Dieter Kersten - Juli / August 2011    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

alle militärpolitischen Planungen und Äußerungen der Bundesregierung 2011 führen unvermeidlich zu der Tatsache, daß die Bundeswehr stärker als je zuvor zu einer Interventionsarmee entwickelt werden soll. Es fällt auf, daß keine Partei des Bundestages laut und vernehmlich gegen die Militarisierung der Politik protestiert. Das Grundgesetz, welches nur von Verteidigung spricht, wird von allen Parteien nicht mehr geachtet. Es finden auch keine Grundsatzdiskussionen im Bundestag statt. Ex-Bundespräsident Köhler wurde zurückgetreten, weil er vorschnell verkündete, daß die Bundeswehr dazu da ist, die wirtschaftlichen Interessen der BRD weltweit durch Intervenierung zu schützen. Auch stelle ich fest, daß die Bürger zwar gegen Atomkraftwerke und Stuttgart21 demonstrieren, aber nicht gegen den forcierten Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee. Ein geringer Lichtblick war, daß die Bundesregierung beschloß, den Luftkrieg gegen Libyen und seinen Herrscher Gaddafi nicht zu führen.

Die herrschenden politischen und wirtschaftlichen Doktrinen verlangen, daß Rohstoffe nur durch „Heiße“ und „Kalte“-Kriege, durch das Anstiften von religiösen und rassistischen Feindseligkeiten, und durch „Teile und Herrsche“ für die Industriestaaten geschützt bzw. gewonnen werden können.  Eine friedliche Weltordnung der gegenseitigen Teilhabe an den Wohltaten dieser Erde ist nicht vorgesehen, ja, sogar nicht erwünscht. Die Toten unserer zum Teil weltweiten Auseinandersetzungen im 19., 20. und 21. Jahrhundert sind die Opfer zügellosen wirtschaftlichen Wettbewerbs und Profitstrebens und einer nahezu abartigen Vorstellung von „Wohlstand“ geworden.

Ich bin nach wie vor für einen Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO, für die Auflösung der Bundeswehr und für den Ausbau eines Technischen Hilfswerkes zu einer Organisation, die weltweit bei Katastrophen helfen kann, mit und ohne Bezahlung.

Die Globalisierung der Weltwirtschaft ist gescheitert. Die Globalisierung würde vielleicht funktionieren, wenn überall die gleichen Gesetze für Wirtschaft und Handel gelten würden. Die Globalisierung der Wirtschaft würde vielleicht funktionieren, wenn Produktion und Handel nirgendwo subventioniert werden, auch nicht innerhalb von Staatengruppen. Zölle sollten abgeschafft werden.

Die Globalisierung hat zu einem ungeheuren Schub an Reichtum von nur wenigen Menschen geführt. Dieser Reichtum beruht nicht mehr auf technischem Ideenreichtum, auf persönlichem Fleiß und auf produktions-geschäftlicher Geschicklichkeit, sondern im wesentlichen auf einen Geldhandel, der nichts weiter als Betrug bedeutet. Geld arbeitet nicht.

Deshalb sind die jetzigen Geld-“Besitzer“ meistens anonym. Sie sind nicht vergleichbar mit Rathenau, Stinnes, Krupp und Edison.

Wir müssen eine neue Form eines wirtschaftlichen Miteinanderlebens finden, jenseits vom Kapitalismus und Sozialismus. Silvio Gesell, Rudolf Steiner und einige mehr haben Hinweise auf Lösungen gegeben. Was tun eigentlich unsere hochbezahlten Wirtschaftswissenschaftler den ganzen Tag? Sie sind ver- pflichtet,   uns, dem Volk, eigenermaßen verständliche Vorschläge zu machen.

Eine friedliche Weltordnung der gegenseitigen Teilhabe an den Wohltaten dieser Erde ist nach meiner Meinung nur durch Direkte Demokratie möglich. Sie kann durch die unterschiedlichen Kulturen verschieden geprägt sein. Direkte Demokratie kann nur in einem überschaubaren Raum stattfinden. Wie er gebaut und gestaltet werden kann, müssen wir gemeinsam erkunden. Volksbefragungen und Volksentscheide sind erst einmal gute Instrumente für eine Direkte Demokratie.

Artur Mahraun, Hochmeister des Jungdeutschen Ordens und Begründer der politischen Nachbarschaftsbewegung, hat den überschaubaren Raum Nachbarschaften genannt und empfohlen, daß diese Nachbarschaften 500 Wahlberechtigte umfassen. Er war der Meinung, daß solche Nachbarschaften die nötige Beratungsbreite haben. Jeder kann seinem Nachbarn in die Augen sehen. Vielleicht sollten wir trotz Internet, SMS und Emails die politischen Nachbarschaften als ein deutsches Kulturgut in eine weltweite Demokratie-Diskussion einbringen.

Auf Seite 2 dokumentiere ich drei Zeitungsartikel mit unterschiedlichem Erscheinungsdatum zum Thema Griechenland, die den Charme haben, aus Österreich zu stammen. Die drei Beiträge decken nicht alle Probleme ab, die Griechenland zur Zeit hat.

Griechenland als Ganzes hat über seine Verhältnisse gelebt. Bei der jetzigen Sanierung der Staatsfinanzen werden die reichen Griechen mit großem Vermögen nicht belastet. Die reichen Griechen mit dem hohen Einkommen auch nicht. Stattdessen werden Unterschicht und Mittelschicht unverhältnismäßig stark belastet. Am 28. Juni berichtete eine griechische Journalistin im rbb-Inforadio, daß in Griechenland nur die Arbeiter und Angestellten Einkommensteuer (maximal 30 %) zahlen. Selbständige müßten zahlen, geben aber ihre Steuererklärung erst gar nicht ab, so daß sie den Staat mit allen ihren Annehmlichkeiten kostenlos nutzen.

Ich bin sehr dafür, daß alle europäischen Banken, auch diejenigen, die so schlitzohrig waren und die griechischen Staatsanleihen an ihre Zentralbanken verkauft haben, ihren Beitrag leisten müssen. Es muß mir mal jemand erklären, weshalb die Bonität (Rating) Griechenlands sinkt, wenn diese Maßnahme durchgezogen wird.

Wenn ich Grieche wäre, hätte ich durchaus Bauchschmerzen, wenn ich sehe, wie die Investoren-Hyänen aus dem Ausland sich in der geschwächten Wirtschaft bedienen. Auch hier zeigt sich, wie wichtig es für die Bürger ist, sich rechtzeitig, unmittelbar und selbstbestimmend um das gesamte gesellschaftliche Umfeld zu kümmern.

Sie finden in der Dokumentation auf Seite 2 auch die Geschichte über den griechischen Goldschatz, den die „bösen Deutschen“ im 2. Weltkrieg angeblich gestohlen haben. Mag ja sein. Aber ich frage mich dann bei all diesem Geplänkel, wenn die Deutschen so niederträchtig sind - weshalb kauft das griechische Militär nach wie vor deutsche Waffen? Und ich frage mich ferner, weshalb die griechische Regierung diese „bösen Deutschen“ als Touristen in das Land läßt? Ich hätte mehr Rückgrat von den nationalstolzen Griechen erwartet.

Die Gelddiskussionen um Griechenland, Portugal und Irland zeigen, wie wichtig es ist, sich über die Funktion des Geldes zu streiten und zu einigen. Noch einmal: Geld ist keine Handelsware. Geld kann nur dazu dienen, Produktion, Handel und Verbrauch „technisch“ möglich zu machen.  Investitionen in Produktion und Handel können (und sollten auch) Erlöse bringen. Der Handel mit Geld ist blutsaugerisch und muß verboten werden.
Die nächste Ausgabe des Kommentar- und Informationsbriefes NEUE POLITIK erscheint Ende September 2011.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer!

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

(abgeschlossen am 15. Juli 2011)

 
     
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