Dieter Kersten / Oktober 2003    
Noch einmal Israel  
     
  Den rebellierenden israelischen Militär-Kampfjet-Piloten, 27 an der Zahl, kann ich nur gratulieren. Ich muß dem Volk des Staates Israel gratulieren. Alle Achtung vor dem Mut dieser jungen Männer. Die Weigerung dieser Piloten, Einsätze auf Zivilisten bzw. auf deren Wohngebiete zu fliegen, zeugt von einem moralischen Bewußtsein, welches sich, so hoffe ich, so entwickeln läßt, daß das gegenseitige Totschießen, der Krieg, eines Tages zur grausamen Vergangenheit gehört. Die Weltöffentlichkeit sollte diese tapferen israelischen Soldaten vor Repressionen ihrer Vorgesetzten und ihrer Regierung schützen. Wenn deutsche Soldaten im 2. Weltkrieg einen solchen Mut zur Rebellion gegen ihre Einsätze auf Zivilisten für ihren "Führer" und für das Nazi-Regime gehabt hätten, dann wäre uns Deutschen viel erspart geblieben. Aber wahrscheinlich war die geistige und moralische Entwicklung der meisten Menschen noch nicht so fortgeschritten; auch in unserer Zeit gibt es immer wieder und sehr viele unmenschliche Verwerfungen, siehe aktuell der Eroberungskrieg der US-Amerikaner im Irak oder die Tschechenien-Politik der Putin-Regierung..
Die Rebellion der israelischen Militär-Piloten geschah am 27. September. Am 3. Oktober entnehme ich der Internet-Seite www.nai-israel.com folgenden Text: "Israelische Autoren stehen hinter Verweigerer - 36 prominente israelische Autoren haben sich öffentlich hinter die Gruppe von Piloten der israelischen Luftwaffe gestellt, die Angriffe auf palästinensische Terroristen in dicht besiedelten Palästinensergebieten ablehnen. Die Schriftsteller meinten, daß die Regierung und die Militärführung auf die Piloten hören sollten, selbst wenn es um Angriffe auf Terroristen ginge. Israel müsse sich ohne Unterlaß um Verhandlungen mit den Palästinensern bemühen, um die Besetzung der Gebiete zu beenden, so die Autoren im Kol-Israel-Radio. Unter den Autoren be- finden sich David Grossman, Sami Micha-el und Batja Gur."
Gratulation für den Weg zum Frieden! Trotz der Wermutstropfen! Der gleichen Internet-Seite entnehme ich zwei Nachrichten: "Pilotenrevolte: Einer der Piloten, die in der letzten Woche in einer Petition erklärt hatten, daß sie sich weigern würden, Terrorziele anzugreifen, wobei eventuell auch palästinensische Zivilisten zu Schaden kommen könnten, nahm seine Erklärung zurück, da diese Revolte nicht nur von der Regierung verurteilt worden war, sondern die Verweigerer vom Volk als Verräter bezeichnet wurden. Wer den Terror bekämpfe, schütze das israelische Volk. Weiterer Pilot distanziert sich: Ein weiterer Pilot zog seine Unterschrift vom Verweigerungsschreiben zurück. Dies ist bereits der dritte Pilot, der seine Meinung im Nachhinein änderte. Jedoch gesellte sich ein weiterer ehemaliger Pilot zu den Verweigerern hinzu: Mosche Bokai, Held im Sinai-Krieg 1956, der bereits seit 20 Jahren nicht mehr aktiv ist."
Beide Nachrichten zeigen, was für ein Druck auf die Menschen ausgeübt wird oder auch nur auf ihnen liegt.
Es muß auch im September gewesen sein, als es in Jerusalem eine Friedensdemonstration gab. Merkwürdigerweise fand ich bei meinen Recherchen im Internet keine Nachricht dazu.
In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 26. September ist ein Beitrag von Michael Schneider unter der Überschrift "Seit wann ist Okkupation zu relativieren?" abgedruckt. Es lohnt sich, auch den Untertitel zu zitieren: "Einseitige Wahrnehmung eines asymmetrischen Konflikts - Auch das deutsch-jüdische Verhältnis blockiert eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern". Schneider stellt fest: "Wer wollte bei dieser Faktenlage ernstlich bestreiten, daß der virulente Kern des gesamten Konfliktes die seit 35 Jahren anhaltende israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik ist, die in diversen UN-Resolutionen verurteilt wurde? Daß folglich das Haupthindernis des Friedensprozesses nicht bei den Besetzten, sondern bei den Besatzern liegt, bei ihrer notorischen Weigerung, den notwendigen Preis für den Frieden zu zahlen? Wenn dem aber so ist, dann gibt es nur einen Weg zur Lösung des Konfliktes: Die Internationale Gemein-schaft übt verschärften politischen und wirtschaftlichen Druck auf den militärisch haushoch überlegenen Partner dieses "asymmetrischen Konfliktes" aus und nutzt - wenn dieser nicht nachgibt - alle Sanktionsmöglichkeiten, die auch sonst gegen Staaten eingesetzt werden, wenn sie sich bindenden UN-Resolutionen fortgesetzt verweigern. - Statt sich einer solchen Konsequenz zu stellen, sieht Westeuropa der mörderischen Eskalation des Konfliktes in vornehmer diplomatischer Zurückhaltung lieber zu. Schließlich handelt es sich nicht um irgendein Land, gegen das man im Falle anhaltender Völker- und Menschenrechtsverletzungen sofort Sanktionen verhängen würde, sondern um Israel, das aufgrund eines singulären Verbrechens, des Holocausts, einen Sonderstatus genießt. Und wer, gar noch als Deutscher, sei er Politiker, Journalist oder Intellektueller, es wagt, die israelische Politik gegenüber den Palästinensern offen zu kritisieren, wer etwa fordert, die deutschen Waffenexporte nach Israel zu stoppen, der gerät hierzulande sofort unter Antisemitismus-Verdacht. ...... Hier setzt eine längst verinnerlichte Denkblockade ein. Bekanntlich leiden nicht nur die Kinder und Nachfahren der Holocaust-Opfer an einem Verfolgungstrauma, das ihnen gleichsam reflexhaft gebietet, jedwede Kritik an der Politik des Staates Israel als In-fragestellung seiner Existenz zu deuten und diese sogleich als "antisemitisch" oder "antijudäisch" zu verdächtigen; auch die Kinder der Tätergeneration leiden offenbar an einem Schuldkomplex, den sie durch einen moralisch unanfechtbaren Philosemitismus und eine hundertprozentige Identifikation mit dem Staate Israel zu kompensieren suchen. Dabei war es gerade Adorno, der den nach 1945 verordneten deutschen Philosemitismus mit größter Skepsis betrachtete. Das betonte "Lob der Juden" und ihrer kulturellen Leistungen war ihm stets verdächtig, weil es ihm allzu sehr nach Kompensation und Rationalisierung der verdrängten antisemitischen Affekte schmeckte: "Lobreden auf die Juden, welche diese als Gruppe absondern, geben selber dem Antisemitismus allzu viel vor", heißt es in Erziehung zur Mündigkeit. - Auch waren - und sind es immer wieder - namhafte jüdische Philosophen, Historiker und Schriftsteller, die den Zionismus als nationalistische Ideologie und Staatsform vehement kritisieren. So hat der jüdische Philosoph Ernst Tugendhat für Die Zeit vom 22. Februar 1991 (Der Golfkrieg, Deutschland und Israel) die Deutschen nachdrücklich davor gewarnt, den Argumenten des offiziellen Israel blindlings zu folgen. Seine Hauptthese ist, daß die Deutschen ihre historische Schuld an den Juden nicht bewußt und nicht rational aufgearbeitet haben und daß sie deshalb auch vor den Forderungen des zionistischen Staates, die nicht mit dem Interesse des jüdischen Volkes an guter Nachbarschaft mit den arabischen Völkern identisch sind, fast automatisch > einknicken <. > Wird die Schuld, die man empfindet, nicht bewußt aufgearbeitet ..., dann hat das zur Folge, daß man sich zu seinem Gegenüber so verhält, daß man alles tut, was er glaubt, was man zu tun hätte. Man gibt also die Autonomie des eigenen Urteilens preis, und das Gegenüber hat so die Chance, die eigene Schuld zu manipulieren. Es gibt Menschen und auch Staaten, die auf dem irrationalen Schuldgefühl eines anderen virtuos wie auf einem Klavier spielen können. So tun es auch die Israelis mit den Deutschen.< Hätte ein nicht-jüdischer Deutscher diese Sätze geschrieben, man hätte gewiss nicht gezögert, ihn mit der bewährten Keule des > linken Antisemitismus < zum Verstummen zu bringen. - In seinem jüngsten Buch > Zweierlei Israel < wirft der bekannte israelische Historiker Moshe Zuckermann der offiziellen israelischen Politik die > Zionisierung und Instrumentalisierung der Shoah < vor: > Es ist im Zionismus, wie er sich nach 1945, besonders nach 1948 entwickelte, angelegt, daß die Shoah zionisiert wurde ... Den Zionismus der sozialistischen Ideale gibt es nicht mehr. Es gibt das Klein-Israel von 1967 nicht mehr, weil es die grüne Grenze auch im Bewußtsein nicht mehr gibt. Der Zionismus ist aus einer Befreiungsbewegung zu einer ex-pansionistischen Bewegung, zu einer kolonialen Bewegung geworden, die noch immer den Namen des Zionismus trägt, aber mit der Ursprungsidee des Zionismus nichts mehr zu tun hat ... Mittlerweile sind die Hauptträger des Zionismus die Siedler, und so apostrophieren sie sich auch: Wir sind heute die eigentlichen Pioniere. <"
Es ist eine erfreuliche Nachricht, daß so ein Text in FREITAG veröffentlicht wird. Das Buch von Moshe Zuckermann biete ich in der beiliegenden Bestellliste an, so wie auch die Bücher von Tanya Reinhart und Amira Hass. Auch diese beiden Bücher werden in dem Artikel von Michael Schneider erwähnt. Alle drei Bücher habe ich nicht gelesen. Alle drei Bücher stammen von israelischen Autoren. Ich bin sehr zuversichtlich, Ihnen ein gutes Angebot zu machen.

 
     
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