Johannes Scholler (17. September 2002)    
Europas eigener Weg  
     
 

Es ist Wahlkampf in Deutschland, Schlußspurt und die Frage, ob wieder einmal ein Präventivkrieg, diesmal gegen den Irak, erlaubt, geboten oder verwerflich ist, erhitzt zurecht viele Gemüter. Da sagt bei einer der vielen Fernsehdiskussionen ein Teilnehmer, nach Auftreten und Rede ein Mann von Bildung, "wir müssen mit Amerika gehen, denn ohne die Vereinigten Staaten sind wir verloren". Soweit ist es gekommen, daß unbekümmert so gedacht und unwidersprochen so geredet werden kann, obwohl jeder weiß oder doch wissen kann, daß maßgebenden Kreisen in den USA die Selbstkontrolle entglitten ist, daß ein Zustand eingerissen ist, der gerade anders beschrieben werden muß, nämlich: Wenn die Vereinigten Staaten so weiter machen, sind wir mit ihnen verloren.

Wie konnte es dahin kommen, war doch Nordamerika das Beste, was Europa hervorbrachte, war dieses Nordamerika, wie vor 200 Jahren geschrieben wurde, "eine neue Welt zum Asyl für die verfolgten Freunde der bürgerlichen und religiösen Freiheit aus allen Teilen Europas geworden". Jetzt soll für Viele in den USA die von hier ausgehende "neue Weltordnung" die "Achse des Bösen" zerbrechen, soll zuende gedacht "am amerikanischen Wesen die Welt genesen". Die Bewohner der USA sind ein christliches Volk, ein auf besondere Weise christliches Volk, das die Bibel hoch hält. Der Reisende wird kaum ein Hotel in den USA finden, wo auf dem Nachttisch nicht eine Bibel liegt. Kennt man denn die Gleichnisse der Evangelien nicht mehr, wo über viel Unkraut im Weizen Klage laut und der Wunsch geäußert wird, das Unkraut auszujäten? Wo gewarnt wird, das Gute würde mit ausgerissen werden, man solle auf die Zeit der Ernte warten. Maßt man sich wirklich an, zur " Ernte schreiten zu sollen", worauf sich das Geschrei von 'Neuer herbeizuführender Weltordnung schließen läßt? Es ist jetzt 170 Jahre her, da schrieb der die USA bereisende Franzose Alexies de Tocqueville die denkwürdigen Worte "Den Bewohnern der Vereinigten Staaten wird immer wieder und dauernd gesagt, sie seien das einzig religiöse, erleuchtete und freie Volk. Sie haben eine immens hohe Meinung von sich selbst und sind nicht weit davon entfernt zu glauben, daß sie eine Spezies außerhalb der menschlichen Rasse bilden". Alexies de Tocqueville sah die bedenkliche Sonderung als späte Folge des Unglücks der europäischen Glaubensspaltung; als Martin Luther an Rom nicht festhalten wollte und Calvin dann festzuhalten nicht mehr vermochte ... Calvins über den Ozean springende gefährliche Lehre vom "gottgesegneten Reichtum". Zur Zeit, als Alexies de Tocqueville das schrieb - es war um 1830 - mag das passen, wird ein heutiger liberaler, amerikanischer Geschäftsmann einwenden, "heute spiele Religion keine solche Rolle mehr". Er irrt, denn er sieht nicht, wie auch ihm der Dollar selbst zum Gott der Väter wurde, die nicht auf den Gedanken kamen, ihr Geld mit einem "In God we trust" zu zieren. Geld selbst wird zum Sakrament, die "moderne Religion des Geldes" stärkt den Geschäftsmann wie die gleich Schlafwandelnden ihm Folgenden, im Glauben an ihre Rolle in der Welt... eine Rolle die verheißt, was sich nur kaufen und herbei nötigen läßt ... auch das Öl unter den Füßen störrischer Muslime. So wird empfunden, so richten sich Blick und Wille auch ohne Worte, bis auf das Greenhorn Berlusconi, dem die Worte entschlüpften "das Christentum" - er meinte das ihm bekannte des Geldes - sei "fortschrittlicher als der Islam".

Kann Europa, das den Nordamerikanern viel verdankt, diesem Amerika heute folgen? Es kann es nicht! Im "Ego-trip", gestachelt von neuem Glauben "in Dollar we trust" wird unbekümmert von Not und Mühe der Inselvölker, die im Meer versinken, anderer deren Land verdorrt, deren Hütten der Sturm fortbläst ... die im japanischen Kyoto einander zu helfen gelobten ... verderbliches Klima angeheizt. US-Bürger gelten als zu hoch über anderen Völkern, als daß ein Weltgerichtshof von ihnen Rechenschaft verlangen könnte. Hier folgen heißt nicht nur sich unterwerfen, es bedeutet auch den Weg zur Katastrophe nehmen. ''Ich werde nicht den Fehler begehen, einen Gegner langdauernd zu reizen, ohne ihn entweder zu vernichten oder auszusöhnen" ist ein Wort Hitlers. Zuletzt beging Hitler diesen Fehler doch, England gegenüber. Seit einiger Zeit - nicht erst seit dem 11.9.01.- begehen die USA einen solchen Fehler gegenüber dem Weltislam. Nicht erst seit dem 11.9.01. wächst die Zahl der Muslime - besonders in der Jugend - die sich in ihrem Glauben vom Westen, angeführt vom "großen Satan USA", existentiell bedroht fühlen. Solche Bedrohungsängste mag man als überzogen sehen, sie existieren, wachsen im Sog vordringenden Dollars und wirken sich aus. Die nationalsozialistische Katastrophe kam aus Demütigung des revolutionären unbezwungenen Deutschlands durch die Entente in Versailles. Heute droht ein Super-Versailles, folgt Europa dem amerikanischen Abenteuer einer neuen "Weltordnung des Dollars" gegenüber der islamischen und dritten Welt.

Das Unglück der europäischen Glaubensspaltung, welche die düstere heutige Weltsituation mit bewirkte, nahm einen Ausgang von Martin Luthers Bereitschaft, seine persönliche Auffassung nicht nur über den Papst, sondern auch über ein Konzil zu stellen. Gewiss, auch ein Konzil kann irren, wie Luther dem Dr. Eck entgegenhielt, aber der Einzelne eben auch und eben eher, wird er nicht unter Gleichrangigen zuvor im Dialog gestellt. Ging es um existentielle Fragen, half damals ein Konzil, heute der Rat der Nationen. Sich einfach darüber hinwegsetzen, war einst Luthers Fehltritt, heute kann es der des Präsidenten sein. Was geschah zu Luthers Zeit? Eifrig stürzten sich Landesfürsten auf der geschwächten Kirche Güter ... das droht auch heute und schon stehen Kapitalfürsten in den Startlöchern den Raub zu teilen, wenn eine geschwächte UNO nicht mehr Schutz gewähren kann. Damals Land und Leute, heute Öl und Bodenschatz, eines so mies wie das andere!

Wie die UNO stärken? Appelle geistlicher Würdenträger, auch aus den Reihen des Islam, reichen nicht. Den Kirchen selbst steht schmerzliches Besinnen in ihr Haus. Paulus wie Mohammed schützten Reichtum, begnügten sich die "Herren" zu guten Werken und zu milden Gaben anzuhalten. Man hüte sich zu tadeln, was die Zeit erzwang, doch heute sind die Karten neu gemischt und das sollte nicht verschlafen werden. Paulus wie Mohammed, die Christentum wie Islam das Gepräge gaben, wurden in der entscheidenden Frage ihrem Vorgänger aus Nazareth eben nicht gerecht, von dem wir das Wort haben "eher gehe ein Kamel durch ein Nadelöhr" - ein enger Durchlass für Schafe - "als ein Reicher ins Himmelreich" und die Mahnung an den bildungshungrigen reichen Jüngling, daß sein Reichtum geistiges Wachstum erschwere.

Der Wind hat sich gedreht, Paulus wie Mohammeds große Zeit sind abgelaufen, nicht die des Boten aus Nazareth. Das steht Kirche, Synagoge und Moschee ins Haus, hier auch öffnet sich Europas eigener Weg. Nicht ein Weg in Armut ist es, doch eine Abkehr von der Droge Geld.

 
     
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