Dieter Kersten - März / April 2003    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

der us-amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld, der sich so gut über uns Deutsche und das "alte Europa" amüsieren kann, ist deutscher Herkunft. Er hat noch Verwandtschaft in Weye, in der Nähe von Bremen, die er 1976 besucht hat.

Einen Teil meiner Verwandtschaft in den USA habe ich 1980 besucht. Ich bin von freundlichen Leuten freundlich aufgenommen worden. Tiefgreifende politische Diskussionen gab es nicht.

Ich habe keinen Anlaß, einen diffusen Antiamerikanismus zu pflegen oder vom "alten Amerika" zu sprechen. Es gibt weder die Amerikaner noch die Deutschen. Es gibt in beiden Staaten Oligarchien, deren Interessen nicht mit denen des Volkes übereinstimmen, die die Gewalt dem politischen und sozialen Ausgleich vorziehen.

Obwohl die Vorfahren der weißen Amerikaner alle aus Europa stammen und obwohl viele ihrer Vorfahren vor dem politischen und religiösen Despotismus des 17., 18. und 19. Jahrhunderts in Europa flüchteten (viele waren auch Wirtschaftsflüchtlinge bzw. Flüchtlinge aus sozialen Gründen), scheinen sie die europäische Aufklärung nicht mit in die USA genommen zu haben. Die europäische Aufklärung, welche das Desaster zweier Weltkriege und die Judenvernichtung nicht verhindern konnte, ist ein immer noch laufender geistig-politischer Prozeß, der direkt zu den Demonstrationen in fast allen europäischen Ländern gegen den Krieg im Irakgeführt hat. Und die Demonstranten in den USA? Eben, es gibt nicht die Amerikaner, sondern es gibt auch dort eine große Anzahl von Menschen, die aus der Tradition der Aufklärung eines Gotthold Ephraim Lessing und eines Moses Mendelsohn handeln.

Dennoch werden die USA von einer rechten, faschistoiden Clique um Bush & Co. beherrscht, gegen deren Krakenarme wir, d.h. wir Deutschen und besser noch, wir Europäer, uns zur Wehr setzen müssen. Die Regierung der USA, und nicht erst die gegenwärtig amtierende Bush-Regierung, verlangt von uns bedingungslose Gefolgschaftstreue bei der militärischen Sicherung von Rohstoffen jeder Art weltweit. Die rechte, faschistoide Clique in den USA ist von ihrer christlichen Mission überzeugt. Sie ist der Auffassung, daß die Reichtümer der Erde nur zu ihrer Verfügung stehen dürfen. Die ausgelatschten Spuren von Hitler und anderen Ersatzmessiassen sind deutlich zu erkennen. Wir müssen, gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn, in dieser Situation eine militärische Neutralität mit allen Konsequenzen einleiten: keine USA - Stützpunkte in Deutschland/Europa, keine Überflug - und Durchfahrtrechte für us-amerikanische Militärs, für Deutschland keinerlei Waffenproduktion mehr und auch für Deutschland keine Bundeswehr. Wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen und eine aktive, politische Neutralitätspolitik betreiben, die uns zu Partnern einer friedlichen Entwicklung in allen Staaten und Regionen macht. Dazu gehört, daß die Globalisierung der Wirtschaft verstärkt durch eine Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen ergänzt werden muß. Wir müssen neu über die Funktion von Geld und von Eigentum über Grund und Boden nachdenken, die direkte Demokratie fördern bzw. als Angebot für den Bürger einführen, und Schule und Kultur einen neuen finanziellen Rahmen geben. Die deutsch/europäische Wissenschaft hat sich in der Auseinandersetzung Blut für Öl so blamiert, daß sie vom Volk demokratisch evaluiert (abgeschätzt) werden muß. Wir wissen heute z.B., daß eine dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik widersprechende Energiewandlung möglich ist, aber die Wissenschaft als Hure von Wirtschaft und Politik eine entsprechende Forschung und Entwicklung verhindert. Wir können Nutzenergie aus Umgebungswärme gewinnen. Ein Perpetuum Mobile 2. Art ist möglich!

So sehr ich mich freue, daß sich in Deutschland ein so eindeutiger Protest gegen den Krieg im Irak regt, desto trauriger bin ich über die Substanzlosigkeit alternativer Politik. Frieden muß in neue Formen gegossen werden.

Eine entscheidende Frage ist, ob Kanzler Schröder in seiner Ablehnung des Krieges durchhält. Die Bundesregierung, so habe ich den Eindruck, macht einen sehr unschönen Eiertanz. Ein bißchen Krieg? Ein bißchen Frieden? AWACS in die Türkei, ABC-Fuchs-Panzer in Kuwait und Patriot-Raketen nach Israel und in die Türkei. Angelika Merkel, die Oppositionsführerin in Deutschland, reist nach Washington, um dort die deutsche Regierung zu denunzieren. Nun hat die CDU/CSU noch nie sehr viel politische Kultur besessen. Sie ist beleidigt, wenn sie nicht an der Macht ist.

Aber, hat die SPD politische Kultur? Herr Schily, Innenminister, ehemaliger Staranwalt der RAF, hat das Urteil gegen den mutmaßlichen El-Kaida-Sympatisanten oder vielleicht auch Mitstreiter Mounir El Motassadeq - 15 Jahre Gefängnis - ausdrücklich begrüßt. In dem Prozeß, der nach meiner Meinung ein politischer Prozeß mit gewollter Signalwirkung in Richtung der rechts-faschistoiden Regierung in Washington war, standen maßgebliche Zeugen nicht zur Verfügung. Selbst der Richter mußte in seiner Urteilsbegründung feststellen, daß weder Schuld noch Unschuld bewiesen werden konnten. Es kann doch nicht strafbar sein, wenn ein Muslim in Deutschland einen anderen Muslim kennt und ihm in der einen oder anderen persönlichen Sache hilft. Ein Richter in Deutschland täte gut daran, festzustellen. daß die Vorgänge um den 11. September 2001 noch gar nicht geklärt sind. Wären wir ein Rechtsstaat, so wären politische Prozesse bei uns nicht möglich. Der Angeklagte hätte freigesprochen werden müssen, vielleicht auch nur mangels Beweise. Mit diesem Urteil ist dem inneren Frieden in Deutschland nicht gedient. Was wird mit Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, passieren, wenn Sie, wie und wo auch immer einem Muslim begegnet sind, welcher, wie auch immer, in das Fadenkreuz von Ermittlern gerät? Angst und Verunsicherung bei der Bevölkerung erzeugen, das ist eine Waffe der Herrschenden. Keiner beherrscht diese Waffe so gut wie Herr Schily.

In der Ausgabe Januar 2002 hatte ich einen Beitrag von Sebastian Plugbeil abgedruckt, Titel: Plutonium im Garten. Ich wundere mich, daß sich in der deutschen …ffentlichkeit nichts tut. Trotz der geringen Auflagen der Wochenzeitschrift FREITAG und dem Kommentar-und Informationsbrief NEUE POLITIK müßte sich eine solche schwere gesundheitliche Schädigung von Generationen herumsprechen und zu einem öffentlichen Ärgernis und Protest werden. Das Volk interessiert sich nicht für seine Gesundheit!?! Es besteht ein merkwürdig großer Unterschied zwischen den Protesten gegen den Golfkrieg und den wirklich schlimmen Geschehnissen im eigenen Land.

Noch findet der heiße Krieg im Nahen Osten nicht statt. Wollen wir hoffen, daß es dabei bleibt. Ich schreibe des Editorial meistens zehn Tage vor dem Datum, welches ich an den Schluß dieser Seite setze. In dieser Zeit kann viel passieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

abgeschlossen 14. März 2003

 
     
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