Dieter Kersten - September 2006    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

meistens habe ich Platzmangel für viele Meinungsäußerungen, Texte und Ideen. Die Begrenzung auf acht Seiten für jede Ausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes fokussiert mich und den Leser jedes mal auf wenige Themen. Die Begrenzung hat zur Folge, daß ich manchmal mir wichtig oder auch nur interessant erscheinende Teile eines Textes weglassen muß. Meine nachstehende Bemerkung zu dem während der Fußballweltmeisterschaft inflationär benutzten Wort Stolz gehört dazu. Ein Freund verwies mich auf das Etymologische Wörterbuch, in dem unter stolz folgendes steht: > gebräuchlich etwa seit dem 12. Jahrhundert, mittelhochdeutsch, auch mittelniederdeutsch stolt, altfriesich stult, Herkunft unklar - vielleicht zu Stelze im Sinne von ‘hochtrabend’. Auch eine Entlehnung aus lateinisch stultus ‘töricht“ ist denkbar, setzt aber einen ungewöhnlichen Bedeutungswandel voraus. < Ist das nicht interessant?! Aber bitte, keine Panik. Wenn Ihnen das Wort Stolz wichtig ist, so sollten Sie einen ungewöhnlichen Bedeutungswandel voraussetzen. Sehr schlimm würde ich es empfinden, wenn meine Leserinnen und Leser beckmesserisch tätig werden und jedem, der das Wort Stolzverwendet,über den Mund fahren würden.

Es scheint mir sehr  einfach zu sein, den textlichen und gedanklichen Übergang von der etymologischen Prüfung des Wortes/ Begriffes Stolz auf ein Thema wie den Krieg im Nahen Osten - Palästina, Israel und Libanon - zu schaffen. Oder ist es nicht so, daß der Begriff Stolz im deutschen Sprachgebrauch eng mit dem Militärischen verbunden ist? Wer kann im Nahen Osten auf etwas stolz sein?

Der Libanon-Krieg der vergangenen Wochen ist bewußt von Ehud Olmert, dem israelischen Premierminister,  „vom Zaun gebrochen worden“. Die entführten Soldaten waren nur Anlaß und Werkzeug von langer Hand angelegten strategischen Überlegungen der USA.

Die Hisbollah ist die wichtigste politische Partei der Bürger schiitischen Glaubens im souveränen Staat Libanon. Sie hängt der gleichen Glaubensrichtung an, wie die Machthaber in Teheran bzw die Mehrheitsbevölkerung des Iran. Die Bewaffnung der Hisbollah ist nicht innerhalb weniger Tage vom Himmel gefallen, sondern ist das Ergebnis eines jahrelangen politischen Prozesses. Alle wußten Bescheid.

Die  palästinensische Partei Hamas ist in einer beispiellosen „partei-demokratischen“ Wahl von der Mehrheit der palästinensischen Bürger gewählt worden. Diese Wahl war mit Sicherheit demokratischer als die Wahl des George W. Bush zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Nachdem die Mehrheit der palästinensischen Bürger im Vertrauen auf die demokratische Rhetorik ihrer demokratischen „Vorbilder“ in EU und USA „falsch“ gewählt hatten, wurde ihnen, unter Führung der deutschen Regierung, alle international zugesagten finanziellen Unterstützungen gekürzt. Unbotmäßigkeit muß bestraft werden! Die Hamas wird offiziell von Syrien aus unterstützt. Sie ist aus den in fast allen arabischen Staaten wirksamen Moslembruderschaften hervorgegangen. Vermutlich ist ihre finanzielle Basis viel breiter als die der Hisbollah. Das ist alles nichts Neues! Alle wissen Bescheid!!

Ehud Olmert & Co. sind, wie Angela Merkel u. a., Werkzeuge und Mittäter einer us-amerikanischen Hegemonie-Politik, die es in diesen geografischen Breiten und Längen nach wie vor auf die Rohstoffe im Iran abgesehen hat, ohne Rücksicht auf menschliche Verluste. Alle anderen Gründe sind geworfene Nebelkerzen. Das sieht man schon daran, daß es den israelischen, indischen und pakistanischen Freunden us-amerikanischer Politik durchaus gestattet ist, Atomkraftwerke zu betreiben und Atomwaffen zu bauen.

Glücklicherweise gibt es noch Medien, die z. B. die Verwendung von Streubomben im Libanonkrieg bekanntmachen. Zehntausend Geschosse sollen nicht explodiert sein und als Dauerbedrohung in der libanesischen Landschaft liegen. Wir sollten festhalten, daß der UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinen Gesprächen im nahöstlichen Kriegsgebiet gesagt hat, daß dem Krieg mehr Kinder als Kämpfer zum Opfer gefallen sind. Kofi Annan hat zur Ächtung der Streubomben aufgerufen. Merkel würde etwas für eine politische Moral  und Kultur tun, wenn sie einen Untersuchungsauschuß fordern würde, auch auf die „Gefahr“ hin, daß unter Umständen die israelische Regierung, die israelischen Generale und die Lieferanten der Streubomben vor ein internationales Kriegsgericht gestellt werden. Den unklaren Informationen nach ist Deutschland auch ein Hersteller-Land für diese Waffe.
Das Ablenkungsmanöver scheint perfekt zu funktionieren. Statt nun endlich mal die Verantwortlichen für Mord und Totschlag (Krieg) festzustellen, wird mit großem Tamtam eine „Geberkonferenz“ organisiert, auf der die Regierungen großzügig die Steuergelder ihrer Bürgerinnen und Bürger (indirekt) der Finanzierung des internationalen Waffenproduktion und des Waffenhandels und den damit verbundenen Kriegsabsichten zur Verfügung stellen. Ich hoffe, Sie verstehen mich recht: Natürlich muß den geschädigten Menschen vor Ort geholfen werden, aber welchen Sinn hat das, wenn im Fall Libanon zum soundsovielten Mal die Menschen die Kriegsfurie ertragen müssen und wir Bürger in Deutschland zusehen.

Genau der gleiche Wahnsinn wird mit der Stationierung von „Friedenstruppen“ getrieben.

Mit diesem Trick bundesdeutscher Teilhabe, einschließlich der Stationierung bundesdeutscher Marine vor der libanesischen Küste, ist Deutschland fest eingebunden worden  in die Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Iran. Bundesdeutsche Marine und eine erwogene Lufterkundung der deutschen Luftwaffe und die Verkettung mit den internationalen Truppen an der libanesisch-israelischen Grenze machen eine zügellose israelisch-us-amerikanische Kriegsführung gegen den Iran möglich.

Ist Ihnen übrigens aufgefallen, daß der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert versucht, die Zusammensetzung der internationalen Truppen auf libanesischem Gebiet mitzubestimmen? Ein Täter bestimmt, wie die Opfer zu schützen sind?

Auf den Seiten 2 + 3 dokumentiere ich einen Beitrag von Tony Judt und Uri Avnery aus der Wochenzeitschrift FREITAG. Beide Beiträge müssen zwingend der Ausgangspunkt für Frieden in Palästina/Israel werden.

Ich habe zu Israel/Palästina schon mehrere Beiträge geschrieben. Sie finden auf meiner Webseite www.neuepolitik.com unter der Rubrik „Politik“  im September 2004 den Beitrag > Zum soundsovielten Mal: Palästina, Israel, die Massenvernichtungswaffen und der 3. Weltkrieg <. Nicht-Internetbenutzer erhalten diesen Beitrag auf Anforderung gerne ausgedruckt und kostenlos zugeschickt.

Auf Seite 4 finden Sie als Fortsetzung dieses Editorials Friedensvorschläge für den Nahen Osten.

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Kersten

(abgeschlossen am  15. September 2006)

 
     
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