Dieter Kersten - Januar 2000    
Editorial    
     
 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,

unser Europa, einerseits noch im 20. Jahrhundert weltweit Stellwerk für verheerende Kriege, war anderseits selber Schauplatz zweier (Welt-) Kriege, die Politik und Gesellschaft einschneidend verändert haben. Alles deutet darauf hin, daß das 21. Jahrhundert nicht friedlicher sein wird, als das 20. Jahrhundert, denn dieses Europa ist immer noch dabei, im Militärischen mit den USA und mit Rußland zukonkurrieren. Der deutsche Panzer Leopard II, der deutsch - französisch - britische Eurofighter, die Atombewaffnungen Frankreichs,Großbritanniens (und Rußlands), die damit verbundenen Raketen -Industrien und die Nutzung Europas als us-amerikanische Militärbasis, verlangen nahezu nach einer nachhaltigen Friedenspolitik. Europa steht mehr denn je in Gefahr, zu einem militärischen und politischen Manövergebiet der Hegemonialmacht USAzu werden. Europa ist für das us- amerikanische Militär Frontgebiet im Krieg um Rohstoffe.

Peter Linke schreibt am 22. Oktober 1999 in der Wochenzeitschrift FREITAG unter der Überschrift Mit Sicherheit bedroht und unter der Unterüberschrift Abrüstung: Wenn Technokraten die Politik bestimmen, werden internationale Abkommen und Vereinbarungen Makulatur u.a. folgendes: Der Krieg des Westens am Golf und auf dem Balkan hatte russischen Strategieplanern die militärtechnologische Schwäche der eigenen Streitkräfte drastisch vor Augen geführt. Auf absehbare Zeit schien es für sie nur einen Ausweg aus dieser Situation zu geben: Renuklearisierung der nationalen Verteidigung, > Nuklearwaffen < heißt es im unlängst veröffentlichten Entwurf der russischen Militärdoktrin, > sind ein effektiver Abschreckungsfaktor,der die militärische Sicherheit der Russischen Föderation und ihrer Verbündeten gewährleistet <. Während Rußlands Streitkräfte im Juli bei einem groß angelegten Manöver nukleare Schläge gegen angreifende NATO - Truppen simulierten, begannen Moskaus Diplomaten, in Washington und anderswo, das Terrain für einen weitreichenden mililtärtechnologischen Deal zu sondieren: Amerikanische Zugeständnisse bei konventioneller Präzisionsmunition für russische Zugeständnisse beim ABM - Vertrag. Die Verhandlungen dauern an, und Näheres ist nicht bekannt. Nur eines, daß der Kreml willens und fähig ist, bei der Einhaltung zentraler Abrüstungsverträge durchaus flexibel zu sein: Unter Berufung auf > höchste nationale Interessen < teilte er Anfang Oktober der OSZE offiziell mit, er müsse im Zusammenhang mit der Bekämpfung tschetschenischer Separatisten den Vertrag über die Begrenzung konventioneller Waffen in Europa (KSZE - Vertrag) leider verletzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere ambitionierte Vertreter wie China, Indien, Pakistan, Israel oder Iran offen erklären: Was Amerikanern und Russen recht ist, kann uns nur billig sein. Verträge sind ein Relikt aus einer Zeit, als die Menschen irrtümlicherweise an Dinge wie Vernunft und Fortschritt glaubten. Also weg mit dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT), weg mit dem Raketentechnologiekontrollregime (MTCR). Schluß mit den Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrages über die Einstellung der Produktion von spaltbarem Material (FMCT). Jeder ist sich selbst der Nächste. Sicherheit ist nicht miteinander, sondern nur gegeneinander durchsetzbar.

Das ist nicht nur russische Politik. Die USAmerikaner marschieren in die gleiche Richtung. Nur die Motive sind unterschiedlich, aber das schreckliche Ergebnis ist das gleiche. Die Russen haben noch einen nahezu archaischen Bezug zu Herrschaft und zur Macht über andere Völker. Die US-Amerikaner haben in erster Linie die Sicherung von und das Geschäft mit Rohstoffen, insbesondere mit dem Energierohstoff …l im Auge.

Verträge sind nur so lange gültig, wie sie von den Beteiligten, allen Beteiligten, gewollt werden, und mit Zukunft erfüllt werden. Die Beteiligung Deutschlands an dem Krieg gegen Jugoslawien verstieß gegen das Grundgesetz und gegen internationale Verträge. Die Beteiligung der NATO an dem Jugoslawien-Krieg verstieß gegen ihre eigenen Grundsätze. Der noch im Gange befindliche Krieg gegen den Irak verstößt gegen internationale Normen und Gesetze.

Und - auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland lagern immer noch us-amerikanische Atomwaffen.

Bis ca. 1990 gab es den äußeren Anschein nach eine Balance zwischen den beiden Weltmächten, den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion. Alle anderen Staaten hatten sich als Satelliten dem unterzuordnen. Wie zwei Magneten hatten die beiden Weltmächte ihre Magnetfelder, wobei der eine oder andere Staat dann Narrenfreiheit besaß, wenn er nur weit genug von den Magneten ablag. Das Magnetfeld der Volksrepublik China war und ist schwach.

Jetzt existiert nur noch ein Magnetfeld. Ein Magnetfeld allein führt aber zu der absoluten Vorherrschaft der USA, zu vielen Kriegen und gewaltsamen Vernichtungen und zu Unterdrückungen. Dieses Magnetfeld kann nur mit allen Gewalten aufrecht erhalten werden. Die vermeintliche Achse Moskau - Peking hat negative Vorzeichen: und ist eher abstoßend als anziehend.

Deutschland ist mehr denn je im Hauptfeld des Großmagneten USA. Auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr Ende November 1999 in Hamburg konnte unwidersprochen der us-amerikanische Verteidigungsminister Cohen den Deutschen und Europäern die Leviten lesen. Cohen forderte mehr Rüstungsanstrengungen Die von mir zur Kenntnis genommene veröffentlichte Meinung hatte dazu nur die Bemerkung übrig, daß Kriegsminister Scharping im Bundeshaushaltspoker Rückwind bekommen hat.

Ulrich von Weizsäcker, der Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Chef des Wuppertaler …koinstitutes, und seit den letzten Wahlen SPD - Bundestagsabgeordneter, beklagte Ende November in einem Rundfunkinterview, daß die Vereinigten Staaten in Deutschland wie eine Kolonialmacht aus längst vergangen geglaubten Zeiten auftreten.

Zumutungen und Klagen kann entgegengetreten werden, wenn Deutschland und Europa ein eigenes politisches Magnetfeld schaffen würden, welches weg vom Militärischen und hin zu einer waffenfreien Mitte führt. Die Klage, die ich in diesem Kommentar - und Informationsbrief seit Anbeginn führe, daß Deutschland (als Teil dieses Europas), spätestens seit dem deutsch -französischen Krieg 1870/71, die politische Mitte in Europa verlassen und durch militärische Großkotzerei ersetzt hat, ist doch mehr als eine Totenklage. Sie ist ein Hinweis darauf, daß im Zeitalter der ABC-Waffen Krieg und Kriegsspielerei ein Anachronismus ist, auch und gerade im Blick auf Tschetschenien und der beiden Kontrahenten.

In der nächsten Ausgabe werde ich versuchen, auf die innenpolitischen Ereignisse um Kohl und die CDU einzugehen, die ja förmlich nach einer demokratischen Neuordnung in der Bundesrepublik verlangen.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen 14. Januar 2000

 
     
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