Dieter Kersten - Mai 2007    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

in der Wochenendbeilage der Tageszeitung junge welt vom 24./25.  Februar 2007 wurde ein Interview mit dem us-amerikanischen Schriftsteller Gore Vidal abgedruckt. Gore Vidal ist ein Onkel von Al Gore, dem allseits bekannten Umweltaktivisten und Präsidentschaftskandidat bei den letzten Wahlen in den USA.  Die Überschrift, die die Zeitung dem Interview gab, lautete > Am 11. September gab es einen Staatsstreich <.  Ich will nur einen ganz kleinen Teil wiedergeben, und zwar zuerst die Frage und dann die Antwort: > Eine CBS-Umfrage hat unlängst festgestellt, daß 75 Prozent der US-Bürger die Haltung der Regierung im Irak mißbilligen, während der Index für das Ansehen des Präsidenten auf historische Tiefststände gefallen ist. Wird Bush einmal als der meistgehaßte Amtsinhaber in der Geschichte der USA angesehen werden? < > Die Neokonservativen – das Wort, das man früher in bezug auf sie benutzte, war Faschisten – wollten die gesamte Macht, damit die Gas- und Petroleumvorstände die Hände frei haben, um ihre Konzerne weiter zu bereichern und die Verfassung bis zu einem Punkt manipulieren zu können, an dem diese keine Bedeutung mehr hat. Sie wollten die höchste Macht, und sie bekamen sie, und zwar unter einem weiteren Umstand, der sie begünstigte: Wir haben einen Präsidenten gewählt, der ihnen gegenüber wehrlos ist; einen wirklichen Trottel, im Wortsinne einen Trottel. Wenn das us-amerikanische Volk eine wahrhaft freie Presse und wachsame Massenmedien gehabt hätte, wäre dieser Mann niemals gewählt worden. Er ist schlicht inkompetent. Wir haben schon viele einfältige Präsidenten gehabt, aber Bush kann noch nicht mal richtig lesen. Wenigstens was das anbelangt, ist er repräsentativ. Du hörst ihn zehn Minuten reden und es ist völlig klar, daß er nicht weiß, wovon er spricht. Er versucht verzweifelt den Zeilen des Teleprompters zu folgen. Ohne irgendeinen seiner Berater an der Seite, vermag er keine Fragen zu beantworten. Seit Woodrow Wilson 1921 das Oval Office verließ, hat kein Präsident mehr seine Reden selbst geschrieben. Der Präsident trägt vor, was andere ihm diktieren. Manchmal ist er einverstanden, manchmal nicht. Wenn Eisenhower seine Reden verlas, machte er ständig neue Entdeckungen. Während seiner ersten Wahlkampagne war das Land völlig verblüfft als er, mitten in seinem Vortrag sagte: »...und wenn ich gewählt werde, dann gehe ich nach... Korea?!« Er war richtig wütend. Niemand hatte ihm vorher irgend etwas von diesem Versprechen gesagt. Aber, wie auch immer, er ging nach Korea. Wenn wir Medien hätten, die sich für die Republik und nicht für ihre Gewinne interessierten, wäre die Geschichte anders verlaufen. Es gibt da etwas Hoffnung. Letztlich hat Al Gore die Wahl von 2000 nach der öffentlichen Zählung mit einem Vorsprung von 600.000 Stimmen auf Bush gewonnen. Erst das Eingreifen des Obersten Gerichts und der Trick mit der Stimmenauszählung haben die Wahlresultate dann verfälscht. Wir haben uns von heute auf morgen in eine Bananenrepublik verwandelt, ohne überhaupt Bananen zum Verkaufen zu haben. <

Mit diesen Worten bekommen Sie vielleicht eine Vorstellung davon, in welchen Spannungsfeld wir Europäer leben und welche Bedeutung Rußland für den Frieden in der Welt haben könnte. Am 16. April 1922 (also vor 85 Jahren) haben der damalige Außenminister des Deutschen Reiches, Walther Rathenau, und sein russischer Amtskollege Grigori Wassiljewitsch Tschitscherin von der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik in Rapallo einen Vertrag unterzeichnet, der nahezu schlagartig die beiden Mächte Rußland und Deutschland in das Bewußtsein der Weltöffentlichkeit zurückbrachte. Der Vertrag normalisierte die Beziehungen der beiden Staaten, die mit ihm ihre internationale Isolation durchbrechen wollten, und sollte die Verhandlungsposition des Deutschen Reiches gegenüber den Westmächten stärken. Mit dem Deutschen Reich, dessen alleinige Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs der Frieden von Versailles konstatiert hatte, und dem kommunistischen Rußland schlossen sich zwei Geächtete der damaligen internationalen Politik zusammen.

Bis heute spricht man vom „Rapallo-Komplex“, wenn man das Mißtrauen meint, das in den Ländern der westlichen Hemisphäre entsteht, sobald Deutschland sich zu sehr auf Rußland zubewegt. Dieser Komplex wurde zuletzt beschworen, als die Regierung Schröder die Achse „Paris-Berlin-Moskau“ propagierte, aber auch im Zusammenhang mit Willy Brandts Ostpolitik nach 1970 spielte diese Furcht vor einer Wiederholung der Ereignisse von 1922 eine große Rolle.

Auf Seite 6 finden Sie unter der Überschrift  Die Raketen und Rußland einiges zu diesem Thema in unserer Zeit. Möglicherweise gehört auch der Beitrag auf Seite 5 „Kerls, wollt ihr ewig leben“ dazu. Fast „vergessen“ habe ich in dieser Ausgabe, auf die destruktive Politik Israels zu verweisen, welches mit seinen Atomwaffen zumindestens den „Schurkenstaat“ Iran provoziert. Es ist auch kaum, nein, es ist gar nicht zu verstehen, daß der eine Staat eine Atomindustrie einschließlich der völkervernichtenden Waffen haben darf und der andere nicht. Wichtig ist die Forderung nach der totalen Abrüstung, insbesondere der Massenvernichtungswaffen, beginnend bei den Atom-Großmächten, zügig fortlaufendbei den Mittel- und Kleinmächten. Ich gehe noch weiter: Atom“Energie“ sollte generell geächtet werden. Wir haben genug Möglichkeiten, Energie zu sparen und Energie naturgemäß zu erzeugen. Wir brauchen keine „Atomspaltung“ mit ihrer nicht zu kontrollierenden Radioaktivität. Wir brauchen neue Energie-Ideen ohne wissenschaftliche Scheuklappen.

Als einziges, wirklich innenpolitisches Thema finden Sie auf Seite 2 ff. einen „schmissigen“ Beitrag von Wolfgang Berger Geld muß fließen. Dieser Beitrag ist sozusagen ein Kontrastprogramm zu den immer zahlreicher durchgeführten Streiks und dem Zank und Streit in der Regierung um das vermeintlich bessere Sozialmodell. Wir sollten in die Zukunft blicken und die Themen unserer Ideenbringer, wie z.B. Werner, Gesell, Mahraun und Steiner, praxisnah diskutieren.

Liebe Leserinnen, lieber Leser! Ich möchte, um die Kontakte zu vertiefen, Anregungen zu erhalten und zu geben, einen Stammtisch NEUE POLITIK ins Leben rufen. Dieser Stammtisch ist eine ganz private Einrichtung. . Er darf nicht viel Arbeit machen; er muß so effektiv wie nur möglich sein. Er soll ein Ideen-Stammtisch sein. Ich werde ihn, wenn er zustande kommt, nach Absprache alle sechs Wochen zusammenrufen, nach Bedarf auch öfter. Er wird neben der Redaktionskonferenz stattfinden. Vermutlich wird sich der Stammtisch in meiner Wohnung in Berlin-Wilmersdorf treffen. Bitte melden Sie sich bei Interesse bei mir: Tel. Berlin 822 52 11.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

( abgeschlossen am 11. Mai 2007)

 
     
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