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Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,
ein alter Leser der NEUEN POLITIK, Dr. Jobst von Wehren, schreibt mir
u.a.: Die Meinung des privaten Dieter K., Berlin, ist sehr wertvoll.
Man kann entweder nur pro oder contra sein!! So einfach, lieber Herr
von Wehren, sind das Leben und die Politik nicht. Unendlich viele Gespräche,
Abwägungen und Detailbetrachtungen sind nötig, um in wichtigen
Dingen zu Beurteilungen zu kommen. Der Brief enthält auch die Frage
Warum schreiben Sie nicht Ihre klare Meinung über den Euro ???
Habe ich, lieber Herr von Wehren: ich habe eine Volksabstimmung gefordert
und ich habe mich deutlich gegen den Euro ausgesprochen. Ich fürchte
jedoch, daß die Proteste zu spät kommen und daß diese Proteste zu
emotional sind. Das gleiche gilt für die Rechtschreibereform; jahrelang
sind der Euro und die Rechtschreibereform diskutiert worden, jahrelang
sind die Vorbereitungen für die Einführungen in aller Öffentlichkeit
erfolgt und - in dem Moment, wo es passiert, erhebt sich ein großes Geschrei.
Dr. Jobst von Wehren fragt mich auch Was schreibt und sagt D.K.,
Berlin, privat und persönlich über Herrn Schröder, Hannover?
Wie wird er in Berlin beurteilt? Ist Herr Schröder für Deutschland
der richtige Mann? Nichts, auch gar nichts halte ich von Herrn Schröder,
Hannover. Ich muß doch einen Menschen, der den Wählern erzählt,
daß er Verantwortung übernehmen will, danach beurteilen,
ob er Antwort darauf geben kann (wenigstens den Versuch einer Antwort),
wie die Gemeinschaft das Hauptproblem unserer Zeit, die Massenarbeitslosigkeit,
beheben kann. Statt dessen bearbeitet Herr Schröder ein Scheinthema,
die Verbrechensbekämpfung und die einseitig de.nierte Öffentliche
Sicherheit. Ich z.B. fühle mich durch den ständig zunehmenden
und rüder werdenden Autoverkehr weit mehr in meiner Sicherheit, Gesundheit
und Freiheit bedroht, als durch das, was landauf, landab als Kriminalität
bezeichnet wird. Herr Schröder ist doch, wie Herr Lafontaine, Herr
Kohl, Herr Gerhardt, Herr Gysi, Herr Fischer und Herr Waigel, ein Garant
für mehr Tote hier und mehr Ungerechtigkeit und für die Verhinderung
von Alternativen jedweder Art.
Es geht um Alternativen. Sehr erfreulich ist die Diskussion in der Partei
Bündnis 90/Die Grünen über Bundeswehr und NATO. Ich wiederhole hier meinen
Standpunkt: Abschaffung der Bundeswehr, Schaffung eines gut ausgerüsteten
technischen Hilfswerkes, welches international da tätig werden kann, wo
die Waffen schweigen, Austritt aus der NATO, und solange noch eine Abkehr
vom Euro möglich ist, die Umwandlung der EU in eine bürokratenlose Europäische
Freihandelszone. Militärfreiheit heißt natürlich: Verzicht auf jede Art
von Waffenproduktion einschließlich der Zulieferung; Militärfreiheit heißt
natürlich aktive Neutralität, d.h. Frieden schaffen ohne Waffen.
Auch aus diesem Grund freue ich mich sehr, daß der Friedens-Nobelpreis
der Internationale Kampagne gegen Landminen verliehen worden
ist. In einem Beitrag von Elisa Winkelmann in der Wochenzeitschrift FREITAG
vom 17. Oktober 1997 steht: Durchschnittlich alle 20 Minuten explodiert
irgendwo eine Landmine, meist in Gegenden, wo der Krieg vorbei ist oder
Waffenstillstand herrscht. Seit 1975 wurden mehr als eine Million Menschen
auf diese Weise getötet oder verstümmelt. Selbst der deutsche Außenminister
Kinkel erklärte, zuletzt von mir am 2.November 1997 im Rundfunk gehört,
seine Bereitschaft, weltweit für die Abschaffung der Landminen einzutreten.
Er behauptete, daß in Deutschland keine Landminen mehr gefertigt werden
und daß die Bundeswehr ihre Bestände vernichten werde.
Ich sage es klar und deutlich: ich bin dafür, daß in Deutschland geborene
Kinder von in Deutschland arbeitenden Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit
automatisch bekommen und daß sich diese Kinder mit 18 Jahren entscheiden
müssen, welche sie behalten wollen: die ihrer Eltern oder die deutsche
Staatsangehörigkeit. Wir sind es ganz schlicht und einfach den Kindern
schuldig, daß wir sie nicht ausgrenzen sondern integrieren sollten. Die
Deutschen zeugen zu wenig Kinder und sind, vielleicht sogar in ihrer Mehrheit,
kinderfeindlich.
In diesen Tagen beherrscht das irakische Thema die Medien. Abgesehen
davon, daß ich von Saddam Hussein nicht viel halte, fürchte ich,
daß die US-Amerikaner, denen ich zutiefst mißtraue, von irgend etwas anderem
ablenken wollen, was sich in dieser Region abspielen könnte. Es ist
ja einiges im Gange: die türkische Armee ist wieder in den Nordirak
eingedrungen und hat verkündet, dort bleiben zu wollen. Der Iran
ist den US-Amerikanern gegenüber nach wie vor unbotmäßig und
blockiert zudem mögliche Ölandelswege von Aserbaidschan und
anderswo. Die autokratischen Regime in den Vereinigten Arabischen Emiraten
und in Saudi-Arabien stehen innenpolitisch immer mehr auf tönernen
Füßen. Die Lage um Israel herum ist alles andere als erfreulich bzw.
friedenserhaltend. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Opposition
im Kongreß der Vereinigten Staaten hinter Herrn Clinton gestellt hat,
nur weil Herr Hussein etwas Theaterdonner inszeniert.
Während die UN-Inspektoren unter lautem Getöse den Irak verlassen, kehren
die EUBotschafter geschlossen, aber in zwei Schüben, in den Iran zurück.
Möglich, daß Beides nichts miteinander zu tun hat, gleichzeitig aber haben
die US-Amerikaner einen zweiten Flugzeugträger in den Persischen Golf
verlegt. Angesichts des feinnervigen Beziehungsgeflechtes im Nahen Osten
sind das bemerkenswerte Entwicklungen mit politischen Folgen, die ich
noch nicht abschätzen kann.
Den Text Frau Süssmuth und die AIDS -Mafia ist schon etwas älter,
und dennoch aktuell. Frau Süssmuth hat sich anläßlich einer Operngala
in Berlin zugunsten der AIDS - Opfer Ende Oktober 1997 wieder einmal sehr
weit aus dem Fenster gelehnt. Es kommt mir darauf an, wenigstens im kleinen
Maßstab eine Gegenöffentlichkeit herzustellen. Ich denke, daß ist angesichts
der veröffentlichten Einheitsmeinung sowieso eine der notwendigen Aufgaben
des Kommentar - und Informationsbriefes.
Da der Kommentar- und Informationsbrief neunmal im Jahr erscheint, ist
diese Doppelnummer die letzte Ausgabe in diesem Jahr. Ich danke Ihnen,
den Leserinnen und Lesern, für Ihre Treue und hoffe, daß ich einiges aus
dem Gewirr von Nachrichten durch die Informationen und die Kommentare
erhellt habe. Die Beiträge zur politischen Neuordnung kommen deshalb etwas
zu kurz, weil sie mehr Platz brauchen, als mir in den monatlichen Ausgaben
zur Verfügung steht. Deshalb bitte ich Sie, auf das Buchangebot acht zu
geben.
Ich wünsche Ihnen ein FROHES WEIHNACHTSFEST, ein glückliches und gesundes
Jahr 1998 und ich wünsche uns allen Frieden.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
abgeschlossen am 14. November 1997 |
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