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Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
mein Beitrag auf Seite 2 über den Kongo, und den deutschen Militäreinsatz dort, nimmt leider sehr viel Platz ein. Die Propagandamaschine läuft wie geschmiert. Der Tenor: die deutschen Soldaten werden von der Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo mit Freuden erwartet. Die Menschen dort haben es satt, täglich ihre Rechtlosigkeit, den Hunger und die Aussicht auf eine verzweifelte Zukunft zu erleben und greifen nach jedem Strohhalm. Was passiert aber, wenn deutsche Soldaten meinen, auf Kongolesen schießen zu müssen? Die Kugeln treffen immer Gerechte (Kindersoldaten?) und Ungerechte gleichermaßen. Die deutschen Soldaten sind im Kongo nur Marionetten fremder (Rohstoff-)Interessen. Oder sind das auch „eigene“ Rohstoffinteressen? Was ist das: „eigene“ Rohstoffinteressen? Wer bestimmt, was „eigene“ Rohstoffinteressen sind? Das bundesdeutsche Volk? Wo und wie ist das „Interesse“ mit diesem Volk besprochen worden?
Auf Seite 4 und 5 (Buchbesprechung) finden Sie etwas zum Thema Demokratie. In den letzten Wochen und in der öffentlichen Diskussion hat die Pressefreiheit als wesentlicher Teil von Demokratie durch die Enthüllungen über die Arbeitsweise des Bundesnachrichtendienstes (BND) einen besonderen Stellenwert erhalten. Keine Frage: der BND hat durch die konspirative und zum Teil hochbezahlte Aushorchung von Journalisten durch Journalisten das hohe Gut der Pressefreiheit mißbraucht. Der zur Zeit geltende „soziale Standard“ der „Geldgeilheit“ hat diesen Jahrtausende alten Trend der Ausspitzelung des Bürgers beflügelt. So wichtig die Diskussion darüber ist, so sehr müssen wir wissen, daß „Überwachung und Ausgrenzung“ in diesem Jahr durch die Fußball-Weltmeisterschaft mehr denn je Staatsraison geworden sind. Beteiligt daran sind nicht nur der BND, sondern auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die Verfassungsschutzämter auf Landes- und Bundesebene. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie schreibt u.a. dazu in seinen Informationen März 2006: > Die Fußballweltmeisterschaft muß sicher nicht alle interessieren. Unserer Aufmerksamkeit sollte aber darauf gerichtet sein, wie diese Spiele zum Ausbau der Überwachungstechniken, zur Ausgrenzung unerwünschter Personen und zur Vorbereitung des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren genutzt wird. <
> Nirgendwo ist das Mißtrauen so groß und die Wertschätzung der Führenden so gering wie in Deutschland < schreibt Alois Glück (Seite 5, Buchbesprechung). Na klar, warum sollte der Bürger auch Vertrauen haben?
Am 1. Juni wurde der bisherige Generalbundesanwalt Kay Nehm von Monika Harms abgelöst. Ich hörte dazu am 30. Mai im Info-Radio Berlin-Brandenburg einen Kommentar, den ich, obwohl sonst „alle“ Sendungen im Internet unter www.inforadio.de dokumentiert werden, dort nicht mehr vorfand. Der Sprecher lobte den parteiunabhängigen Kay Nehm und stellte fest, daß die Bundesanwaltschaft mehr oder minder weisungsgebunden ist bis zur Abfassung von Pressemitteilungen. Weiter hieß es, daß Kay Nehm ständigen Pressionen der „Politik“ ausgesetzt war, bis zu Einflußnahmen, welcher „Spezi“ der Parteipolitiker angeklagt werden darf oder nicht. Auch hier muß ich Herrn Alois Glück wieder die Frage stellen, ob die Vertrauenskrise, die zwischen der „politischen Klasse“ und dem Bürger schon lange existiert, nicht mehr als berechtigt ist, denn hier werden eherne Grundsätze von Demokratie und Verfassung verletzt.
Ich will noch einmal auf die BND-Affäre zurückkommen. Sie ist eine, ich bin versucht zu schreiben - gelungene - Ablenkung von den CIA-Flügen und der öffentlichen Diskussion über us-amerikanische Folterorte und -methoden. Im österreichischen INTERINFO stehen auf Seite 1, Ausgabe April 2006 folgende Sätze > Eine der schlimmsten Folgewirkungen weltweiten US-Krieges gegen den „Terror“ ist die weltweite Aushöhlung der rechtsstaatlichen Grundlagen. Dabei geht es nicht nur um die drastischen Einschränkungen der persönlichen Freiheiten - in den USA diskutieren „Intellektuelle“ seit Jahren bereits öffentlich über die Wiedereinführung der Folter, während US-Geheimdienste und amerikanische Soldaten diese längst in aller Welt praktizieren <.
Die „Globalisierung“ bringt nicht nur eine Nivellierung („Vereinheitlichung“) wirtschaftlicher Tätigkeiten, von Kulturen in allen Bereichen, sondern auch eine Internationalisierung von GPU-, Gestapo-, Stasi-, CIA- und BND-Praktiken. Die Nennung von „Organisationen“ kann beliebig vermehrt werden.
Diese Vereinheitlichung aller Lebensformen ist auch ein europäisches Anliegen. Ausnahmen darf die Brüsseler Bürokratie nicht mehr zulassen. Freiheit wird zum Unwort, der Inhalt des Begriffes wird von der politischen Klasse und ihren Institutionen, wie dem BND, als Vergehen, wenn nicht als Verbrechen angesehen.
Aber es gibt auch Erfreuliches zu berichten: Im Newsletter von OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE vom 24. Mai fand ich unter Punkt eins folgendes: > Am 11. Mai debattierte der Bundestag in erster Lesung über drei Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen zur Einführung bundesweiter Volksabstimmungen. Dabei wurde die kürzlich gestartete „Aktion Volksabstimmung!“ (siehe Kommentar- und Informationsbrief Ausgabe Mai 2006) durchaus zur Kenntnis genommen. So hielt der Redner der SPD, Maik Reichel, eine Aktionskarte in die Höhe und erwähnte auch den offenen Brief des OMNIBUS, der am Tag zuvor allen Bundestagsabgeordneten zugeleitet worden war. Reichel: „Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, haben vor wenigen Tagen Post von der Aktion Volksabstimmung erhalten, die sich für die Einführung von Volksabstimmungen stark macht. Die heutige Debatte wird längst nicht mehr nur auf innerparlamentarischer Ebene geführt“. Diese Aussage stellt zwar eine leichte Verkennung der Tatsachen dar. Als sei das Parlament der Quellpunkt der Demokratieentwicklung und die Bürgerinnen und Bürger würden sich nun auch dafür interessieren. Doch immerhin. In der Aussprache befürworteten alle Redner bis auf die der Unionsfraktion mehr direkte Demokratie. So sieht der CDU-Abgeordnete Ingo Wellenreuther eine „Gefahr der weiteren Abwertung des Parlaments“. Das hänge unter anderem mit der gestiegenen Neigung zusammen, politische Debatten in Talkshows anstatt im Plenum des Bundestages auszutragen. Kämen noch Plebiszite hinzu, dann wären „die großen Stunden des Parlamentes“ Vergangenheit, fürchtet Wellenreuther.<
Ist das wirklich ein so großer Verlust?
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten
(Abgeschlossen am 16. Juni 2006)
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