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Liebe Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren,
auf Seite 2 ff. habe ich einen Beitrag von Antje Vollmer aus dem Jahr
1984 abgedruckt. Zu diesem Artikel habe ich einen Begleittext geschrieben
(Seite 3), in dem es einen scheinbaren Widerspruch gibt. Ich habe der
Absage an alle Machtpolitik aus dem Text von Antje Vollmer
den Satz von Wolf Schenke aus dem Jahr 1950 Dritte Macht oder
Untergang - Die Alternative für Europa gegenübergestellt.
1984 ging es darum, ein Deutschland, welches geteilt, zwischen Ost und
West liegend, aus der Gefahr herauszuhalten, zwischen den damaligen Mächten
zerrieben zu werden. 1950 und 2003 ging und geht es darum, Europa und
Deutschland der Fremdbestimmung durch den einzigen vorhandenen Hegenom,
den Vereinigten Staaten von Amerika, zu entziehen, indem dieses Europa
eine Kultur der Neutralität entwickelt. Diese Friedensinitiative
muß von Deutschland ausgehen, welches im vergangenen Jahrhundert
allzu bereitwillig zwei Weltkriege angenommen hatte, ohne alleine verantwortlich
gewesen zu sein.
Wir sind inzwischen vom Frieden weiter entfernt, als
wir es uns vorstellen können. Frieden ist ja nicht nur die Abwesenheit
von Krieg, sondern Frieden muß ständig gedacht, erarbeitet
und erstritten werden. Zur Zeit geschieht das absolute Gegenteil: die
USA treiben ihre Weltherrschaftspläne durch lokale Kriege immer weiter
voran Wie das u.a. geschieht, wird in den Beiträgen auf Seite 4 von
Helmut Fallschessel und auf Seite 5 im Gespräch mit Willy Wimmer
geschildert.
Ein heißer Krieg lodert immer noch in Palästina/Israel. Ich
habe ernsthafte Zweifel, daß es dem us-amerikanischen Präsidenten
Bush recht ist, wenn im Heiligen Land wirklich Frieden gestiftet
wird. Ich verwende mit Absicht das Wort gestiftet, denn Friede dort bedeutet
Selbstlosigkeit auf beiden Seiten, rücksichtsvolle Ehrlichkeit nicht
nur gegeneinander, sondern auch den eigenen Bürgern gegenüber.
Ich biete Ihnen dazu in der Bestelliste noch einmal das Nahost-Lexikon
an. In diesem Buch gibt es einen Kartenanhang, in dem die israelischen
Siedlungen eingetragen sind. Es gibt keinen Frieden, wenn es nicht gelingt,
ein in sich geschlossenes Staatsgebiet für Palästina zu schaffen,
ohne jüdische Siedlungen, wenn es nicht gelingt, die Wasserrechte
gleichmäßig-gerecht zu verteilen, und, wenn es nicht gelingt,
für Jerusalem einen Sonderstatus zu schaffen. Es gibt keinen Grund,
"Mitleid" mit den Israelis zu haben, denn sie sind als Eroberer
in das Land gekommen und haben sich fremdes Eigentum angeeignet. Deshalb
ist es notwendig, eine besondere Gerechtigkeit gegenüber den Palästinensern
zu üben. Ein ganz großes Problem ist die Frage, was mit den
zahlreichen palästinensichen Flüchtlingen passieren soll. In
ihre angestammte Heimat können sie nicht mehr zurück. Sinnvoll
wäre eine Wirtschafts-Konförderation von Israel, Palästina,
Syrien, Jordanien und Libanon, in der die materiellen und kulturellen
Voraussetzungen von Ansiedlungen außerhalb Israels geschaffen werden
müssen. Das müßte international unterstützt werden.
Ich denke, diese Sichtweise ist eine utopische Notwendigkeit,
um die wir nicht herumkommen. Die jetzt immer wieder zitierte Road Map
führt nicht zum Ziel.
Bevor ich zu den innenpolitischen Ereignissen komme, möchte ich auf
Entwicklungen hinweisen, die Vorboten einer noch übleren internationalen
Entwicklung sein können. Experten beurteilen die Sicherheitsgesetze
der USA als weitgehender als die Ermächtigungsgesetze und die ihr
folgenden Verordnungen des Hitler-Reiches. Putin in Rußland eifert
dieser Entwicklung in sofern nach, als er die Pressegesetze so verschärft
hat, daß es eine Pressefreiheit in Rußland nicht mehr gibt.
Das hat nach Lage der Dinge und entsprechend der russischen Mentalität
die gleichen Folgen wie in den USA. Dort kann jeder Bürger jederzeit
festgenommen werden und für sechs Monate ohne einen Anspruch auf
einen Rechtsbeistand inhaftiert werden. In Rußland war es bisher
so, daß die relative Pressefreiheit einen gewissen Schutz vor willkürlichen
Festnahmen bot. In Deutschland habe ich den Eindruck, daß Schily,
unser Innenminister, ständig nach Möglichkeiten sucht, die Freiheit
einzuschränken. Hinzu kommt - als Beispiel für ähnliche
Aktionen - das regierungsamtliche Angstgeschrei vor einer möglichen
Pockenepidemie, terroristisch ausgelöst. Das Gespenst der Zwangsimpfung
geht herum. Die Menschen sollen, weil Politik versagt, zu Eingriffen in
die körperliche Integrität gezwungen werden. Mit Angst läßt
sich gut regieren. Ein ängstliches Volk ist ein williges Volk.
Die Reaktion marschiert, die Demokratie soll abgeschafft bzw. diskreditiert
werden. Das ist der Auftrag der Weltkonzerne: Arbeit nur gegen Abschaffung
der Demokratie.
Die Angst vor einer Selbstbestimmung des Volkes ist bei den Oligarchien
riesengroß, so daß immer wieder gegen die direkte Demokratie,
auch in den Medien, Stimmung gemacht wird. Stellen Sie sich vor, Sie könnten
in einem Volksentscheid über die Gehälter der "öffentlich
Beschäftigen" abstimmen, über die Höhe der Steuern,
über die Haftung der Konzernbosse, über das Arbeitspensum (den
Fleiß) von Richtern und Staatsanwälten, über die Amtshaftung
von Politikern usw. usf.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, so lese ich im Internet, berichtet unter
Berufung auf den Prüfungsbericht von Ernest & Young, die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
habe Zweifel an der fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit der verantwortlichen
Vorstandsmitglieder der Westdeutschen Landesbank (WestlB).
Ich berichte von dem neuesten Bankenskandal einer landeseigenen Bank,
ähnlich der Bankgesellschaft Berlin. Es geht zur Zeit "nur"
um "läppische" 1,5 bis 3 Milliarden Euro. Der Betrag wird
sich sicher erhöhen. Mindestens wird er sich um die Entschädigungen
erhöhen, die die zurückgetretenen Chefs Jürgen Sengera
und Andreas Seibert erhalten werden, damit sie sich einen geruhsamen Lebensabend
gönnen können. Und dann ist da noch der Aufsichtsrat, der mal
wieder völlig versagt hat. Auch in solchen Fällen muß
es unbedingt eine Amtshaftung geben. Auch die Politiker des Landes Nordrhein-
Westfalen haben ihren Teil an der verfehlten Personalpolitik, vielleicht
auch an den Investitions- Fehlentscheidungen. Ein Untersuchungsausschuß
muß die Verfehlungen aufdecken. Es ist fremdes Geld, mit dem da
gedankenlos umgegangen worden ist.
Die nächste Ausgabe des Kommentar-und Informationsbriefes NEUE POLITIK
erscheint im September 2003. Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sommer
und, soweit möglich, einen schönen Urlaub.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
abgeschlossen am 11. Juli 2003
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