Dieter Kersten - Juni 2005    
Weltmacht China? Der Versuch einer unvollständigen Analyse  
     
 

Wenn ich mich nicht sehr irre, dann habe ich meinen letzten Beitrag über China im September 1998 geschrieben. Es ging damals um die Überschwemmungs-katastrophe in Kreis und Stadt Wuhan und dem Dongtin-See. Es waren, so schrieb ich damals die größten Überschwemmungen in der Geschichte Chinas. Ich schilderte dann anhand eines Berichtes die 600 Jahre dauernde permanente Unfähigkeit der Führungspersonen in China mit dem besonderen Höhepunkt Mao Tse Tung, seiner Clique und seiner Nachfolger, die zu einer menschlichen, ökologischen, ökonomischen Katastrophe und möglicherweise politischen Krise führen wird, die dann von der Solidargemeinschaft Erde bewältigt werden muß.

Zugegeben, ein hartes Urteil, welches die Chinesen in ihrem Stolz auf ihre alte Kultur aber auch treffen soll. Es gibt keine auserwählten Völker!

China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde. Die Volksrepublik China (ohne Hongkong und Macau) ist 9571 Tausend (neunmillionenfünfhundert-einundsiebzigtausend) km2 groß und hat 1 262 280 000 (einemilliardezweihunder-tzweiundsechzigmillionenundzweihundertachtzigtausend) Einwohner, d.h. durchschnittlich auf 1 km2 wohnen 132 Menschen.

Ökologische, wirtschaftliche und politische Krisen können große Auswirkungen auf alle anderen Staaten dieser Erde haben. Viele spektakuläre Ereignisse in Asien, wie z.B. das Erdbeben vor Sumatra und die sich anschließende Riesenwelle (Tsunami) sind angesichts der Probleme, vor denen die Volksrepublik China (und wir alle) stehen, "Peanuts". Ein deutscher Bundeskanzler, der in China nur Industriegüter verkaufen will, muß in seiner Politik gegenüber China scheitern. Er muß in erster Linie Kenntnisse und Verständnisse über China haben, wobei ich einige Themen sicher anders sehe, als die politische Klasse Chinas.

Der koloniale Druck auf die Volksrepublik China, insbesondere die Gier der kapitalistischen Weltkonzerne, gestützt von der Militärmacht USA, auf die Rohstoffe Chinas und auf den "Markt China", hält an. Deshalb ist es verständlich, daß die Volksrepublik China keine "vermeintliche" Provinz gehen lassen kann, so wie Hongkong, Taiwan, Tibet oder Macau. Ein schlechtes Beispiel würde Schule machen, sind doch in das historische Gedächtnis der chinesischen Politiker die Militärmachthaber der chinesischen Provinzen des 19. und 20. Jahrhunderts tief eingegraben. Diese Militärmachthaber, Tschiang Kaitscheck war ursprünglich einer von ihnen wie auch Mao Tse Tung selber (bzw. sein Marschall Chu Teh), haben zwar nie nach außen das "Chinesische Reich" in Frage gestellt, sie haben sich aber dem Zentrum nicht mehr untergeordnet und es dadurch handlungsunfähig gemacht. Die chinesische Regierung in Beijing (Peking) wird auch den von der EU und von den USA geförderten Zerfall von Jugoslawien sehr genau analysiert haben. Auch hierbei ging und geht es um Rohstoffe und um strategische Positionen in möglichen neuen Kriegen.

"Teile und herrsche" ist nicht nur eine britische Politmaxime der vergangenen Jahrhunderte; dieses Handwerkszeug wird von allen chauvinistischen Staaten benutzt, auch heute noch. Chinas Geschichte ist ebenfalls eine Geschichte von Eroberungen. Der Kauf von Politikern und Militärs war (und ist?) auch in China ein Mittel für Aufstände, Teilungen und Verrat. Auch die USA werden nichts unversucht lassen, in China Unruhen zu erzeugen, wenn es ihnen bei der Erreichung ihrer politischen Ziele notwendig erscheint.

Um diese Gefahr der neuen Kriege geht es in und um China. Das Land wird zur Zeit von US-Militärbasen nahezu eingeschlossen. Wo es keine Militärbasen gibt, da treiben US-Militärberater ihr Unwesen. Da sich die Regierung der Volksrepublik China den Gesetzen des Kapitalismus (Globalisierung) gebeugt hat, z.B. in dem sie der WTO (Welthandelsorganisation) beigetreten ist, hat sie sich vorerst jeder Chance einer Weiterentwicklung des chinesisch - kommunistischen Ideenansatzes beraubt.
China rüstet. Die Hilflosigkeit der chinesischen Führung, aber auch die weltweiten schlechten Gewohnheiten, die China durch die ideenlose kapitalistische Politik der Industriestaaten vorgelebt werden, führen nicht nur zu einem sinnlosen Rohstoffverbrauch, sondern sie binden die gesellschaftspolitischen Kräfte im Negativen.

Ich vermisse, und hier gleichen sich Deutschland und China sehr, neue wirtschaftliche und demokratische (gesellschaftspolitische) Ideen. China beeindruckt die Welt zur Zeit mit seiner boomenden Wirtschaft. "Dieses Wunder ist bald zu Ende", sagt Pan Yue, Vizeminister der staatlichen Umweltbehörde Chinas. Die Rohstoffe werden immer knapper und die Umwelt könne der zunehmenden Industrialisierung nicht länger standhalten. Ich behaupte zusätzlich, daß die Gefahr eines großen Krieges um die Herrschaft in China und um deren Rohstoffe in dem Maß abnehmen würde, wie es gelänge eine Gesellschaftsordnung zu finden, die den Massen mehr Gerechtigkeit bietet und eine sozialistisch-faschistische Bürokratie in eine demokratische Bürokratie verwandelt. Während in fast allen Küstenprovinzen kapitalistische Produktion und Handel blühen, hungern die Bauern in der Mitte Chinas und im Norden. Es hat schon Hungerrevolten gegeben. China hat sich durch seinen Eintritt in die WTO verpflichtet, z.B. billigen Gen-Soja und andere Nahrungs- und Futtermittel in den USA zu kaufen. Abgesehen davon, daß Chinas Bauern ein Ernte-Verteilungsproblem haben, stoßen sie überall auf billige, industriell verarbeitete landwirtschaftliche Güter aus den "westlichen" Industriestaaten. Genau wie uns wird den Chinesen von den Politikern und den Wirtschaftsbossen erzählt, daß Wohlstand und Wachstum zwei Seiten einer Medaille sind, und daß Wirtschaft und Wachstum nur durch internationale Arbeitsteilung möglich ist. Den Chinesen und uns wird außerdem noch erzählt, daß der Preis für eine blühende Industrie und die Ausfuhr ihrer Güter die Aufgabe der eigenen Landwirtschaft ist. Es ist klar, daß sich damit die Deutschen, die Europäer und die Chinesen in die Abhängigkeit der Kapitalmonopolisten begeben.

Wo ist die Frau oder der Mann, die/der sich wie einst Mao Tse Tung, an die Spitze der revoltierenden Bauern stellt und die dekadente kommunistische Regierung in Beijing vom Drachenthron stürzt?


Ich möchte die Chinesen einladen, die Ideen eines Silvio Gesell, eines Rudolf Steiner und eines Artur Mahraun kennenzulernen, damit wir aus diesem Fundus heraus eine Ordnung bauen können, die keinem von keinem abhängig macht. Ich bin davon überzeugt, daß es in China ähnliche gesellschaftspolitische Ideen gibt. Die Angst der politischen Klassen, die Kontrolle über das "dumme" Volk zu verlieren und ihr Bündnis mit den Medien verhindert eine umfangreiche Diskussion und damit eine Qualifikation der neuen Ideen.

Noch gibt es "westliche" und asiatische (japanische) Goldgräberstimmung in China. Nicht nur der Bundeskanzler Schröder als Repräsentant der deutschen politischen Klasse, sondern auch so mancher einfache Bürger bekommt große runde Augen, wenn von China die Rede ist. Das ähnelt sehr der "japanischen Euphorie" des 20. Jahrhunderts. Was wurde uns nicht alles erzählt über das "japanische Wunder"? Das "japanische Wunder" ist inzwischen vielen zum Albtraum geworden. Es wird nicht lange dauern, und die "Luftblase China" wird platzen.

Sie wird deshalb platzen, weil die Prinzipien von Wachstum und Gewinnmaximierung die soziale Frage nicht beantwortet: wie ernähren wir Milliarden von Menschen, ohne ihnen die Selbstbestimmung (die Würde) zu nehmen, bzw. sie ihnen überhaupt erst zu geben.

Die Luftblase China wird mit großem Getöse platzen, weil die offizielle chinesische Politik dem Frieden, dem Streben nach Frieden, kein besonderen Augenmerk schenkt. Natürlich ist das europäische EU-Waffenembargo eine Diskriminierung Chinas, aber Waffen töten Menschen und das zu vermitteln, gerade weil die USA China umzingeln, das wäre die Aufgabe Deutschlands und Europas.

Deutschland wird dabei sein, wenn die zu einem wirtschlaftichen Zusammenbruch in der Volksrepublik kommt. Jüngst meldete Volkswagen hohe Verluste in China. Andere werden folgen.

Den deutschen Wirtschaftsfunktionären, den deutschen Parteien und auf jeden Fall auch Bundeskanzler Schröder muß in Erinnerung gerufen werden, daß in der Volksrepublik China die herrschende Partei immer noch die Kommunistische Partei ist. Wer sich über Münteferings Parolen aufregt und am anderen Tag mit chinesisch-kommunistischen Funktionären verhandelt, sollte, bevor er eine wegwerfende Handbewegung macht, sich psychiatrisch untersuchen lassen.

Das Bild in der Abendschau des RBB vom 23. April über das Treffen des chinesischen Staats- und Parteichefs mit dem japanischen Ministerpräsidenten spricht Bände: Der japanische Ministerpräsident drückt mit zwei Händen eine Hand seines chinesischen Partners. Der chinesische Staats- und Parteichef verhält sich abweisend. Er folgt dem doppelten Händedruck nicht. Weiß er, was er tut?

Die Zeiten sind vorbei, in denen sich China als das Reich der Mitte bezeichnen konnte. Reich der Mitte war keinesfalls eine Bezeichnung aus Bescheidenheit, sondern es drückte im Gegenteil die Arroganz aus, die zeitweise von dem Riesenreich ausging. Der Kaiser machte keine Staatsbesuche; er ließ die fremden Fürsten kommen, die nach seinem Verständnis alle den Kotau vor ihm machen mußten. Mao Tse Tung war nur einmal im Ausland, nämlich im Dezember 1949 in Moskau.

Im japanisch-chinesischen Konflikt spielen beide Seiten mit gezinkten Karten. Vielleicht ist es auch abgesprochen. Der japanische Ministerpräsident Junichiro Moizumi spielt sehr gerne die nationalistische Karte und wenn er dabei ertappt wird, dann wird er zwar nicht rot im Gesicht, sondern er tut so, als hätte er gar nichts mit dem japanischen Nationalismus zu tun. Japan hat im 2. Weltkrieg und auch schon davor Greueltaten in großen Ausmaßen in China und anderen besetzten Staaten begangen. Das ist international bekannt, und damit auch dem chinesischen Staats- und Parteichef Hu Jintao. Die Demonstrationen auf dem chinesischen Festland gegen die japanischen Geschichts-Schulbücher sind mit Sicherheit inszeniert. Es geht den Chinesen um drei ganz andere Dinge, und zwar in dieser Reihenfolge: Sie wollen verhindern, daß die Japaner mögliche Ölquellen in einem strittigen Seegebiet zwischen dem chinesischen Festland und den japanischen Inseln erschließen, daß sie ihre besonderen Beziehungen mit Taiwan ausbauen und daß sie ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat werden.

Aber - das chinesische Volk lernt demonstrieren, und diese Erfahrungen, hochverehrter Herr Hu Jintao, wird es eines Tages gegen Sie einsetzen.

Natürlich, und vielleicht ist das das Wichtigste, geht es auch um eine Positionierung in politischen Auseinandersetzungen, die in einem Krieg zwischen den USA und China enden können. Das ist genau der Ansatzpunkt für eine weitsichtige ausgleichende Politik, die die Bundesrepublik Deutschland kreieren könnte, wenn sie sich auf dem Rücken des Stieres neben der Göttin Europa und mit Geld- und Demokratiereformen so unabhängig erweisen würde, daß deutsche politisch-geistige Leistungen wieder gefragt werden.

 
     
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