Reinhold Hafner, Bauernschule Hohenlohe, Weckelweiler, Kirchberg an der Jagst (gekürzt) / Juni 2004    
Der Gärtnerhof als Fundament einer nachindustriellen Agrar - Kultur - Gesellschaft  
     
 

Immer mehr Menschen wollen nicht mehr in den Ersatzwelten unserer Städte aus Asphalt, Beton, Plastik, Blech, Müll, Gift, Lärm und Gestank leben und arbeiten. Auch die allermeisten unserer zur Aufgabe ihrer Betriebe gezwungenen Bauern würden mit deren Bewirtschaftung lieber heute als erst morgen wiederbeginnen, falls sie Arbeitsbedingungen und Einkommensverhältnisse vorfänden, die denen der anderen Wirtschaftszweige entsprächen.

Aber warum können sie es nicht in einem Staatswesen mit demokratischer Grundordnung?

Auf diese Frage gibt es wohl nur eine einzige zutreffende Antwort: Weil sie glauben, was sie sich ständig selbst einreden, es nicht zu können. Doch brauchen sie sich in einer stillen Stunde nur einmal ganz klar vor Augen zu halten, daß

  • Demokratie weder Parteienherrschaft noch Konzernherrschaft heißt und ist, und auch nicht Pöbelherrschaft, sondern Volksherrschaft. Nicht Parteifunktionäre, Konzernherren oder die Marktschreier gesellschaftlicher Randgruppen sind Souverän und damit oberster Gesetzgeber unserer Demokratie, sondern einzig und allein ihre politisch mündigen, d.h. Zur Mitwirkung bei der Förderung des Gemeinwohles fähigen und gewillten Bürgerinnen und Bürger,
  • ihnen dieses erste und vornehmste Grundrecht jeder wirklichen Demokratie ja auch in Artikel 20 Absatz 2 unseres Grundgesetzes für jeden vernünftigen Menschen völlig unmißverständlich zuerkannt wird, indem es bestimmt:
    "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt.",
  • Wahlen allein jedoch, wie sich immer deutlicher zeigt, sind kein taugliches Instrument zur Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk, da sie dem Wähler laut Bundeswahlgesetz lediglich die Möglichkeit bieten, alle vier Jahre eine gewisse Auswahl zu treffen.
  • Wahlen deshalb unbedingt und unverzüglich auch auf Bundesebene durch Abstimmungen ergänzt werden müssen, um dem Volk mit den letzteren tatsächlich, und nicht nur scheinbar, die Möglichkeit zu geben, im Rahmen der Volksgesetzgebung, durch Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid, Einfluß zu nehmen auf die politischen Entscheidungsprozesse,
  • es zur Ausübung des Abstimmungsrechtes eines Bundesabstimmungsgesetzes bedarf,
  • dieses aber unserem Volke seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bis zum heutigen Tage völlig rechtswidrig verweigert wird,
  • jedoch vom Volke in seiner Eigenschaft als einziger rechtmäßiger Souverän und damit auch als oberster Gesetzgeber zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes veranlaßt werden kann und jetzt auch unbedingt muß,

    - ist es doch letztlich nur unser Bundestag mit seiner Parteiengesetzgebung, die das Entstehen der bereits unser aller Überleben infrage stellenden ökologischen und zunehmend auch gesell schaftlichen Probleme erst ermöglichte,

    - die allermeisten von ihnen jedoch mit Sicherheit nicht entstanden wären, wenn schon von Anfang an der Sachverstand und auch gesunde Menschenverstand der Millionen sich in den verschiedenen Organisationen, Institutionen und Initiativen unserer Ökologiebewe gung,

    Bürgerrechtsbewegung und nicht zu letzt auch Friedensbewegung selbstlos um die Förderung des Gemeinwohles bemühenden Bürgerinnen und Bürger hätten in die Gesetze unseres Staates mit einfließen können, und sich dann gleichsam wie Sonnenstrahlen im Brennpunkt einer Sammellinse mit allen Gleichgesinnten in einer Gesamtalternativbewegung zu vereinigen und damit zu einer gewaltigen demokratischen Kraft zu werden, um es ganz gewiß zu können.

Aus der Geschichte der Gärtnerhofbewegung

Deren Ursprung ist wohl bei der klassischen deutschen Jugendbewegung zu suchen, die zu Beginn unseres Jahrhunderts geradezu ungestüm nach "Aufbruch aus der Öde der Städte zur Geistigkeit des Gartens" drängte. Es waren zu jener Zeit besonders Max Karl Schwarz, der mit seinem Gärtnerhofkonzept den Städter zum Gartenbürger machen wollte, und Leberecht Migge, der durch seinen Plan, um die Stadt Kiel einen aus Selbstversorgergärten bestehenden Grüngürtel zu legen, bekannt wurde.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als unsere Industrie weitgehend zerstört war und überall Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Mangel an so ziemlich allem, vielfach sogar Hunger und Elend herrschten, griff Heinrich Jeben die Idee auf. Er machte sie zur Grundlage seines Kleinsthofplanes, der die Schaffung von Tausenden von aus Einein-halb-Hektar-Kleinsthöfen bestehenden Nebenerwerbssiedlungen vorsah, die Millionen Menschen wieder eine sichere Lebensgrundlage bieten sollten.

Nach der Währungsreform und mit Beginn des sog. Wirtschaftswunders geriet die Gärtnerhofidee dann aber sehr rasch wieder in Vergessenheit. Doch dank der Weitsicht Wolfgang von Hallers nicht völlig. Für ihn galt es diese Idee solange zu bewahren, bis auf die "fetten Jahre" früher oder später mit Sicherheit wieder "magere" folgen würden. Mit seiner Gärtnerhofbroschüre und später auch der Errichtung eines Mustergärtnerhofes, von dem u.a. auch der Impuls zur Gründung einer Gärtnerhofstiftung ausging, gelang ihm dies auch weitgehend.

Einen bedeutenden Beitrag zur Ausgestaltung der Gärtnerhofidee leistete auch Oswald Hitschfeld dadurch, daß er in seiner Broschüre "Die Schaffung landwirtschaftlich- gärtnerischer Nebenerwerbsstellen" einen sicherlich gangbaren Weg aus der durch die rasant fortschreitende Rationalisierung in allen Wirtschaftszweigen bedingte, ebenfalls in immer bedenklicherem Ausmaße ansteigenden Arbeitslosigkeit aufzeigte.

Ein weiterer wesentlicher Vertreter der Gärtnerhofidee ist Helmut Huesgens Er betreibt einen Gärtnerhof in Stadtnähe erfolgreich. In seinem vor kurzem erschienenen kleinen Buch Leben in einer nachindustriellen Gesellschaft - aber wie? stellt er sein Biohaus mit Biogarten als Beispiel für eine multifunktionale Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftseinheit vor. Die Einheiten eignen sich vorzüglich für den Aufbau von Ökodörfern und bietet selbst in der Stadt Möglichkeiten für ein naturgerechtes Leben.

Und die Bauernschule Hohenlohe bemüht sich darum, mit ihrem Konzept eines vielfältig vernetzten Systems einer nachindustriellen Agrar-Kultur-Gesellschaft die Gärtnerhofidee in einen umfassenden gesellschaftlichen Rahmen zu stellen. Auch will sie selbst einen Muster-Gärtnerhof anlegen, falls ihr dessen Aufbaufinanzierung gelingen sollte.

Wesen und Aufgaben des Gärtnerhofes

Gärtnerhöfe sind den Lebensbedürfnissen des Menschen wie der Natur gleichermaßen gerecht werdende Arbeits-, Heim- und Bildungsstätten mit vielfältig gärtnerisch wie landwirtschaftlich nach ökologischen Grundsätzen betriebenen Kleinsthöfen als Grundlage. Gleichsam wie der Kern einer Zelle befnden sich bei ihnen Wohn- und Wirtschaftsgebäude inmitten ihrer sog. Intensivzone mit Gewächshaus und anderen Einrichtungen für die Pflanzenanzucht, Frühbeeten und Beeten für Hochleistungs-Mischkulturen. Diese Zone wird umschlossen von der Großanbauzone für Freilandgemüse, Hackfrüchte und andere, sich für den feldmäßigen Anbau eignenden Kulturen. Sie ist meistens eingesäumt von Beeren- und Spindelobstreihen. Die restlichen Nutzflächen sind die Extensivzone. Sie wird je nach den verschiedenen Produktionsschwerpunkten der einzelnen Höfe als Ackerland, Wiese, Weide, Baumschule, Gehege, Kompostieranlage und auf andere Weise genutzt.
Als die wichtigsten Aufgaben des Gärtnerhofes wären zu nennen:

 

1. die Versorgung der Bevölkerung mit Agrarprodukten zu für jedermann erschwinglichen Preisen,

2. Landschaftspflege,

3. Aufforstung,

4. Kompostwirtschaft,

5. Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in Handwerk und Hauswerk,

6. rein praxisbezogene Forschung in allen Bereichen des ökologischen Land- und Gartenbaus,

7. Entwicklung angepaßter Technik für diese und auch andere Bereiche,

8. Pflege volkstümlicher Kunst verschiedenster Art

9. und eigenständige politische Regionalentwicklung.

Solche Aufgaben lassen den Gärtnerhof zu einem Ort der Übung und Reifung werden, der Einübung behutsamen erhaltenden und fördernden Umgangs mit der Natur und Reifung besonders auch zu politischer Mündigkeit, ist doch die Politik in unserer wahrhaft apokalyptischen Zeit zu etwas viel zu Wichtigem geworden, als daß man sie noch länger unseren Politikern überlassen kann.

Bedeutung des Gärtnerhofes

Man täusche sich nicht: Seit Urzeiten bis weit ins vorige Jahrhundert hinein war der Mensch fest eingebunden in das Ordnungsgefüge der Natur. Zuerst war der Mensch Sammler und Jäger, und später Ackerbauer und Hirte. Er wurde davon in einer Weise geprägt, die es ihm niemals erlaubt, in der heutigen industriellen Ersatzwelt auf die Dauer zu leben.

Der Gärtnerhof erscheint dafür als ein geeignetes Werkzeug, denn im Verlauf der Bewältigung seiner oben aufgeführten Aufgaben läßt sich ein Fundament für eine nachindustrielle, dem Menschen und der Natur gleicherweise gerecht werdende Agrar-Kultur-Gesellschaft legen, auf dem dann ihre drei tragenden Säulen,

  • eine, von den Zwängen zu ständigem krebsartigen Wachstum freien, umweltfreundlichen, res sourcenschonenden, mit mittlerer (angepasster) Technik gut ausgestatteten Kreislaufwirtschaft,
  • eine, die unmittelbare Beteiligung der Bevölkerung an den für sie lebenswichtigen politischen Entscheidungsprozessen (Direkte Demokratie) durch Volksgesetzgebung mittels Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid
  • und eine, von staatlichen wie wirtschaftlichen Zwängen freie, sich selbst verwaltenden Einrichtungen der Wissenschaft, Kunst, Religion und des Erziehungswesens

sicher zu ruhen vermögen. Darin ist seine eigentliche Bedeutung zu erblicken.

Verwirklichung der Gärtnerhofidee

Mit der Anerkennung des ökologischen Landbaus durch die Öffentlichkeit und dessen Einbeziehung in die staatliche Förderung ist ein bedeutender Schritt auf dem Wege zu einer neuen, menschen- und naturgerechten Gesellschaft bereits getan, der entscheidende, die Einführung der Volksgesetzgebung durch Verabschiedung eines Bundesabstimmungsgesetzes jedoch noch nicht. Wenn dieses zweifellos größte Hindernis für die Entwicklung unseres Staatswesens zu einer wirklichen Bürgerdemokratie beseitigt sein wird, ist dann der Weg frei für die Verwirklichung der Gärtnerhofidee.

Selbstverständlich wird dazu eine umfassende Bodenreform erforderlich sein. Doch wird diese mittels dreistufiger Volksgesetzgebung, die so ablaufen kann, daß

  • auf der ersten Stufe, um nur eine Zahl zu nennen, 100.000 stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer Volksinitiative dem Bundestag einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung, die ihnen für das Gemeinwohl wesentlich erscheint, vorlegen,
  • auf der zweiten Stufe, sollte das Parlament diesen ablehnen, von der Initiative versucht wird in der Öffentlichkeit z.B. eine Million Zustimmungserklärungen für den Vorschlag zu sammeln, um damit die Berechtigung zur Einleitung eines Volksbegehrens zu erwerben,
  • das schließlich nach frühestens einem halben Jahr gründlicher Diskussion in der Öffentlichkeit auf der dritten Stufe zur Volksabstimmung führt, wobei Gesetz wird, was die Mehrheit der an der Abstimmung beteiligten Bürgerinnen und Bürger beschließt, sicherlich durchgeführt werden können.

Aller Voraussicht nach lassen sich nur noch auf diese Weise das Bauernsterben und auch die anderen gesellschaftlichen Krebsübel unserer Zeit erfolgreich bekämpfen.

Bei der Verwirklichung der Gärtnerhofidee geht es im wesentlich darum, im Laufe der kommenden Jahrzehnte Deutschland mit einem dichtmaschigen Netz von Gärtnerhöfen zu überziehen und die Städte mit Grüngürteln aus ihnen zu umgeben. Nur so könnte der Zerstörung unseres Naturhaushaltes durch unsere heutige Wachstumswirtschaft, welches alles , was existiert, zur Ware macht, verhindert werden.

 
     
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