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Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße die alten und neuen Leser im neuen Jahr 2003 und freue
mich auf jede Zusammenarbeit, so schwierig sie manchmal auch zu sein scheint.
Ich stehe manchmal sehr unter einem Arbeitsdruck und ich bin auch Stimmungen
unterworfen, die aus einer aktuellen politischen Situation kommen können.
Ich bitte im Nachsicht, wenn ich unzureichend reagiere.
Ich werde immer wieder ermahnt, mit den guten Nachrichten zu beginnen
und die schlechten in Waage mit den guten zu bringen. Ein schwieriges
Unterfangen - Anfang 2003 insbesondere. Zur Zeit verfüge ich über
eine Fülle von Material, über gute und auch schlechte Nachrichten.
Nur - alle diese Beiträge haben auch widersprüchliche Seiten,
mit denen ich mich auseinandersetzen sollte. So lobt z.B. Chomsky, den
ich auf Seite 2 zitiere, das deutsch-europäische Parteiensystem,
welches er mit dem desolaten politischen System in den USA vergleicht.
Eigentlich könnte ich mich mit stolz geschwellter Brust zurücklehnen
und den Sieg der deutsch-europäischen Kultur über die us-amerikanische
Unkultur feiern. Aber das fällt mir schwer. Warum? Weil ich doch
weiß, daß, und nun will ich wieder nur von Deutschland schreiben, die
Parteien lediglich die eine Seite der Medaille politischer Kultur in Deutschland
sind. Wir merken es zur Zeit besonders stark: wir sind ein erweiterter
Ständestaat, in dem Organisationen wie Gewerkschaften, Unternehmerverbände,
Industrie-und Handelskammern, Handwerkskammern, der Beamtenbund, die Krankenkassen,
die diversen Ärzteorganisationen und der diffuse "öffentliche
Dienst" und viele andere Organisationen mehr zu sagen haben, als
das verzweifelt Parteien wählende Volk. Jede Gruppe hat ihre Spezialinteressen
und wenig Neigung, diese mit den Interessen der anderen abzugleichen.
In fast allen diesen Organisationen haben angestellte Manager das Sagen;
alle diese Organisationen sind noch weiter als die Parteien davon entfernt,
"demokratisch" genannt zu werden. Das Stimmengewirr erstickt
jede demokratische Kultur in Deutschland. Eine an den Sachfragen orientierte
Diskussion findet selten statt. Deshalb bin ich so sehr für den Volksentscheid
ohne jede Einschränkung. Die rechtliche Etablierung eines Volksentscheides
würde die Parteien und die selbst ernannten Manager-Fachleute disziplinieren.
Es mag sein, daß der eine oder andere Volksentscheid schief geht. Nur
- jetzt geht alles, was in diesem Ständestaat beschlossen wird, "in
die Hose" - die Entscheidungen des Volkes aber, ob gut oder schlecht,
müssen vom Souverän, dem Volk, unmittelbar und selbst verantwortet
werden, während sich die gescheiterten politischen und wirtschaftlichen
Funktionäre sofort und unmittelbar aus der Verantwortung stehlen.
Und das auch noch mit hohen Pensionen bzw. Abfindungen auf Kosten des
Volkes! Und noch eins: die Fachleute, soweit es unter den Funktionären
und den "öffentlich Beschäftigten" noch welche gäbe,
hätten die Möglichkeit, mit überzeugenden Argumenten Volksentscheide
zu echten Lebensentscheidungen zu machen.
Ich hatte kurz vor Weihnachten ein interessantes Gespräch mit einem
Bekannten, mit dem ich in den vergangenen Jahren nicht immer übereinstimmte.
Wir treffen uns meistens zweimal im Jahr und fast immer um die gleiche
Zeit: im Juli und im Dezember. Es ging, wie auch sonst fast immer, um
die wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland. Auch meine Forderung
nach direkter Demokratie wurde immer wieder diskutiert. Mein Gesprächspartner
ist ein erfolgreicher Mittelständler, welcher durch Erfindungen und
Entwicklungen aus eigener Kraft in Berlin, über Ungarn bis Shanghai,
Produktionsstätten betreibt. Es war das erste Mal, daß wir in den
meisten Punkten Übereinstimmung erlangten, auch in dem für erfolgreiche
Menschen immer heiklen Punkt der Demokratie. Dieser Mann, mit dem ich
sprach, ist ein gebildeter Mensch, der, angesichts der bildungspolitischen
Misere in Deutschland und angesichts der fehlenden kulturellen Erziehung
zur Selbstverantwortung bezweifelt, ob direkte Demokratie als Gegengewicht
zur Parteien-Demokratie überhaupt funktioniert. Wir konnten uns in
etwa auf die Formel einigen, daß Bildung und Selbstverantwortung für
die eigenen Entscheidungen einerseits Voraussetzung für mehr Demokratie
sind, wie die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, die Voraussetzung
ist, zu Bildung und Selbstverantwortung zu kommen. Wenn heute nach der
Statistik der bundesdeutsche Bürger von 0 - 120 Jahren täglich
viereinhalb Stunden vor der Glotze sitzt, um nur ein Beispiel zu nennen,
dann hätte er auch Zeit, sich um die Bildung seiner Kinder und der
eigenen Person zu kümmern. Er hätte Zeit genug, durch sein eigenes
Verhalten die Medien anzuhalten, die in jeder politischen Frage steckenden
zahlreichen Alternativen sachgerecht aufzubereiten.
Ein Thema war auch die globalisierte Wirtschaft. Zu meinem Erstaunen trat
mein Gesprächspartner für eine nationale Wirtschaftspolitik
ein. Er berichtete, daß z.B. Ungarn und die Volksrepublik China ausländischen
Unternehmen für 10 Jahre Steuerfreiheit zuerkennen. Die Steuerfreiheit
gilt ab dem Jahr, in dem ein Gewinn entnommen wird. Er berichtete, daß
dadurch insbesondere in der Volksrepublik China eine hochmoderne Industrie
entsteht. Wir waren uns einig, daß Deutschland durch eine völlig
verfehlte Industriepolitik zur Zeit entindustrialisiert wird.
Wir brauchen eine nationale, deutsche Industrieansiedlungspolitik. Darüber
hinaus einigten wir uns darauf, daß Deutschland eine umlaufgesicherte
Währung als Zweitwährung haben muß, freikonvertierbar, versteht
sich, um den Tausch von Waren und Dienstleistungen in einem überschaubaren
Wirtschaftsraum zu intensivieren. Geld darf nicht gehortet werden.
Wir stellten fest, daß die ganze Diskussion über die "Krankheitskosten"
davon bestimmt ist, den Bürger weitgehend zu gängeln und in
einem unmündigen Zustand zu halten. Statt den Gesundheitsmarkt für
die neue Medizin der Homöopathen, der Heilpraktiker und Geistheiler
zu öffnen, fördert die Politik die unheilige Allianz zwischen
Pharma-Industrie und einer klassischen Medizin, die, wenn sie ehrlich
wäre, zugeben müßte, daß sie nicht in der Lage ist, viele Krankheiten
wirklich zu heilen. Die …ffnung des Marktes würde, so waren wir uns
einig, enorme Krankheitskosten sparen und, was fast noch wichtiger ist,
dem Menschen die Freiheit geben, sich selbst entscheiden zu dürfen.
Natürlich setzt diese Möglichkeit der Selbstentscheidung Kenntnisse
für die Selbstverantwortung voraus. In der vorliegenden Ausgabe gibt
es einige Beiträge, die sich direkt bzw. indirekt mit dem Thema Irak
befassen. Die Bundesregierung nähert sich mit einer Mischung von
Krebsgang und Echternacher Springprozession der Kriegsteilnahme. Meine
ständige Mahnung, die us-amerikanischen Stützpunkte in Deutschland
zu kündigen, die Bundeswehr aufzulösen und auf jede Waffenproduktion
zu verzichten, wird in der …ffentlichkeit nicht diskutiert. Zum Schluß
möchte ich noch auf die Bücherliste verweisen, in der zwar nicht
viel Neues steht, außer, daß einige wenige Preise gesenkt worden sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
abgeschlossen 15. Januar 2003
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