Juli / August 2011

   
 

Analyse: Wer bewaffnete Gaddafi?

 
     
 

Mittwoch, 23. Februar 2011, 17:58 Uhr, aus dem Internet

Brüssel (dpa) - Europa steht vor einem schwer vermittelbaren Widerspruch.

Während die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi auffordert, sein Volk nicht zu unterdrücken, enthüllt ein offizieller Bericht, daß der exzentrische libysche Führer die Demokratiebewegung in seinem Land womöglich mit Bomben aus europäischer Produktion bekämpft.

Am Mittwoch stoppte die EU den Waffenexport - nachdem alleine 2009 Exportlizenzen für rund 344 Millionen Euro erteilt worden waren. Eine eher bescheidene Summe im Vergleich zu den im Vorjahr vereinbarten Waffenlieferungen Moskaus an Gaddafi im Wert von 1,5 Milliarden Euro.

«Belgische Waffen, um die libysche Bevölkerung zu unterdrücken», hatte zuvor die belgische Zeitung «Le Soir» getitelt. Das Blatt bezog sich auf militärische Quellen, nach denen die Firma FN Herstal Gaddafi im Juli 2008 eine bedeutende Waffenladung verkauft habe. Dazu zählten unter anderem 400 Sturmgewehre F2000, 367 Maschinenpistolen P90, mehr als 22 000 Mörsergranaten und mehr als eine Million Gewehrkugeln für das 32. Bataillon des libyschen Heeres. Die Lieferung hatte einen Wert von insgesamt 5,3 Millionen Euro.

Doch das ist nur ein klitzekleiner Teil der Waffen «Made in Europe», die in den vergangenen Jahren nach Tripolis gelangt sind. Nach dem jüngsten, schon im Januar veröffentlichten Jahresbericht sind Italien und Malta die größten europäischen Waffenlieferanten an Libyen, gefolgt von Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Insgesamt erteilten demnach die 27 EU-Mitglieder Lizenzen für Waffenexporte in Höhe von knapp 344 Millionen Euro - an ein Land, das von einigen Mitgliedern wie Italien als «Freund» betrachtet wurde, das aber nicht einmal die einfachste Prüfung auf demokratische Standards bestehen würde.

Die Europäische Nachbarschaftspolitik, die nach der Osterweiterung 2004 entwickelt wurde, enthält eine spezielle Klausel. Darin hat sich die EU verpflichtet, die Zusammenarbeit mit ihren Partnern, viele von ihnen an der Südküste des Mittelmeeres, zu verstärken - auf der Basis «europäischer Werte» wie Demokratie und Respekt der Menschenrechte.

Allein Italien erteilte Exportlizenzen im Wert von 112 Millionen Euro, der allergrößte Teil davon für den Verkauf von Flugzeugen und Hubschraubern an Libyen. Überraschend ist, daß auf dem zweiten Platz der Liste die kleine Mittelmeerinsel Malta auftaucht. Sie vergab Lizenzen über 80 Millionen Euro, vor allem für kleinkalibrige Waffen wie Pistolen und automatische Handfeuerwaffen.

Deutschland steht auf Platz drei mit Lizenzen über 53 Millionen Euro, der größte Teil für elektronische Geräte, zum Beispiel um Mobiltelefonnetze, Internet und GPS lahmzulegen. Auf dem vierten Platz des «unbequemen Rankings» folgt Frankreich mit 30,5 Millionen Euro vor Großbritannien (25,5 Millionen) und Belgien (22 Millionen).

Die große Frage in Europa ist jetzt: Dienen diese Waffen dazu, die libysche Bevölkerung zu unterdrücken? Ruddy Demotte, Premierminister der belgischen Region Wallonie, wo die Firma FN Herstak ihren Sitz hat, verneint das. «Der Vertrag legt ausdrücklich fest, daß die (belgischen) Waffen für das 32. Bataillon der Elite-Kräfte des libyschen Heeres bestimmt sind, im Rahmen einer Mission zum Schutz der (libyschen) Konvois für humanitäre Hilfe mit Bestimmungsort Darfur ... Diese Waffen sind nicht dazu gedacht, in Libyen benutzt zu werden», sagte Demotte dem belgischen Radiosender RTBF.

Doch Benoit van der Meershen, Vorsitzender der Liga Für Menschenrechte Belgiens, zeigt sich davon nicht so überzeugt. «Die leichten Waffen töten jedes Jahr rund 500 000 Menschen in aller Welt, 90 Prozent davon sind Zivilisten. Libyen hatte keinerlei Notwendigkeit, Waffen von FN Herstal zu bekommen: Gaddafi brauchte sie nicht», sagte er der Zeitung «Le Soir».
 
     
  Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen Download  
     
  Alle Artikel liegen als PDF - Datei zum herunterladen vor. Um PDF - Dateien zu lesen, benötigen Sie den "Acrobat Reader". Falls das Programm nicht auf Ihrem PC installiert ist, können Sie es sich hier kostenfrei herunterladen. Hompage_Acrobat