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Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,
die Wochenzeitschrift FREITAG druckte am 12. Februar ein Interview aus
AUFBAU, der einzigsten deutschsprachigen Zeitschrift in den Vereinigten
Staaten nach, in dem sich Havard-Professor Alan Dershowitz über die Demontage
Bill Clintons äußerte. Die Dokumentation in FREITAG trägt die Überschrift
Sexual McCarthyism: es geht um Kenneth Starrs Rückgriff auf
die fünfziger Jahre. In diesem Interview erscheinen mir besonders
zwei Sätze interessant zu sein: Ich glaube, daß in den USA, im Nahen
Osten und in vielen anderen Teilen der Welt die Gefahr fundamentalistischer
religiöser Regimes droht. In Europa dagegen nicht - Europa ist der am
wenigsten religiöse Kontinent. Wenn religiöse Dogmen us-amerikanische
Außen- und Innenpolitik bestimmen, dann werden sie Kopisten in aller Welt
finden. Wir sollten uns vor Augen führen, welche katastrophalen Folgen
es haben muß, wenn z.B. Menschenrechtspolitik aus einem dogmatischen religiösen
Impuls heraus betrieben wird. Diese Menschenrechtspolitik ist dann nichts
anderes als ein Missionarismus, der die Völker ihrer Kulturen berauben
will. Fundamentalistischen religiösen Regimes fällt es leicht, ihre ökonomischen
Interessen hinter theologischen Floskeln zu verstecken. Vielleicht ist
das der Grund, weshalb sich die chinesische Regierung so bockbeinig in
Sachen Menschenrechte ˆ la Albright verhält. Wir sollten wachsam sein
und diese Variante von Politik im Auge behalten.
Inwieweit die Gouverneurin des US-Bundesstaats Arizona, Jane Hull, aus
einem dogmatischen religiösen Impuls handelt, wenn sie amtlich Menschen
töten läßt, weiß ich nicht. Es heißt, daß die Todesstrafe in Arizona sehr
populär ist. Irgendein Pfaffe muß doch dieser "christlichen"
Gesellschaft und dieser Gouverneurin mal sagen, daß ein Gebot Gottes lautet
: Du sollst nicht töten. Was für eine Arroganz, sich darüber hinweg zu
setzen!! Weder internationale Abkommen, noch Appelle der Deutschen Bundesregierung
und ein Beschluß des Internationalen Gerichtshofes finden irgendwelche
Beachtung. Welch eine Aufregung aber, wenn die Mehrheit der Deutschen
mit Recht Front gegen die Scientology Sekte macht. Das wird in Teilen
der us-amerikanischen …ffentlichkeit mit der Judenverfolgung des 3. Reiches
verglichen.
Die Verletzung von Völkerrecht, mit oder ohne einen fundamentalistischen
religiösen Impuls, ist auch Teil der us-amerikanischen Außenpolitik: die
Flugverbotszonen über dem Irak sind willkürlich, durch keinen irgendwie
gearteten internationalen Beschluß abdeckt. Die US-Regierung handelt nach
Gutsherrenart.
Religiöser Fundamentalismus, so wird gesagt, ist die Folge sozialer Probleme.
Mag sein, aber er ist auch Folge einer Abwesenheit von Bildung. Ebenfalls
in FREITAG, auch am 12. Februar, auf der Seite Kultur berichtet Dietmar
Hochmuth über eine deutsche Filmpräsentation in San Francisco und schreibt
u.a.: Wer sich über die mangelnde, ja eher rückläufige Verbreitung
deutscher Kultur in den USA immer wieder wundert, muß sich beim Abwinken
nicht einmal schwertun, wenn er außer acht läßt, auf welch kulturelles
Umfeld jeder Versuch des viel zitierten >> across the borders <<
(Anm.D.K.: "Grenzüberschreitungen") in einem Land fällt, wo
deutsche Literatur in der Schule einfach nicht vorkommt, nicht einmal
in der Highshool, nicht einmal Goethe. So hat der gutgemeinte alte Markenname
des deutschen Kulturinstituts hier für Nichtgermanisten von vornherein
einen bizarr selbstreferentiellen Klang, ja wirkt die Schreibweise >>
oe << sogar adaptiert - heißt er auf deutsch nicht doch >>
Göthe <<? Was der deutschen Kultur widerfährt, daß trifft auch
die anderen Kulturen dieser Erde. Während in Deutschland us-amerikanische
Ereignisse ihre …ffentlichkeit durch Presse, Rundfunk und Fernsehen finden,
behandeln uns die US-Amerikaner mit Nichtachtung.
Scheinbarer Themenwechsel? Wie sehr noch die Reste von deutscher Kultur
Bollwerk sein können, zeigen die fehlgeschlagenen Bemühungen eines Leo
Kirch, die Deutschen zu einem Abonnement - Fernsehen zu überreden. Das
führte in eine Abo-Pleite. Nun finden Beteiligungs - Gespräche mit den
Medienzaren Murdoch, Berlusconi und Al Waleed statt, die die Reste deutscher
Kultur zugunsten eines großen Geschäftes elemenieren wollen. Was auf uns
zukommt, das beschreibt Gert Hautsch in FREITAG vom 5. Februar unter der
Überschrift Die Ratten erobern das sinkende Schiff u.a. so: Medienpolitik
orientiert sich in Deutschland vorrangig an wirtschaftlichen Interessen
(Standort, Arbeitsplätze). Presse - und Informationsfreiheit werden für
das Feuilleton und Festschriften reserviert. Von Politikern (egal ob CDU/CSU/FDP
oder SPD/Grüne) darf man nicht erwarten, daß sie gegen die finsteren Pläne
Front machen. Und in den deutschen Medien wird der wahrscheinliche Einstieg
von Murdoch und Berlusconi bei Kirch mit einer Mischung aus Schadenfreude
und Mitleid begleitet. Unkommentiert bleibt das eigentliche Problem: die
verheerenden Folgen für die Medienkultur. - Murdoch, Berlusconi und Al
Waleed stehen für eine Medienpolitik, die ausschließlich an Macht und
Profit orientiert ist. Sie akzeptieren kein Hindernis - am wenigsten Belegschaften
und Gewerkschaften - und sind bereit, ihre Medien offen für politische
und persönliche Kampagnen einzuspannen. Letzteres gilt am stärksten für
Berlusconi, der seine Medienmacht mit rechtsradikalen politischen Zielen
verbindet. Gewiß besteht kein Anlaß, die deutschen Medienkonzerne in Schutz
zu nehmen. ...... Aber das, was Murdoch beim Londoner Druckerstreik 1986
an Brutalität gezeigt hat (er feuerte fast die gesamte Belegschaft und
stellte Hilfskräfte ein), wie er seine Zeitungen zu hemmungslosen Kampagnen
benutzt, oder auch Berlusconis Mißbrauch der Medien wären hierzulande
eine neu Dimension. Al Waleed ist übrigens ein saudi-arabischer Prinz,
was angesichts unserer islamischen Mitbürger besonders pikant ist.
Jeder Politikansatz reduziert sich auf Arbeitsplätze. Die Presse - und
Informationsfreiheit wird zugunsten von Arbeitsplätzen aufgegeben, die
Gesundheit zugunsten von Atomkraftwerken und Genmanipulation (auch: Biotechnologie),
der Friede zugunsten von Rüstungsproduktion. In KAMPAGNE AKTUELL, Nr.
3-4/98, November 1998 beschreibt Wolfgang Menzel die Situation folgendermaßen:
Heute beschäftigt die DASA weit über 10 000 - zum Teil hochqualifizierte
und gut bezahlte - Mitarbeiter, die ausschließlich in der Entwicklung
und Produktion der Waffen für künftige Kriege arbeiten. Kriege, die anderswo
als in Europa stattfinden werden. Und um die Absatz- und Exportchancen
ihrer Kriegswaffen zu verbessern, treibt die DASA die Gründung eines künftigen,
rein privatwirtschaftlichen Europäischen Luftfahrt - und Verteidigungskonzerns
EADC (European Aerospace and Defense Corporation) weiter voran. Sollten
diese ehrgeizigen Pläne für eine ausschließlich marktorientierte und keinerlei
direkter politischer Einflußnahme mehr unterworfenes europäisches Rüstungsmonopol
Wirklichkeit werden, dann drohen uns Kriege, die aus betriebswirtschaftlichen
Gründen geführt werden, um die Konkurrenzsituation und die Profite von
Daimler/Crysler und Konsorten zu verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
abgeschlossen 12. März 1999 |
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