Dieter Kersten - Mai 2007

   
 

Die Raketen und Rußland

 
     
 

(D.K.) Im vorigen Editorial (März/April 2007) hatte ich mich ausführlich mit Putins Rede in München befaßt. Ich hatte die Rede sogar abgedruckt, weil ich die veröffentlichte politische Reaktion in Deutschland auf diese Rede als nicht korrekt empfand. Inzwischen hat Putin in seiner „Rede zur Lage der Nation“ am 26. April 2007 in Moskau die Vorwürfe „an den Westen“ erneuert und einen noch schärferen Sturm der Empörung ausgelöst.

Egal, welche Gesellschaftsordnung in der Russischen Föderation vorherrschend ist, Rußland hat ein Recht darauf, seine territoriale Integrität, auch seine Lufthoheit, zu verteidigen. Solange es - leider - (Angriffs-)Waffen gibt, heißt Frieden Balance zwischen den  Staaten (Mächten). Der geplante Raketenschild der US-Amerikaner (nicht der NATO!) ist von seiner Konzeption her sowohl eine Angriffs- wie Verteidigungswaffe. Er wird allein schon deshalb zur Angriffswaffe, weil er das Territorium Rußlands ungefragt nutzt. Es scheint so, daß die Russische Regierung besonders die Ausspähung durch ein neues Radarsystem fürchtet. Bedrohung und Ausspähung erfolgen ergänzend zu  dem ohnehin vorhandenen Weltraum-Satelliten-Spionage-System.

Ich akzeptiere den Satz des SPD-Vorsitzenden Beck vom 28. April d.J.: „Neue Raketen bringen keine neue Sicherheit.“ Ich fürchte jedoch, daß es keinen deutschen Politiker von Rang gibt, der nicht vor us-amerikanischen Ansprüchen in die Knie geht.

Es ist ein alter Traum angloamerikanischer Kapitalkräfte, sich der russischen (eurasischen) Rohstoffe zu bemächtigen. Das ist im vorigen Jahrhundert mit zwei von diesen Kapitalkräften inszenierten grausamen Kriegen und mit dem ebenfalls grausamen Hitler- und Sowjetsystem mißlungen. Nun startet ein dritter Versuch.

Ich denke, es ist kein Fehler, die angloamerikanischen Kapitalkräfte stellvertretend für alle kriegstreibenden Kapitalzusammenschlüsse zu nennen.

Jetzt findet der 3. Versuch statt, die Rohstoffe Rußlands unter Kapitalkontrolle zu bekommen. Dieser 3. Versuch kann genau so blutig enden, wie die bisherigen.

Die  Kapitalkräfte haben  viel „investiert“. Sie haben freilich deshalb nicht gedarbt, sondern sie haben das „Investitionskapital“ aus der Arbeitsleistung der Völker „herausgepreßt“.

Das „westliche“ Geschrei, welches eine mögliche Kündigung des KSE-Abrüstungsvertrages durch Rußland betrifft, ist dumm und unehrlich zugleich. In den Verhandlungen über die Auflösung der UdSSR, des Warschauer Paktes, des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), um den Deutschen Einigungsvertrag, den Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland und den KSE-Abrüstungsvertrag wurde der damaligen russischen Regierung versichert, daß sie die NATO und die EU nicht bis an die russischen Grenzen ausdehnen würden. Es gab eine „allgemeine Sicherheitsgarantie“ für Rußland. Heute will „im Westen“ keiner mehr davon hören und wissen. Im Gegenteil: die westlichen Vertragsbrecher (einschließlich der deutschen Bundesregierung) versuchen, den Spieß umzudrehen und die russische Truppenpräsenz in einigen Nachfolgestaaten der UdSSR dazu zu benutzen, Rußlands Politik als unglaubwürdig darzustellen.

Es gibt fast keine westliche „Stiftung“ von Rang und Namen, die nicht in Moskau und/oder in St. Petersburg eine Vertretung hat. Es fließen sehr viele „politische“ Gelder nach Rußland. Jelzin, der so übermäßig als Demokrat gelobt wurde und der in der westlichen Öffentlichkeit nur deshalb durchfiel, weil er Alkoholiker war, hatte Rußland dem Kapitalismus überantwortet. Die Oligarchen, die russischen Milliardäre, waren und sind nichts anderes, als die Platzhalter des westlichen Kapitals. Putin hat das weitgehend rückgängig gemacht. Übriggeblieben ist die ständige Belehrung Putins aus dem „Westen“, was „Demokratie“ ist.  Putin, von Ex-Bundeskanzler Schröder als „lupenreiner Demokrat“ denunziert, kann aber nur, mit Recht, feststellen, daß keiner der „westlichen“ Demokratien eine politische Ordnung hat, die dieser Bezeichnung auch nur im geringsten verdient.

Die russische Oppostion auf den Straßen scheint durch den „Westen“ finanziert zu werden. Es fällt auf,  daß die Demonstrationen des Schachgenies Garri Kasparow in Moskau und St. Petersburg, die Umsturzpläne des ehemaligen Oligarchen und Kreml-Kritiker Beresowski, Flüchtling in London, und die Demonstrationen in Estland  zeitlich fast zusammenfallen.

 
     
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