Dipl.-Ing. Philipp Schreck / Februar 1999    
Die staatlich verordnete Verletzung von
Sicherheitsvorschriften beim Bau von Brücken
 
     
 

Die Pläne des Bundesministers für Verkehr zum Ausbau des deutschen Straßennetzes und deren Hintergründe: die systematische Zerstörung der deutschen Fernstraßen durch den Bau gerissener Spannbetonbrücken.

Ein Bericht von Dipl.-Ing. Philipp Schreck

Im SPIEGEL vom 15. Februar 1993 wird auf den Seiten 26-32 ausführlich über die gigantischen Pläne des Bundesministers für Verkehr zum Ausbau des gesamtdeutschen Straßennetzes berichtet. Der Minister wird - eher nachsichtig als kritisch - mehr oder weniger als autobesessener Wirrkopf dargestellt, der mit Hilfe von "Horrorvisionen" über den im Jahre 2010 zu erwartenden Transitverkehr seine Pläne durchzusetzen versucht. Doch der Bundesminister für Verkehr hat in der Tat zwingende Gründe für dieses Programm. Er braucht in den alten Bundesländern dringend "neue Trassen" als Ersatz für den "erkrankten Verkehrskörper" (Bundesminister Krause im Januar 1992 in einem Vortrag in München vor dem Wirtschaftsrat der Union), der in allernächster Zeit nicht mehr benutzbar sein wird, weil es so "enorme Probleme mit den Brücken" gibt, daß ein weitgehender Verkehrszusammenbruch und eine daraus resultierende "schwerwiegende Behinderung der Wirtschaft" zu erwarten sind (Friedrich Standfuß, Leiter der Brückenbauabteilung im Bundesverkehrsministerium, am 4.10.1990 in Berlin). Eine "Risikostudie Talbrücken" (Bundesministerium für Forschung und Technologie sowie Verkehr) belegt, daß die 55 untersuchten Talbrücken, die nach dem deutschen Spannbeton-Standardbrückentyp gebaut wurden, (Hohlkastenquerschnitt und statisches System des Durchlaufträgers), alle nicht mehr benützt werden dürften, weil sie sich aufgrund der vorgefundenen Rißschäden bereits in der zweithöchsten Schadensklasse S5 befinden. Diese erfordert nach der Definition dieser Studie wegen mangelnder Sicherheit die Sperrung. Die "Risikostudie Talbrücken" wurde nach dem Erscheinen eines Vorabdrucks wieder zurückgezogen.

Weil der Staat die vielen Milliarden, die die "neuen Trassen" kosten, gar nicht hat, sollen sie privat finanziert, bzw. der bereits vorhandene "erkrankte Verkehrskörper" soll verkauft werden. Der Eigentümer des deutschen Verkehrsnetzes, das Volk, das es mit seinen Steuern bezahlte, soll dann für
die Benutzung dessen, was ihm rechtmäßig gehört, Gebühren an die Käufer abführen. Die Gründe für den "erkrankten Verkehrskörper" sind der Bauverwaltung im Bundesverkehrsministerium seit vielen Jahren bekannt: Deutschland-West schlug im Spannbetonbrückenbau, der nach dem Krieg begann, von Anfang an einen "Sonderweg" ein. Mit diesem "Sonderweg" war es möglich, Betonbrücken mit großen Spannweiten zu bauen, was bisher nur mit Stahlbrücken oder mit den sehr kostenaufwendigen Bogenbrücken möglich war. Das Ziel der Erfindung des Spannbetons, nämlich ein rissefreies Betonbauwerk herzustellen, das auch unter Verkehr rissefrei
bleibt, konnte mit dem deutschen "Sonderweg" nicht erreicht werden, weil bei den in Deutschland-West üblichen Konstruktionen die risseerzeugende Wirkung der Abbindewärme des Betons und der Sonnenbestrahlung (= hohe Zugspannungen im Betonquerschnitt infolge Temperaturdifferenzen) nicht
ausgeschaltet werden kann.

Eine rissefreie Konstruktion aber ist die Voraussetzung dafür, daß ein Bauwerk auf Dauer sicher, d. h. von praktisch unbegrenzter Lebensdauer ist, während der "typische Dauerhaftigkeitsschaden Riß" ("Risikostudie Talbrücken", Teil A, Seite 5.18) die Lebensdauer einer Brücke extrem verkürzt. Die heutigen offiziellen Schätzungen dieser "üblichen Lebens- und Benutzungsdauer" bzw. die Zeitspanne bis zum "vorgesehenen Ende der Nutzungsdauer" liegen heute bei 30 Jahren und weniger". In der zweiten Hälfte der 60er Jahre, etwa zusammenfallend mit dem Beginn der großen Koalition
wurde der Brückenbau als Vehikel zur illegalen Geldbeschaffung (nach dem Mailänder Modell) entdeckt. Dazu bedurfte es der Mitarbeit zuverlässiger" Baufirmen. Diese waren bei den Spannbeton-Brückenbauern leichter zu finden als bei den selbstbewußten traditionsreichen Stahlbauern. Außerdem
hatten die ersteren ein starkes Motiv, sich des Wohlwollens ihrer Auftraggeber zu versichern, weil sie schon seit rund 20 Jahren gerissene Spannbetonbrücken gebaut hatten, die überdies vorschriftswidrig waren, denn die Spannbetonvorschrift DIN 4227 fordert ein rissefreies Bauwerk.
Da bei großen und entsprechend teuren Brücken-Neubauten naturgemäß auch das illegale Geld üppiger fließen kann, hatten auch die Auftraggeber ein starkes Interesse daran, diese den ko-operativen Spannbetonbauern zuzuschieben. Weil sie bei Brücken mit größeren Spannweiten die
Spannbetonvorschrift nicht einhalten konnten, wurde ihnen weiterhin gestattet, die Brücken so zu bauen, daß sie schon bei der Herstellung den "typischen Dauerhaftigkeitschaden Riß" erlitten, auch bei Brücken, bei denen eine andere Konstruktion und damit die Einhaltung der Spannbetonvorschrift
durchaus möglich gewesen wäre. Die Bauverwaltung nahm die Brücken dann als "dauerhaft mängelfrei" ab und ließ sie anschließend auf Kosten der Steuerzahler notdürftig reparieren (eine dauerhafte Risse-Reparatur ist nicht möglich, weil die Sonne die Risse wieder öffnet).

1967 wurde der Stahlbau bei der Neufassung der DIN 1072 (Vorschrift für Brückenlasten) durch ein groteske Ungleichbehandlung gegenüber dem Spannbetonbau massiv benachteiligt und anschließend ganz aus dem Brückenbaugeschäft hinausmanövriert. Dies hat nicht unerheblich zu der Krise im Stahlbau beigetragen. Ab 1970 begann die Auftraggeberseite (Brückenbauverwaltung im Bundesverkehrsministerium und in den Ländern) damit, die erfindungsgemäße Anwendung des Spannbetons, d. h. den Bau von Brücken, die gemäß Vorschrift rissefrei und damit dauerbruchsicher =
auf Dauer sicher sind, zunehmend zu behindern. 1975 erklärte Professor Leonhardt, der prominenteste "Führer" auf dem deutschen Sonderweg im Spannbetonbrückenbau, auf dem deutschen Betontag, den rissefreien Spannbeton gebe es gar nicht, Risse bis zu einer bestimmten Breite seien jedoch völlig unschädlich.

1976 erließ die Bauverwaltung Verordnungen, mit denen sie die erfindungs- und vorschriftsgemäße Anwendung des Spannbetons ganz unterband. Unmittelbar darauf ereignete sich der Beinahe-Einsturz an einer Spannbeton-Durchlaufträgerbrücke mit Hohlkastenquerschnitt (Heerdter Dreieck in
Düsseldorf). 17 Jahre nach Fertigstellung war an dieser Brücke der Dauerbruch eingetreten, in einer Rißstelle war die gesamte Bewehrung (Schlaff- und Spannstahl) abgerissen. Aufgrund der daraufhin
sofort angeordneten Untersuchungen aller Spannbetonbrücken auf Risseschäden hin weiß die Bauverwaltung spätestens seit Ende der 70er Jahre, daß der durch die Risse eingeleitete Dauerbruchvorgang innerhalb weniger Jahrzehnte zur völligen Zerstörung der Brücken führt. Der Weg
in die Katastrophe wurde dennoch fortgesetzt.

 
     
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