Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,
ich wäre glücklich, wenn ich mich nicht mehr so intensiv mit dem Kosovo
- Krieg befassen müßte. aber er erscheint mir mehr und mehr als der etwas
schmalbrüstige Vater einer zickigen Furie weiterer Kriege zu sein. Deshalb
räume ich noch einmal diesem schrecklichen Ereignis sehr viel Platz ein.
Neben dem Bürgerkrieg in Nordirland sind die Kriege der letzten zehn
Jahre auf dem Balkan die ersten europäischen Kriege nach dem 2. Weltkrieg.
Der geschichtlich gebildete und politische Mensch wird diesen Balkankrieg
sehr schnell in die Reihe der Vorbereitungen zu den beiden besonders blutigen
Kriege dieses Jahrhunderts, Weltkriege genannt, stellen. Recht haben sie
und er. Dieser neuerliche Krieg auf dem Balkan ist das Sprungbrett für
weitere Kriege um Rohstoffe und die alleinige Macht der USA bzw. der Konzerne
auf dieser Erde. Ob unter diesen Kriegen ein 3. Weltkrieg sein wird, ist
fraglich. Die moderne Waffentechnik, die in Jugoslawien/Kosovo ausprobiert
worden ist, eignet sich sehr für begrenzte Kriege - wenn wir in unserem
Gehirn die Existenz der Atomwaffen weiter verdrängen.
Dem sehr drögen DEUTSCHEN ALLGEMEINEN SONNTAGSBLATT vom 28. Mai entnehme
ich den Satz ... es gibt keinen militärischen Humanismus ...
Die Deutsche Regierung hat sich danach gedrängt, Besatzer im Kosovo zu
sein. Schon im vergangenen Herbst wurde dafür fleißig militärisch geübt.
Ein Rüstzeug bringen die deutschen Soldaten aber nicht mit: Kenntnisse
über Land und Leute, über die Kultur und die Geschichte. Wenn die vorherige
und die amtierende Deutsche Bundesregierung wirklich die Menschenrechte
im Kosovo im Auge gehabt haben sollte, dann wäre Bildung statt Waffen
besser gewesen. Nur so ist Menschenachtung möglich, die
zu den Menschenrechten gehört.
In der Wochenzeitschrift FREITAG vom 25. Juni schreibt Norbert Nappes-Niediek
unter der Überschrift Artemijes Flucht vor drohender Lynchjustiz
und unter der Unterüberschrift Kosovo - Das Versagen des deutschen
KFOR - Kontingents in der Stadt Prizren u.a. folgendes: Wenn die orthodoxe
Kirche in Belgrad sich nun endlich gegen das Milosevic - Regime wendet,
ist es zuerst das Verdienst des kleinen Bischofs (Anmerk. D.K. Artemijes)
von Prisren. Während die Staatsgewalt zu Hunderttausenden die Albaner
vertrieb und sich viele Serben an der zurückgelassenen Habe ihrer Nachbarn
bereicherten, nannte Artemije das schreckliche Geschehen in seiner Osterbotschaft
als einziger beim Namen. Er wäre der Mann gewesen, der manches Vorurteil
der Serben gegen die Deutschen hätte aufbrechen können. In den siebziger
Jahren war der hochgebildete Theologe zwei Jahre lang zum Sprachstudium
in Deutschland und bildete so auf serbisch-nationaler Seite eine der wenigen
Brücken zum deutschen Kulturraum. Ausgerechnet Artemijes mußte nun vor
der drohenden (Anmerk.D.K. von den deutschen Soldaten geduldeten) Lynchjustiz
aus seinem Bistum fliehen - ein Ereignis, wie wenn der Kardinal von Galen
nach der Befreiung 1945 unter britischer Besatzungsmacht aus Münster hätte
ausziehen müssen.
Ich bin sicher, daß weder Offiziere noch Mannschaften des deutschen Kontingents
eine blasse Ahnung von diesem Bischof in Priszren hatten, ja, daß sie
noch nicht einmal wissen, daß es mehrere Religionen im Kosovo gibt. Außerdem
fürchte ich, daß sie auch gar kein Interesse an diesen Kenntnissen haben.
Sie sind in der Mehrzahl Prototypen bildungsloser Deutscher, wie man sie
zu Hauf insbesondere im Ausland antrifft, desinteressiert, ichbezogen,
arrogant. Sie sind gleichzeitig Opfer der deutschen Kulturlosigkeit. Das
haben wir >> rechter << Geldgier und >>
linker << Verachtung deutscher Kulturwerte zu verdanken.
Natürlich ist Europa nicht der Nabel der Welt. Sehen Sie sich die Weltkarte
an. Europa ist nur eine kleine Halbinsel der eurasischen Landmasse. Aber
Europa ist immer noch Ausgangspunkt einer Zivilisation, die die Menschheit
nicht immer beglückt hat.
Europa ist die Wiege einer Wissenschaft, deren Fehlentwicklung Atomspaltung
mit deren katastrophalen Auswirkungen den ganzen Erdball überziehen. Ich
möchte hier nur die Zusammenfassung eines informativen Artikels von Jochen
Hippler über Krieg um den Kaschmir aus der bereits genannten Ausgabe der
Wochenzeitschrift FREITAG unter der Überschrift Zauberlehrlinge im
Karakorum und unter der Unterüberschrift Kaschmir - Irgendwann
ist die innenpolitisch motivierte Eskalation der Krise nicht mehr steuerbar
zitieren: Die neueste Kaschmir - Krise ist potentiell weit bedeutsamer
als es der Kosovokrieg war. In Indien und Pakistan leben 1,1 Milliarde
Menschen, fast ein Fünftel der Weltbevölkerung und ein Krieg zwischen
beiden Atommächten wäre in jeder Hinsicht ein Super - GAU.
Dieser Kaschmir - Krieg ist nicht eine nur nationale Inszenierung der
Inder oder der Pakistani. Dieser Konflikt gehört sozusagen zu der >>
eisernen Reserve << der Leute, die meinen, zur rechten Zeit den
>> richtigen << Krieg vom Zaun brechen zu können, um irgendwelche
Machtinteressen, die meistens Wirtschaftsinteressen sind, befriedigen
zu können. Manchmal geraten solche Konflikte auch außer Kontrolle.
Das ARGENTINISCHE TAGEBLATT meldet am 19. Juni eine Verstärkung von Seestreitkräften
durch die Vereinigten Staaten von Amerika vor der Küste Koreas, was natürlich
Warnungen aus China zur Folge hatte.
Zum Schluß will ich wenigstens noch eine Nachricht aus der vermeintlichen
Innenpolitik bzw. Wirtschaftspolitik loswerden, die als eine kurze 23zeilige
Nachricht auf der Seite 15 im Wirtschaftsteil in der Tageszeitung DIE
WELT vom 5. Juli versteckt war. Unter der Überschrift Deutsche Konzerne
verleihen ihre Mitarbeiter an das Kanzleramt wird folgende AP-Meldung
verbreitet: Hamburg - Im Bundeskanzleramt sind etwa ein halbes Dutzend
freigestellte Mitarbeiter von Konzernen tätig. Der "Spiegel"
berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, darunter seien eine Krupp-Juristin,
ein Volkswirt der Dresdner Bank sowie Versicherungsexperten. Sie würden
vom Kanzleramt bezahlt. Die Beschäftigten aus den Unternehmen sollen das
gegenseitige Verständnis zwischen Politik und Wirtschaft fördern, hieß
es. - Die Leute aus der Wirtschaft brächten "richtig frischen Wind
in unseren verknöcherten Haufen", wurde ein Mitarbeiter der Behörde
zitiert. Auch über Beschäftigung von Gewerkschaftern werde nachgedacht.
Bereits zu Helmut Kohls Zeiten habe es einen von der Deutschen Bank entliehenen
Mitarbeiter im Kanzleramt gegeben.
Propaganda und Wirklichkeit! Das Grundgesetz kann auf verschiedene Art
und Weise umgangen werden Wie sehr die Demokratie gefährdet ist, lesen
Sie im Rahmen auf Seite 3.
Der nächste Kommentar-und Informationsbrief erscheint im September 1999.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
abgeschlossen am 16. Juli 1999 |