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Liebe
Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
Ein Leser hat mich gebeten, das neue Jahr mit einer positiven
Bemerkung über unsere höheren Bundesgerichte zu beginnen. In
der Dezember-Ausgabe hatte ich einen Beitrag von Jürgen Rose abgedruckt,
der über den Freispruch des Bundeswehrmajors Florian Pfaff vom Vorwurf
der Gehorsamsverweigerung durch den Zweiten Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichtes
berichtete. Es ging darum, daß sich Herr Pfaff geweigert hatte,
mit seiner dienstlichen Aufgabe bei der Bundeswehr den Irak-Krieg zu unterstützen.
Er war degradiert worden und mußte die Ochsentour durch alle Instanzen
durchlaufen, bis ein hohes Gericht ihn freisprach, und zwar mit der Begründung,
daß jedes Engagement der rot/grünen Bundesregierung für
den Irak-Krieg verfassungswidrig war.
Höhere Gerichte in Deutschland sprechen und schaffen Recht, weil
„Politik“ und „Ministerialbürokratie“ nicht
nur unfähig sind, Gesetze ordentlich zu formulieren, sondern auch,
weil sich die „Politik“ immer mehr von der „freiheitlich-demokratische
Grundordnung“ (Verfassung und „Geist der Verfassung“)
entfernt.
Florian Pfaff konnte sich die Ochsentour durch die Instanzen leisten.
Der normale Bürger kann das oft genug nicht. Es fehlt ihm das Geld,
die Zeit und das Vertrauen. Wenn Recht erst durch ein Bundesgericht möglich
ist, dann ist etwas faul an unserer Rechtsordnung. Diese Rechtsordnung
ist, wie vieles in diesem Staat, zu erneuern. Rolf Gässner berichtet
auf Seite 2 ff. in seinem Beitrag „Schäubles Horrorliste“,
über die Verstrickungen deutscher Politik in die weltweiten CIA-Folter-Aktionen.
Mein anschließender Beitrag Eine not- wendige Ergänzung
von „Schäubles Horrorliste“ ist ein Fragment.
Ich habe festgestellt, daß die Zahl der Regierungen, die blind und
ohne Eigenkontrolle us-amerikanischer Vorgaben folgen, so groß ist
wie nie zuvor. Es wird kaum ein Land auf dieser Erde geben, in dem Folter
unmöglich ist.
Es gibt weltweit ein Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen an dem
einzelnen Menschen, wie schon lange nicht mehr. Waren früher eher
Gruppen und/oder Völker betroffen, so ist es heute der einzelne Mensch.
Dieser einzelne Mensch hat wenig Rückhalt in einer Gesellschaft,
die, wie in Deutschland, fünfzig Jahre auf Wohlstand trainiert worden
ist. Es ist das Menschenbild, was im Glanz der Schaufenster verzerrt worden
ist und welches Folterer, Lauscher, Kontrolleure und Parteipolitiker geprägt
hat.
Trotzdem gibt es Erfreuliches zu berichten: In den USA verbreitet sich
außerhalb und sogar innerhalb der Republikanischen Partei immer
mehr die Auffassung, daß der „Kampf gegen den Terror“
lediglich der Aufhänger für eine Entdemokratisierung des Landes
und für eine menschenfeindliche Weltherrschaft der Großkonzerne
ist. Immer mehr Menschen machen sich mit dem Wissen vertraut, daß
die Herrschenden für diesen „Terror“ selbst verantwortlich
sind. Immer mehr Landkreise und Bundesländer in den USA wehren sich
gegen die Zumutungen der Bundesregierung in Washington D.C., die Freiheits-
rechte einzuschränken. Wir sollten uns mit diesen mutigen Menschen
verbünden.
Mohssen Massarrat, Professor an der Universität Osnabrück, hat
in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 14. Oktober 2005 seinen Beitrag >
Große Koalition nur auf Zeit < mit folgendem Ausblick enden lassen:
> Die zahlreichen kleinen Zirkel der Zivilgesellschaft müßten
ihre alternativen Ideen und Projekte jetzt offen zur Diskussion stellen.
Mit einer erstarkten Zivilgesellschaft ist es durchaus möglich, alsbald
- in einem Jahr, vielleicht auch in zwei Jahren - eine rot-rot-grüne
Regierung mit einem sozial-ökologischen Programm, das an den Menschen
orientiert ist, durch- zusetzen, notfalls durch Neuwahlen.. ....<
Der Kommentar- und Informationsbrief versucht immer wieder, seine Beiträge
zur politischen Neuordnung in das öffentliche Bewußtsein zu
rücken (in dieser Ausgabe auf Seite drei ff.). Die alternativen Ideen
und Projekte können aber eben deshalb nicht offen zur Diskussion
gestellt werden, weil sich die (Massen-) Medien verweigern. Ich hatte
anläßlich der Bundestagswahl die Frage an die Bundestagskandidaten
empfohlen: Sind Sie bereit, im Bundestag ein Gesetz einzubringen, mit
dem die Medien veranlaßt werden, regelmäßig eine angemessene
Zeit bzw. einen angemessenen Platz für die Darstellungen von unkonventionellen
wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen, kulturpolitischen und demokratischen
Alternativen ohne jede Zensur zur Verfügung zu stellen? „Die
staatstragende Politik“, soweit sie überhaupt antwortete, lehnte
dieses Ansinnen mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit ab. Wir müssen
also noch ein wenig kämpfen, sehr geehrter Herr Massarrat, um Foren
für eine wirklich öffentliche Diskussion zu schaffen. Außerdem
bezweifle ich, daß eine rot-rot-grüne Regierung mit der vorhandenen
Personaldecke alternative Ideen und Projekte durchsetzen kann. Wir brauchen
eine neue politische Ordnung, politische Nachbarschaften (Runde Tische),
mit denen der Bürger nicht nur die vorhandenen Parteien und die darüber
hinausgehenden Machtstrukturen kontrollieren, sondern seine politisch-soziale
Ordnung selbst bestimmen kann.
Also, Bürger, Hartz IV-Empfänger, Rentner und Pensionäre,
ran an die politische Front, tun Sie etwas für die Zukunft, bilden
Sie überschaubare Gemeinschaften (Nachbarschaften). Nehmen Sie den
Bundespräsidenten und die Bundeskanzlerin beim Wort und setzen Sie
in eigener Initiative neue politische, wirtschaftliche und soziale Ideen
durch.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
( abschlossen am 13. Januar 2006)
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