Dieter Kersten - Dezember 2003    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

Horst-Eberhard Richter beginnt seinen Essay in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 10. Oktober folgendermaßen: > Wenn ich zur Zeit von Schulen eingeladen werde, um mit Jugendlichen der höheren Klassen, also mit 16 bis 20jährigen über Krieg und Frieden zu sprechen, so freue ich mich sehr darüber, daß in diesen Jahrgängen wieder ein Verantwortungsbewußtsein mit weiterem Horizont heranreift. Kürzlich habe ich bei einer dieser Einladungen erlebt, daß auf einer großen Leuchttafel, unter der wir uns versammelt hatten, die Mahnung meines verehrten Freundes Joseph Weizenbaum zu lesen war: Jeder Einzelne müsse so handeln, als ob die Zukunft der Menschheit von ihm abhänge. Und weiter: "Alles andere ist ein Ausweichen vor der Verantwortung und selbst wieder eine enthumanisierende Kraft und bestärkt den Einzelnen in seiner Vorstellung, lediglich Figur in einem Drama zu sein, das anonyme Mächte geschrieben haben, und sich weniger als eine ganze Person anzusehen, und das ist der Anfang von Passivität und Ziellosigkeit." <.

Ein ermutigender Text. Ich habe richtig aufgeatmet. Wenn nur an einer Schule in Deutschland eine solche Generation heranwächst, braucht es uns nicht bange zu sein um die Menschen auf dieser Erde. Es ist eine große Aufgabe, den jungen Menschen mit viel Taktgefühl zu begegnen, sie nicht zu behindern, ihnen zu helfen. So mancher Beitrag im Kommentar- und Informationsbrief NEUE POLITIK wird hoffentlich dazu beitragen.

Die Weichen für die Zukunft der Menschheit werden weltweit, auch in Deutschland, von der Idee der Demokratie weg und auf den Überwachungsstaat hin gestellt. Ich habe den Eindruck, daß nach dem Experiment Sozialismus/Kommunismus und Liberalismus/Kapitalismus nunmehr das Experiment eines total vernetzten und genormten Menschen gestartet wird. Gestartet wird? Das Experiment ist schon voll im Gange. Mein Steuerberater schreibt in seinem monatlichen Rundbrief, am 30. September, folgendes: > Mit dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003) soll aus jedem Staatsbürger ein "gläserner Steuerbürger" gemacht werden. Zukünftig soll das "Bundesamt für Finanzen" jedem Steuerbürger ein einheitliches, unveränderbares und dauerhaftes Identifikationsmerkmal zuteilen. Dazu werden die Standesämter und Ausländerbehörden verpflichtet, dem Bundesamt sämtliche Daten zu übermitteln. Natürliche Personen erhalten danach eine Identifikationsnummer, wirtschaftlich Tätige eine WirtschaftsIdentifikationsnummer, so daß nichts mehr verborgen bleibt. Ob dies alles mit dem Bundesdatenschutzgesetz vereinbar ist, bleibt abzuwarten. <

Da fehlt nur noch die eingebrannte Nummer auf dem Unteroder Oberarm alles schon mal dagewesen und ausprobiert. Der letzte Satz ist fast naiv: natürlich ist diese totale Überwachung mit dem Bundesdatenschutzgesetz nicht zu vereinbaren, aber dann wird es eben geändert, ganz demokratisch, versteht sich.

Laut Radiobericht soll in Köln eine Behörde mit 7000 Beamten bzw. Öffentlichen Angestellten entstehen, die bundesweit die Schwarzarbeit verhindern sollen. Abgesehen davon, daß ich mich frage, wie so etwas funktionieren kann, wird eine Behörde mit ihren riesigen Kosten einen solchen Machtanspruch entwickeln, daß künftige Generationen es schwer haben werden, so etwas aufzulösen. In Berlin gibt es immer noch im Vergleich zu andern Stadtstaaten oder Kommunen fast hunderttausend öffentlich Beschäftigte zu viel. Das sind die Folgen der Teilung Deutschlands und Berlins und des Kalten Krieges. Diese hunderttausend Nichtstuer hängen wie ein Bleigewicht an dem ohnehin desolaten Haushalt des Landes Berlin.

In meinem Aufsatz Deutschland braucht Ideen bin ich auf die Diskussion über die Steuergesetzgebung nicht eingegangen. Die neuesten Vorschläge des CDU-Abgeordneten Merz bestechen durch ihre Einfachheit und werden schon deshalb, wenn überhaupt angenommen, zur Unkenntnis verwässert werden. Die Senkung des Spitzensteuersatzes von 48,5 % auf 42 % in der so genannten vorgezogenen Einkommensteuerreform der Bundesregierung halte ich für sozial nicht ausgewogen. Ich bin gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die in keinem Verhältnis zum bürokratischen Aufwand steht. Die Erbschaftssteuer sollte erhöht werden, aber nur, wenn Betriebsvermögen von der Erbschaftssteuer ausgenommen werden.
Das Kopftuch-Urteil, mit dem sich Arzu Toller auf Seite 4 beschäftigt, ist aus der Berichterstattung längst wieder verschwunden. Dennoch setze ich nach, um meine Position in der Einwanderungsfrage noch einmal zu verdeutlichen. Ich bin für eine rigide Integrationspolitik. Die Muslime aus den unterschiedlichsten Ländern sind dabei besonders in das Fadenkreuz geraten. Natürlich muß eine rigide Integrationspolitik auch für Russen und andere gelten. Wer sich in Deutschland ansiedelt, muß Deutsch lernen und muß die deutsche Kultur als die hier in diesem Lande real vorhandene Kultur und Rechtsnormen anerkennen. Türkischen Müttern z.B., die ihre Kinder im Kindergarten anmelden, muß ein Deutschkursus angeboten werden. Wer sich weigert, ihn zu besuchen, muß in sein Heimatland abgeschoben werden, ohne Rücksicht auf Geschlecht und auf die Hintergründe seiner Anwesenheit in Deutschland. Islamischer Religionsunterricht, wenn er denn notwendig sein sollte, muß in Deutscher Sprache stattfinden. Da wir meiner Meinung nach ein Einwanderungsland sind, müssen wir verstärkt auf die Qualität der Einwanderer achten. Wir können nicht jeden in unserer Land lassen. Humanitäre Maßnahmen sind besonders erfolgreich, wenn sie in dem jeweiligen Heimatland potentieller Einwanderer durchgeführt werden. Außerdem müssen wir uns vorrangig um einen fairen Handel mit allen Teilen dieser Erde bemühen. Verändern sich die sozialen Zustände positiv, dann findet auch nicht so viel Auswanderung statt.

Auf Seite 6 gebe ich einen Beitrag von Willy Wimmer wieder. Inzwischen ist die Bundeswehr im afghanischen Kundus, mitten unter den Warlords und den Drogenhändlern. Bundesregierung und Bundeswehr haben verkündet, sich in den dort praktizierten Mohnanbau und in den Drogenhandel nicht einzumischen. Schade! Unter Umständen könnten wir mit einem schwunghaften Drogenhandel, der nun von deutschen Soldaten geduldet, wenn nicht sogar geschützt wird, die Kosten unserer Landesverteidigung am Hindukusch (Originalton Bundesverteidigungsminister Struck) decken. So sind wir wieder die Deppen, die fremde Interessen und Profite, wie den Rauschgifthandel des CIA, schützen. Mehr als Schwarzer Humor fällt mir zum Schluß dieses Editorial nicht ein.

Diese Ausgabe ist die letzte Ausgabe im Jahre 2003. Ich danke Ihnen für Ihre Treue und hoffe, daß ich Sie wieder im Januar 2004 begrüßen kann. Ich wünsche Ihnen FROHE WEIHNACHTEN und ein glückliches, gesundes Jahr 2004. Bitte bestellen Sie Ihre Buchgeschenke zu Weihnachten bei mir. Sie können mich auch Online erreichen unter www.neuepolitik.com.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

Abgeschlossen 14. November 2003

 
     
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