig bleibt.

Das umfangreiche Programmheft enthält den gesamten Text des Stückes, welcher im Buchhandel nicht zu haben ist.  Es hat, der Erinnerung nach, 8 Euro gekostet. Es lohnt sich.

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(D.K.) Merkwürdigerweise ist mir das Stück Woyzeck von Georg Büchner so in Erinnerung, als wenn ich es vor wenigen Monaten gesehen habe. Es scheint aber nicht so zu sein.

Am 8. November habe ich in den Kammerspielen des Deutschen Theaters das Stück mit folgender Programm-Ansage gesehen: Woyzeck von Robert Wilson/Tom Waits/Kathleen Brennan nach dem Stück von Georg Büchner.

Der Inhalt entspricht in etwa dem Original: Woyzeck ist einfacher Stadtsoldat. Und er liebt Marie. Damit sie und ihr Kind überleben, verdient er sich etwas dazu, rasiert seinen Hauptmann und unterwirft sich den Experimenten des Doktors. Ein Druck lastet auf Woyzeck, so groß, daß man meinen kann, er schnappe noch über mit seinen Gedanken. Marie trifft den Tambourmajor. In ihr blitzt die Ahnung von einem anderen, sorgloseren Leben auf. Die Freiheit der Körper, die Lust der anderen, Erniedrigung, Einsamkeit und Wahn: Nun ist es zu viel. Woyzeck ersticht Marie.

Das Bühnenbild war so etwas wie eine schräge Manege und förderte ein wenig das „Bühnen-kriechen und -sielen“, welches bekanntlich das „Nonplusultra“ moderner Inszenierungen ist. Im rückwärtigen Teil der Bühne hatte eine Musikband Platz genommen, welche die Schauspieler musikalisch begleitete. Einige versuchten sogar zu singen. Trotz dieser Bemerkungen: die Schauspieler der Kammerspiele des Deutschen Theater sind gut.

Karl Georg Büchner (* 17. Oktober 1813 in Goddelau, Großherzogtum Hessen; † 19. Februar 1837 in Zürich) war ein deutscher Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Revolutionär. Er wurde nur 24 Jahre alt und hinterließ Woyzeck als Fragment.

.Das Theater war gut besucht. Das Publikum klatsche.

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(D.K.) Sind Sie auch schon einmal in einen Fahrstuhl stecken geblieben, zusammen mit fremden Menschen, mehr als eine Stunde in der Kabine, ohne irgendeine Nachricht von und nach draußen? Ein Albtraum? Sie geben sicher zu, daß das ein Stoff für alle Kategorien theatralischer Wiedergaben sein kann.

Ich sah diesen Albtraum,  als Boulevard-Komödie von Fritz Schindlecker, am 9. Dezember im THEATER AM KURFÜRSTENDAMM in hochkarätiger Besetzung: Ingo Naujoks, Nina Hoger, Claudia Geisler und Stephan Grossmann. Die Berliner Erstaufführung fand am 6. Dezember statt.

Das Stück heißt  4 nach 40 und der Titel soll bedeuten, daß der Fahrstuhl etwa im 40sten Stockwerk (von 80 Stockwerken) zwangsweise stehen bleibt, und  daß keiner der vier Fahrstuhlnutzer älter als 40 Jahre ist. Der bürgerliche Witz handelt von bürgerlicher Erotik bis zu bürgerlichen Beziehungskisten, sprachlich und szenisch spritzig dargeboten, einschließlich der „überraschend“ schnellen, aber ungefährlichen, Abfahrt des Fahrstuhls nach Parterre. Also nichts Besonderes. Oder? Naja, es geht auch um die Midlifecrisis, die manche Menschen mit exakt 40 Jahren ereilen soll. Mehr will ich dazu nicht schreiben!

Alle vier Protagonisten singen auch, was sie hätten sein lassen sollen. Sie konnten es nicht.

Das Theater war sehr gut besucht. Es wurde reichlich, und wie es schien, aus dem Herzen kommend, geklatscht. Es fiel auf, daß nicht nur ein Boulevard-Theater-erfahrendes Publikum anwesend war, sondern auch deren  Nachwuchs.

 
     
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