Dieter Kersten - September 2004    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

einen Monat Pause und ich habe so viel Material zusammen, daß ich locker statt acht sechzehn Seiten füllen könnte. Es ist aber gut, wenn ich durch die acht Seiten gezügelt werde. Es wird sich erst beim Umbruch zeigen, ob in dieser Ausgabe alle vorhandenen Leserbriefe veröffentlicht werden können.

Übrigens, danke schön - für die Leserbriefe! Ich halte sie für äußerst wichtig! Ich hoffe immer, daß es zu Diskussionen kommt.

Der Beitrag auf Seite 2 ff.- Zum soundsovielten Mal: Palästina, Israel, die Massenvernichtungswaffen und der 3. Weltkrieg - ist vor allen Dingen in Zusammenhang mit den immer schärfer werdenden Auseinandersetzungen im Irak zu lesen. Kluge Leute hatten die US-Amerikaner vor dem irakischen Abenteuer gewarnt. Das Selbstbewußtsein der islamischen Welt ist ganz anders geartet, als es sich der Pseudo-Fundamentalismus des US-Präsidenten vorstellte. Auch das, was sich als us-amerikanische "Demokratie" präsentierte, ist kein Vorbild. Es gab auch kein "Machtvakuum" im Irak für die egoistischen Erdöl-Profitinteressen der us-amerikanischen Präsidentenlobby.

Es gibt, wie in den USA, auch im Irak Leute, die ihren kriminellen Impuls freien Lauf lassen. Dazu gehört mit großer Sicherheit der Schiiten-Führer Muqtada al-Sadr. Das er so viele militante Anhänger hat, ist auch dem sozialen Niedergang Iraks zuzurechnen.

Wenn es überhaupt zulässig ist, unter schlimm, schlimmer, am schlimmsten, zu unterscheiden, dann ist Muqtada al-Sadr sicher schlimmer als Saddam Hussein. Muqtada al-Sadr treibt Politik mit religiösem Wahn, siehe auch Bush, und das ist unerträglicher als alle anderen Motive. Bush hat mit seinem unsäglich kriminellen Krieg so etwas wie "die Büchse der Pandora" geöffnet.

Da die Weltpolitik noch lange mit Muqtada al-Sadr zu tun haben wird, wie vielleicht auch mit George W. Bush, zitiere ich einige wenige Sätze aus einem Gespräch, welches Lutz Herden mit dem irakischen Dichter Hamid Jassin über die Schlacht um Nadschaf und den Kampf der Kulturen in seinem Land in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 27. August führte: > Er (Muqtada al-Sadr) erscheint immer noch im Glanz seines Vaters, des Großayatollahs Mahammad Sadeq al-Sadr, der mit seinen beiden ältesten Söhnen 1999 vom Geheimdienst des Diktators ermordet wurde. Außerdem bedient er sich ständig der Sprache des religiösen Märtyrers - das blendet viele einfache Schiiten und erregt ihre Gemüter. Al-Sadr versteht es, in seinen Predigten die wirtschaftlichen Mißstände anzuprangern, unter denen viele Iraker leiden. Das geschieht in einer Sprache, die sehr einfach, genau genommen aber vulgär ist.< Welch eine Ähnlichkeit mit George W. Bush.

Zwischenbemerkung: Es hat auf der Redaktionssitzung eine erregte Diskussion darüber gegeben, ob ich berechtigt bin, Muqtada al Sadr zu kritisieren. Das Regime der US-Amerikaner sei so schlimm, daß es nur verständlich sei, daß Muqtada al Sadr und seine Leute sich wehren. Aber: Gewalt gebiert Gewalt und es gibt keinen gerechten Krieg - es gibt nur gewaltfreien Widerstand. Mir wurde entgegnet, daß das naiv sei.

Es ist vielleicht der einzige Verdienst von Bundeskanzler Schröder, daß er dem großen Führer Bush die Gefolgschaft im Irak-Krieg versagt hat. Um so mehr fällt auf, daß der gleiche Bundeskanzler sich nahezu anbietet (prostituiert), irakische Soldaten ausbilden zu lassen. Warum können wir nicht Frieden schaffen ohne Waffen, in dem wir mit irakischen Freiwilligen gewaltfreien Widerstand einüben. Widerstand sollte gegen jedes Gewalt-Unrechtssystem geleistet werden, auch wenn es von us-amerikanischen Gnaden existiert. Bei einem gewaltfreien Neuanfang wäre es möglich, den Irakern beim Aufbau einer friedvollen Gesellschaft zu helfen, indem wir Deutschen z.B. ein Technisches Hilfwerk zur Verfügung stellen. So eine militärfreie Hilfe könnte für die ganze Erde Beispiel gebend sein.

Es ist der ewige Konjunktiv, der mich quält! Die Menschheit wird eben immer noch vom Krieg und vom Töten anderer Menschen beherrscht.

So muß ich, auch angesichts des Beitrages auf Seite 2 ff., auf die chinesische Atomrüstung hinweisen. War sie in den letzten Jahrzehnten mehr oder minder defensiv ausgerichtet, so nimmt sie immer mehr offensiven Charakter an. Die Volksrepublik China verfügt über 120 landgestützte Raketen. Reichweiten zwischen 1800 und 5500 km, 12 JL1 - Raketen auf U-Booten, eine Reichweite von 1000 km, 130 luftgestützte Raketen, Reichweiten vom 400 km bis 3100 km, alle mit Atomsprengköpfen und 138 so genannte taktische Atomwaffen, Bomben, die von Flugzeugen "abgesetzt" werden können. Wenn ich nun schreibe, daß ich die israelischen Atomwaffen für weitaus gefährlicher halte als die chinesischen menschenmörderischen Waffen, dann hat das sicher etwas mit der räumlichen Nähe Israels zu Europa (Deutschland) , aber auch, nach aller Erfahrung mit israelischer Kriegspolitik, mit dem rigorosen und feindlichen Umgang vieler Israelis mit Menschen zu tun. Erdweite Abrüstungsvereinbarungen müssen her, ähnlich der Verträge und "vertrauenswirksamen Maßnahmen", die in Europa zum Fall der Mauer geführt haben. Unser Ziel sollte eine militärfreie Erde sein, ganz egal, wie lange verhandelt wird.

Der Beitrag Aufforderungen zu Gewalttaten in Filmen, Videos und Songtexten von Reinhard Welker in der Ausgabe Juli/ August 2004 hatte schon auf der damaligen Redaktionssitzung Bedenken erzeugt. Leser Carsten Krautwald hat dazu, denke ich, einiges geschrieben. Eine ideale pädagogische Verarbeitung von Gewalttaten, die in den Medien gezeigt werden, verlangen Eltern und/oder ein gesellschaftliches Umfeld, welche/welches in der Lage ist, sich mit Jugendlichen darüber zu unterhalten (auseinander zu setzen), um sich gemeinsam Medienkompetenz zu erarbeiten. Dabei muß erst einmal das Bewußtsein bei Eltern und ihren Umfeld für die Wichtigkeit dieser pädagogischen Arbeit vorhanden sein. Es gibt ja kaum echte Beratungsgremien, in denen darüber gesprochen werden kann. Es gibt die Obrigkeit mit ihren diversen Kommissionen, Ausschüssen udw., aber keine Nachbarschaftsversammlung als Beratungsort, in der Geschäftsinteressen keine Rolle spielen. Die sehr hilflose Frage ist doch, ob wir auf das Bewußtsein warten und inzwischen sehendem Auges zusehen müssen, daß inkompetentes Handeln unsere Kinder verdirbt oder ob obrigkeitsstaatliches Handeln gefragt ist? Verbote von Spielen und Büchern kann sehr schnell ausufern und auch zum Verbot des Kommentar-und Informationsbriefes NEUE POLITIK führen, wie ein Freund auf der letzten Redaktionssitzung sagte, indem er an unseren überwachungsgeilen Innenminister Otto Schily erinnerte. Ich stehe da "zwischen Baum und Borke". Es wäre sehr schön, wenn sich noch mehr Leser äußern würden.

Aber vielleicht gibt uns, dem Volk, der überraschende Schritt der SPD zu mehr Demokratie, d.h. zur Volksabstimmung, bald ein Werkzeug für Selbstbestimmung in die Hand. Warten wir es ab, ob die SPD Wort hält und wie das Grundgesetz geändert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

Abgeschlossen am 17. September 2004

 
     
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