Dieter Kersten - März / April 2005    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

seit wann gibt es eine nicht endende Steigerung politischer (sozialer und wirtschaftlicher) Verantwortungslosigkeit der politischen Klasse (= Obrigkeit) in Deutschland? Sie ist so alt, wie das Volk und die (Staats-) Bürger der politischen Klasse und ihrer Unfehlbarkeit Glauben schenkt. Im Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Kluge steht unter glauben u.a. folgendes: > Vermutlich gehört dieses Wort zu Laub in der Bedeutung, 'Laubbüschel als Futter und Lockmittel für das Vieh' und bedeutet dann ursprünglich 'zutraulich, folgsam, handzahm' (wie das Vieh, dem ein Laubbüschel hingehalten wird). <

Ich habe einmal erlebt, wie ein Landwirt einen kräftigen, mitten in seiner "Manneskraft" stehenden Bullen, den er per Hand aufgezogen hatte, zum Schlachthof brachte. Der Bulle wurde mit liebevollen Worten und Laubbüschel als Futter und Lockmittel in den Transportwagen gelockt. Als die Klappe zuging, schrie der Bulle und der gesamte Kuhstall (ca. 50 Rinder) antworteten ihm mit einem kollektiven Aufschrei. Das war sehr eindrucksvoll und ich muß schreiben, auch wenn es sentimental klingt, ich war zutiefst erschrocken und betroffen.

Besteht die Geschichte aus Transportwagen, in die wir ständig durch Laubbüschel als Futter gelockt werden, um dann auf die Schlachthöfe (Schlachtfelder = Krankheiten = Hunger) zu gelangen? Drehen wir uns im Kreis, wenn wir gleichzeitig fragen, was das ist, politische Klasse? Oligarchie? Obrigkeit? = "der Landwirt", der uns hochgepäppelt hat und der uns nun auf den Schlachthof fährt. Warum hinterfragen wir, die Bürgerinnen und Bürger, nicht ständig politische Entscheidungen, die ohne unser Mittun fallen? Warum fordern wir nicht alle, jede und jeder von uns, die Einrichtung einer Institution, wie z.B. die politische Nachbarschaft, mit der wir die Chance hätten, politische/wirtschaftliche Entscheidungen zu überprüfen und im Zweifelsfall wieder rückgängig zu machen? Es fällt doch auf, daß so ein Mensch wie Bundeskanzler Schröder immer mehr in den Ton verfällt, mit dem er eine Mitbestimmung selbst seiner eigenen Partei lächerlich macht. Oder denken Sie nur an die Figur des Menschen Müntefering, der anläßlich der schleswig-holsteinischen Landtags-"Wahl" Demokratie, ganz egal, was darunter zu verstehen ist, verhöhnt, indem er seinen politischen "Gegner", der die höhere Stimmenzahl hat, lächerlich macht.

Demokratie ist den meisten Menschen nicht nur sprachlich sondern auch inhaltlich ein Fremdwort (geblieben).

Die Menschen haben es sich im Clubsessel Deutschland bequem gemacht. Der Clubsessel ist die Sicherheit für die Oligarchie, nicht irgendwann mal unter die Guillotine zu geraten. Der Clubsessel ist Voraussetzung für Hartz IV und andere Zumutungen. Inzwischen kostet Hartz IV wahrscheinlich 6,3 Milliarden Euro mehr als die famose Regierung Schröder gerechnet hat. Pisa läßt grüßen! Hinzu kommt die Chuzpe der Gemeinden, die im Stil der Zeit betrügen, indem sie arbeitsunfähige Sozialhilfeempfänger widerrechtlich Hartz IV zuordnen, um Geld abzuzocken.

Selbstbestimmung ist nirgends gefragt; es entsteht z.B. keine hinreichend starke Bürgerbewegung, die eine Abstimmung über die europäische Verfassung verlangt. Diese Verfassung wird uns wieder von oben aufgezwungen und enthält als einen Hauptpunkt die Rüstungs- und Kriegspflicht eines jeden EU-Mitgliedes. Diese Kriegspflicht ist die Pflicht zur Teilnahme an Rohstoff-Verteilungskriegen in Afrika, Asien und in Latein-Amerika.

Weil wir die politische Klasse gewähren ließen und lassen, sind wir, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Deutschland an der immer noch steigenden Arbeitslosenzahl, an der fortschreitenden Deindustrialisierung Deutschlands (außer Auto- und Rüstungsindustrie), an der Überalterung, an der kulturellen Beiläufigkeit und vieles andere mehr, selber verantwortlich. Die politische Klasse hat, von uns ungehindert, internationale Verträge geschlossen, die dem gesunden Menschenverstand Hohn sprechen.
Dabei ist es einerlei, ob die politische Klasse unfähig ist, die Interessen des Volkes zu vertreten, oder nur die Interessen einer Oligarchie vertritt. Wir müssen uns eine Organisationsform der direkten, unmittelbaren Mitsprache ("direkte Demokratie") schaffen, außerhalb der Parteien.

Auf Seite Drei finden Sie einen Beitrag von Horst-Eberhard Richter, den ich für wert halte, möglichst weit verbreitetet zu werden. Schon allein die Überschrift gefällt mir. Mühe habe ich, Horst-Eberhard Richter bei seiner positiven Betrachtung der Religionen zu folgen. Es gibt leider keine gemeinsame Wertewelt der drei monotheistischen Religionen. Sehen Sie sich die "heiligen Bücher" der drei Weltreligionen an. Es gibt lediglich einzelne Persönlichkeiten, die Kraft ihrer ganz eigenen Einsicht die Inhalte der "heiligen Bücher" in Werte umwandeln, die gemeinsam sein können. Wir müssen daran arbeiten, daß die Völker aus einer Summe solcher Persönlichkeiten bestehen. Wir sind weit davon entfernt. Horst-Eberhard Richter zitiert auch Einstein, Hiroshima und Nagasaki. Da fällt mir anläßlich des 60. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz nur ein, ohne, um Gottes willen, es auch jemals vergleichen zu wollen, daß die Leiden der Nachkommen der Opfer der Menschenrechtsverletzungen durch den Atombombenabwurf möglicherweise Jahrhunderte andauern werden. Es werden immer noch radioaktiv geschädigte Menschen geboren. Die Abwürfe der Bomben werden heute noch in den Vereinigten Staaten gefeiert.

Horst-Eberhard Richter hat die Iran-Politik wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Natürlich darf es keine Atomwaffen-Macht Iran geben. Aber es wäre richtig und wichtig gewesen, wenn Bundeskanzler Schröder in Mainz dem US-Präsidenten Bush vorgeschlagen hätte, daß die Nationen gemeinsam Israel auffordern, auf seine Atomwaffen zu verzichten. Israel läßt keine Kontrollen zu. Israel hat nicht nur dem Iran mit Atomwaffen gedroht, sondern auch Europa. Israel ist die größere Atomkriegsgefahr! Die Losung muß lauten: das Heilige Land muß atomwaffenfrei werden. Jahve, Gott und Allah, da bin ich sicher, stehen hinter dieser Forderung.

Und was ist mit den Atomwaffen der Vereinigten Staaten selber? Es gibt keine auserwählten Völker oder Staaten. Um mit der Sprache des bigotten US-Präsidenten zu reden: das "Böse" ist überall. Ich sehe Bush mit Teufelshörnern und Pferdefuß, wenn ich sein Lachen höre und sein Grinsen sehe. Dieser Teufel ist in Mainz gewesen. Die Gullys waren verschweißt und die Menschen durften nicht an ihre eigenen Wohnungsfenster oder auf den eigenen Balkon gehen. Die Eigentumsrechte wurden verletzt; die Eigentümer von Garagen wurden aufgefordert, diese zu leeren und die Türen offen zu lassen. Eine Teufelsaustreibung aber hat nicht stattgefunden!
Die nächste Ausgabe erscheint im Mai 2005.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

Abgeschlossen am 11. März 2005

 
     
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