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Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, sehr geehrte Damen und Herren,
unser Europa, einerseits noch im 20. Jahrhundert weltweit Stellwerk für
verheerende Kriege, war anderseits selber Schauplatz zweier (Welt-) Kriege,
die Politik und Gesellschaft einschneidend verändert haben. Alles deutet
darauf hin, daß das 21. Jahrhundert nicht friedlicher sein wird, als das
20. Jahrhundert, denn dieses Europa ist immer noch dabei, im Militärischen
mit den USA und mit Rußland zukonkurrieren. Der deutsche Panzer Leopard
II, der deutsch - französisch - britische Eurofighter, die Atombewaffnungen
Frankreichs,Großbritanniens (und Rußlands), die damit verbundenen Raketen
-Industrien und die Nutzung Europas als us-amerikanische Militärbasis,
verlangen nahezu nach einer nachhaltigen Friedenspolitik. Europa steht
mehr denn je in Gefahr, zu einem militärischen und politischen Manövergebiet
der Hegemonialmacht USAzu werden. Europa ist für das us- amerikanische
Militär Frontgebiet im Krieg um Rohstoffe.
Peter Linke schreibt am 22. Oktober 1999 in der Wochenzeitschrift FREITAG
unter der Überschrift Mit Sicherheit bedroht und unter der Unterüberschrift
Abrüstung: Wenn Technokraten die Politik bestimmen, werden internationale
Abkommen und Vereinbarungen Makulatur u.a. folgendes: Der Krieg des Westens
am Golf und auf dem Balkan hatte russischen Strategieplanern die militärtechnologische
Schwäche der eigenen Streitkräfte drastisch vor Augen geführt. Auf absehbare
Zeit schien es für sie nur einen Ausweg aus dieser Situation zu geben:
Renuklearisierung der nationalen Verteidigung, > Nuklearwaffen <
heißt es im unlängst veröffentlichten Entwurf der russischen Militärdoktrin,
> sind ein effektiver Abschreckungsfaktor,der die militärische Sicherheit
der Russischen Föderation und ihrer Verbündeten gewährleistet <. Während
Rußlands Streitkräfte im Juli bei einem groß angelegten Manöver nukleare
Schläge gegen angreifende NATO - Truppen simulierten, begannen Moskaus
Diplomaten, in Washington und anderswo, das Terrain für einen weitreichenden
mililtärtechnologischen Deal zu sondieren: Amerikanische Zugeständnisse
bei konventioneller Präzisionsmunition für russische Zugeständnisse beim
ABM - Vertrag. Die Verhandlungen dauern an, und Näheres ist nicht bekannt.
Nur eines, daß der Kreml willens und fähig ist, bei der Einhaltung zentraler
Abrüstungsverträge durchaus flexibel zu sein: Unter Berufung auf >
höchste nationale Interessen < teilte er Anfang Oktober der OSZE offiziell
mit, er müsse im Zusammenhang mit der Bekämpfung tschetschenischer Separatisten
den Vertrag über die Begrenzung konventioneller Waffen in Europa (KSZE
- Vertrag) leider verletzen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere
ambitionierte Vertreter wie China, Indien, Pakistan, Israel oder Iran
offen erklären: Was Amerikanern und Russen recht ist, kann uns nur billig
sein. Verträge sind ein Relikt aus einer Zeit, als die Menschen irrtümlicherweise
an Dinge wie Vernunft und Fortschritt glaubten. Also weg mit dem Vertrag
über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT), weg mit dem Raketentechnologiekontrollregime
(MTCR). Schluß mit den Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrages
über die Einstellung der Produktion von spaltbarem Material (FMCT). Jeder
ist sich selbst der Nächste. Sicherheit ist nicht miteinander, sondern
nur gegeneinander durchsetzbar.
Das ist nicht nur russische Politik. Die USAmerikaner marschieren in
die gleiche Richtung. Nur die Motive sind unterschiedlich, aber das schreckliche
Ergebnis ist das gleiche. Die Russen haben noch einen nahezu archaischen
Bezug zu Herrschaft und zur Macht über andere Völker. Die US-Amerikaner
haben in erster Linie die Sicherung von und das Geschäft mit Rohstoffen,
insbesondere mit dem Energierohstoff …l im Auge.
Verträge sind nur so lange gültig, wie sie von den Beteiligten, allen
Beteiligten, gewollt werden, und mit Zukunft erfüllt werden. Die Beteiligung
Deutschlands an dem Krieg gegen Jugoslawien verstieß gegen das Grundgesetz
und gegen internationale Verträge. Die Beteiligung der NATO an dem Jugoslawien-Krieg
verstieß gegen ihre eigenen Grundsätze. Der noch im Gange befindliche
Krieg gegen den Irak verstößt gegen internationale Normen und Gesetze.
Und - auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland lagern immer noch
us-amerikanische Atomwaffen.
Bis ca. 1990 gab es den äußeren Anschein nach eine Balance zwischen den
beiden Weltmächten, den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion.
Alle anderen Staaten hatten sich als Satelliten dem unterzuordnen. Wie
zwei Magneten hatten die beiden Weltmächte ihre Magnetfelder, wobei der
eine oder andere Staat dann Narrenfreiheit besaß, wenn er nur weit genug
von den Magneten ablag. Das Magnetfeld der Volksrepublik China war und
ist schwach.
Jetzt existiert nur noch ein Magnetfeld. Ein Magnetfeld allein führt
aber zu der absoluten Vorherrschaft der USA, zu vielen Kriegen und gewaltsamen
Vernichtungen und zu Unterdrückungen. Dieses Magnetfeld kann nur mit allen
Gewalten aufrecht erhalten werden. Die vermeintliche Achse Moskau - Peking
hat negative Vorzeichen: und ist eher abstoßend als anziehend.
Deutschland ist mehr denn je im Hauptfeld des Großmagneten USA. Auf der
Kommandeurtagung der Bundeswehr Ende November 1999 in Hamburg konnte unwidersprochen
der us-amerikanische Verteidigungsminister Cohen den Deutschen und Europäern
die Leviten lesen. Cohen forderte mehr Rüstungsanstrengungen Die von mir
zur Kenntnis genommene veröffentlichte Meinung hatte dazu nur die Bemerkung
übrig, daß Kriegsminister Scharping im Bundeshaushaltspoker Rückwind bekommen
hat.
Ulrich von Weizsäcker, der Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard
von Weizsäcker, Chef des Wuppertaler …koinstitutes, und seit den letzten
Wahlen SPD - Bundestagsabgeordneter, beklagte Ende November in einem Rundfunkinterview,
daß die Vereinigten Staaten in Deutschland wie eine Kolonialmacht aus
längst vergangen geglaubten Zeiten auftreten.
Zumutungen und Klagen kann entgegengetreten werden, wenn Deutschland
und Europa ein eigenes politisches Magnetfeld schaffen würden, welches
weg vom Militärischen und hin zu einer waffenfreien Mitte führt. Die Klage,
die ich in diesem Kommentar - und Informationsbrief seit Anbeginn führe,
daß Deutschland (als Teil dieses Europas), spätestens seit dem deutsch
-französischen Krieg 1870/71, die politische Mitte in Europa verlassen
und durch militärische Großkotzerei ersetzt hat, ist doch mehr als eine
Totenklage. Sie ist ein Hinweis darauf, daß im Zeitalter der ABC-Waffen
Krieg und Kriegsspielerei ein Anachronismus ist, auch und gerade im Blick
auf Tschetschenien und der beiden Kontrahenten.
In der nächsten Ausgabe werde ich versuchen, auf die innenpolitischen
Ereignisse um Kohl und die CDU einzugehen, die ja förmlich nach einer
demokratischen Neuordnung in der Bundesrepublik verlangen.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
abgeschlossen 14. Januar 2000 |
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