Dieter Kersten - Juli / August 1999    
Editorial    
     
 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,

ich wäre glücklich, wenn ich mich nicht mehr so intensiv mit dem Kosovo - Krieg befassen müßte. aber er erscheint mir mehr und mehr als der etwas schmalbrüstige Vater einer zickigen Furie weiterer Kriege zu sein. Deshalb räume ich noch einmal diesem schrecklichen Ereignis sehr viel Platz ein.

Neben dem Bürgerkrieg in Nordirland sind die Kriege der letzten zehn Jahre auf dem Balkan die ersten europäischen Kriege nach dem 2. Weltkrieg. Der geschichtlich gebildete und politische Mensch wird diesen Balkankrieg sehr schnell in die Reihe der Vorbereitungen zu den beiden besonders blutigen Kriege dieses Jahrhunderts, Weltkriege genannt, stellen. Recht haben sie und er. Dieser neuerliche Krieg auf dem Balkan ist das Sprungbrett für weitere Kriege um Rohstoffe und die alleinige Macht der USA bzw. der Konzerne auf dieser Erde. Ob unter diesen Kriegen ein 3. Weltkrieg sein wird, ist fraglich. Die moderne Waffentechnik, die in Jugoslawien/Kosovo ausprobiert worden ist, eignet sich sehr für begrenzte Kriege - wenn wir in unserem Gehirn die Existenz der Atomwaffen weiter verdrängen.

Dem sehr drögen DEUTSCHEN ALLGEMEINEN SONNTAGSBLATT vom 28. Mai entnehme ich den Satz ... es gibt keinen militärischen Humanismus ...

Die Deutsche Regierung hat sich danach gedrängt, Besatzer im Kosovo zu sein. Schon im vergangenen Herbst wurde dafür fleißig militärisch geübt. Ein Rüstzeug bringen die deutschen Soldaten aber nicht mit: Kenntnisse über Land und Leute, über die Kultur und die Geschichte. Wenn die vorherige und die amtierende Deutsche Bundesregierung wirklich die Menschenrechte im Kosovo im Auge gehabt haben sollte, dann wäre Bildung statt Waffen besser gewesen. Nur so ist Menschenachtung möglich, die zu den Menschenrechten gehört.

In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 25. Juni schreibt Norbert Nappes-Niediek unter der Überschrift Artemijes Flucht vor drohender Lynchjustiz und unter der Unterüberschrift Kosovo - Das Versagen des deutschen KFOR - Kontingents in der Stadt Prizren u.a. folgendes: Wenn die orthodoxe Kirche in Belgrad sich nun endlich gegen das Milosevic - Regime wendet, ist es zuerst das Verdienst des kleinen Bischofs (Anmerk. D.K. Artemijes) von Prisren. Während die Staatsgewalt zu Hunderttausenden die Albaner vertrieb und sich viele Serben an der zurückgelassenen Habe ihrer Nachbarn bereicherten, nannte Artemije das schreckliche Geschehen in seiner Osterbotschaft als einziger beim Namen. Er wäre der Mann gewesen, der manches Vorurteil der Serben gegen die Deutschen hätte aufbrechen können. In den siebziger Jahren war der hochgebildete Theologe zwei Jahre lang zum Sprachstudium in Deutschland und bildete so auf serbisch-nationaler Seite eine der wenigen Brücken zum deutschen Kulturraum. Ausgerechnet Artemijes mußte nun vor der drohenden (Anmerk.D.K. von den deutschen Soldaten geduldeten) Lynchjustiz aus seinem Bistum fliehen - ein Ereignis, wie wenn der Kardinal von Galen nach der Befreiung 1945 unter britischer Besatzungsmacht aus Münster hätte ausziehen müssen.

Ich bin sicher, daß weder Offiziere noch Mannschaften des deutschen Kontingents eine blasse Ahnung von diesem Bischof in Priszren hatten, ja, daß sie noch nicht einmal wissen, daß es mehrere Religionen im Kosovo gibt. Außerdem fürchte ich, daß sie auch gar kein Interesse an diesen Kenntnissen haben. Sie sind in der Mehrzahl Prototypen bildungsloser Deutscher, wie man sie zu Hauf insbesondere im Ausland antrifft, desinteressiert, ichbezogen, arrogant. Sie sind gleichzeitig Opfer der deutschen Kulturlosigkeit. Das haben wir >> rechter << Geldgier und >> linker << Verachtung deutscher Kulturwerte zu verdanken.

Natürlich ist Europa nicht der Nabel der Welt. Sehen Sie sich die Weltkarte an. Europa ist nur eine kleine Halbinsel der eurasischen Landmasse. Aber Europa ist immer noch Ausgangspunkt einer Zivilisation, die die Menschheit nicht immer beglückt hat.

Europa ist die Wiege einer Wissenschaft, deren Fehlentwicklung Atomspaltung mit deren katastrophalen Auswirkungen den ganzen Erdball überziehen. Ich möchte hier nur die Zusammenfassung eines informativen Artikels von Jochen Hippler über Krieg um den Kaschmir aus der bereits genannten Ausgabe der Wochenzeitschrift FREITAG unter der Überschrift Zauberlehrlinge im Karakorum und unter der Unterüberschrift Kaschmir - Irgendwann ist die innenpolitisch motivierte Eskalation der Krise nicht mehr steuerbar zitieren: Die neueste Kaschmir - Krise ist potentiell weit bedeutsamer als es der Kosovokrieg war. In Indien und Pakistan leben 1,1 Milliarde Menschen, fast ein Fünftel der Weltbevölkerung und ein Krieg zwischen beiden Atommächten wäre in jeder Hinsicht ein Super - GAU.

Dieser Kaschmir - Krieg ist nicht eine nur nationale Inszenierung der Inder oder der Pakistani. Dieser Konflikt gehört sozusagen zu der >> eisernen Reserve << der Leute, die meinen, zur rechten Zeit den >> richtigen << Krieg vom Zaun brechen zu können, um irgendwelche Machtinteressen, die meistens Wirtschaftsinteressen sind, befriedigen zu können. Manchmal geraten solche Konflikte auch außer Kontrolle.

Das ARGENTINISCHE TAGEBLATT meldet am 19. Juni eine Verstärkung von Seestreitkräften durch die Vereinigten Staaten von Amerika vor der Küste Koreas, was natürlich Warnungen aus China zur Folge hatte.

Zum Schluß will ich wenigstens noch eine Nachricht aus der vermeintlichen Innenpolitik bzw. Wirtschaftspolitik loswerden, die als eine kurze 23zeilige Nachricht auf der Seite 15 im Wirtschaftsteil in der Tageszeitung DIE WELT vom 5. Juli versteckt war. Unter der Überschrift Deutsche Konzerne verleihen ihre Mitarbeiter an das Kanzleramt wird folgende AP-Meldung verbreitet: Hamburg - Im Bundeskanzleramt sind etwa ein halbes Dutzend freigestellte Mitarbeiter von Konzernen tätig. Der "Spiegel" berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, darunter seien eine Krupp-Juristin, ein Volkswirt der Dresdner Bank sowie Versicherungsexperten. Sie würden vom Kanzleramt bezahlt. Die Beschäftigten aus den Unternehmen sollen das gegenseitige Verständnis zwischen Politik und Wirtschaft fördern, hieß es. - Die Leute aus der Wirtschaft brächten "richtig frischen Wind in unseren verknöcherten Haufen", wurde ein Mitarbeiter der Behörde zitiert. Auch über Beschäftigung von Gewerkschaftern werde nachgedacht. Bereits zu Helmut Kohls Zeiten habe es einen von der Deutschen Bank entliehenen Mitarbeiter im Kanzleramt gegeben.

Propaganda und Wirklichkeit! Das Grundgesetz kann auf verschiedene Art und Weise umgangen werden Wie sehr die Demokratie gefährdet ist, lesen Sie im Rahmen auf Seite 3.

Der nächste Kommentar-und Informationsbrief erscheint im September 1999.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen am 16. Juli 1999

 
     
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