Dieter Kersten - September / Oktober 2011    
Editorial    
     
 

Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,

der Beschluß der Bundesregierung war richtig, an der Bombardierung von Libyen nicht teilzunehmen. Die Motive zu diesem Beschluß sind zwar unklar, aber da er Menschen schützt, sollten die Hintergründe nicht weiter hinterfragt werden. Daß sich Herr Westerwelle nachträglich Kriegs-Lorbeeren auf sein Haupt setzen will, hat mit seiner unausgeglichenen Persönlichkeit zu tun. Sie sehen an diesem Beispiel, was für Leute wir in die Parlamente wählen.

Natürlich ist es auch mir bekannt, daß Gaddafi mit seinen Geheimdienst-Methoden viele Menschen in seinem Land und auch im Ausland umgebracht hat. Wenn das der alleinige Maßstab sein sollte, dann müßten deutsche Soldaten sofort gegen die Vereinigten Staaten von Amerika in Marsch gesetzt werden, wo selbstverursachte Menschenrechtsverletzungen im In- und Ausland Staatsräson sind.

Wenn von Menschenrechtsverletzungen die Rede ist, möchte ich außerdem auf die zahlreichen Abkommen der EU-Staaten mit Libyen hinweisen, die den Flüchtlingsstrom der Afrikaner nach Europa verhindern sollten. Die europäischen, christlichen, Verhandlungsführer hatten keine Skrupel, Gaddafi zum Töten der Flüchtlinge anzuhalten.

Die Menschenrechtsverletzungen Gaddafis waren und sind auch nicht der Grund für den Krieg. Der Grund sind die gewaltigen Erdölreserven Libyens, die Milliarden an Euros und Dollars, die von der Regierung Gaddafis angehäuft worden sind und die offensichtlich großen Süßwasservorräte, die sich über die Jahrmillionen unter dem Wüstenboden angesammelt haben. Er hat zum Teil „seine“ Wüste zum blühen gebracht und er hat mit einem Kanalsystem und dem Wasser versucht, seinen afrikanischen Nachbarn aus der Wassersnot zu helfen. Anstatt sich zu verschulden, anstatt sich für hohe Zinsen Geld bei den europäisch/us-amerikanischen Banken zu leihen, hat Gaddafi die Chuzpe gehabt, die Investitionen aus dem eigenen Staatsvermögen zu tätigen.

Die jetzige Darstellung des Systems Gaddafi in den öffentlichen Medien kann auf keinen Fall stimmen. Die jetzt gezeigten Bilder der Städte zeigen kein heruntergekommenes Land. Auch die sozialen Verhältnisse sollen nicht schlechter aber auch nicht besser, gewesen sein als der europäische Durchschnitt. Gaddafi hat die Bevölkerung, wenn auch im bescheidenen Umfang, am Reichtum des Landes teilnehmen lassen.

Sicher, Libyen war unter Gaddafi ein autoritärer Staat. Was ist das für ein Unterschied zwischen einem autoritären Staat Libyen und einen Staat wie die Bundesrepublik Deutschland, die ihre Bürger mit ausgeklügelten Überwachssystemen unter Kontrolle hält? Ein Paar Millionen Bestechungsgelder würden bei uns auch reichen, Demonstrationen zu organisieren. Ein großer Teil der öffentlichen Medien und ihre Mitarbeiter in Deutschland würden ebenfalls mit Sicherheit im vorauseilenden Gehorsam in die politische Richtung berichten, aus der sie das meiste Geld vermuten. Das ist doch auch jetzt in der aktuellen Libyen-Berichterstattung üblich.

Es fällt auf, daß das reiche Libyen mit seinen Menschenrechtsverletzungen Ziel der NATO - Luftangriffe ist, das vergleichsweise arme Syrien mit seinen ebenfalls deutlichen Menschenrechtsverletzungen aber nicht.

Syrien ist nach der Verfassung von 1973 offiziell eine sozialistische Volksrepublik mit Präsidialsystem. Es ist de facto ein Einparteiensystem, da eine Partei, die syrische Baath-Partei, das gesamte politische System des Landes dominiert. Formal jedoch befindet sich die Syrische Regierung in einer Koalition mit kleineren Blockparteien. Wir Deutsche kennen das von dem DDR-System.

Sechs Prozent der syrischen Bevölkerung sind Nusairier (Alawiten). Viele Militäroffiziere und ein großer Teil der herrschenden politischen Elite entstammen dieser Gemeinschaft, der auch die Familie Assad, so auch Präsident Baschar al-Assad, angehören. Weshalb gerade jetzt die sunnitischen Muslime, ca. 80 % der Bevölkerung, Opfer eines Bürgerkrieges werden, habe ich nicht verstanden. Nüchtern gesehen dürfte keine Macht Interesse haben, das ohnehin fragile Gleichgewicht im Nahen Osten zu stören. Aber: Präsident Baschar al-Assad pflegt ausgesprochen gute Beziehungen mit dem Iran. Das hat auch etwas mit den kleinteiligen Machtverhältnissen im Libanon zu tun. Einer finanziert den anderen, einer ist des einen oder anderen Freund oder Feind. Ganz arm ist übrigens Syrien nicht. Es hat Erdöl- und Erdgasvorkommen, nicht so reichhaltig, wie Libyen, aber immerhin.

In Israel gibt es massive soziale Auseinandersetzungen, die mit Recht z.B. die ohnehin völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in dem Rest-Palästina in Frage stellen. Aus den sozialen Protesten könnte auch eine Friedensbewegung werden, denn die Zusammenhänge von israelischem Landraub, der hundertprozentigen Militarisierung der israelischen Gesellschaft, dem Töten von Menschen auf beiden Seiten und dem von vielen Menschen gewünschten Frieden werden immer sichtbarer. Was geschieht stattdessen? Es werden israelische Bomben auf Gaza abgeworfen!

In den letzten Jahren habe ich immer mehr den Eindruck, daß die Verwirrungen der politischen Oligarchien zunehmen. Das hat damit zu tun, daß die alten politischen und wirtschaftlichen Machtstrukturen an Strahlkraft verloren haben. Sie funktionieren nicht mehr. Immer mehr Völker haben erkannt, daß sie von ihren Oligarchien nur mißbraucht werden. Die Völker stehen auf, ohne einen Plan zu haben, wie die Oligarchien entmachtet werden können.

Themenwechsl: Ich habe mir die Rede des Bundespräsidenten Wulff vom 24. August 2011 auf der Tagung der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau aufmerksam durchgelesen. Sie können sich die Rede von der Webseite des Bundespräsidenten herunterladen. Ich biete meine guten Dienste an, es für Sie auf Anforderung zu tun. Herr Wulff, langjähriger Mitgestalter von Politik in diesem Land, hat nichts, aber auch gar nichts für die Zukunft zu bieten. Es gibt bei ihm keine Ideen, wie man Wirtschaft so organisieren kann, zum Beispiel, daß es weltweit keinen Handel mit Geld geben darf. Es gibt keine Idee, wie man Demokratie anders als durch Interessenorganisationen (Parteien) organisieren kann. Eine Europäische Wirtschaftsregierung, wie sie von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und von Deutschlands Bundeskanzlerin kürzlich, meiner Ansicht nach, in aller Hilflosigkeit, ausgeheckt wurde, kann doch nur funktionieren, wenn sie ein breites Selbstbestimmungsfundament bei den Menschen in den beteiligten Staaten hat. Jeder von uns hat doch nicht nur das Gefühl, sondern jeder weiß es doch, daß wir, das einfache Volk, nunmehr die ständigen Fehler unserer Politiker und Fachleute ertragen müssen. Wir leiden doch heute schon unter dem europäischen Joch unheimlich vieler Gesetze und Verfügungen für lebensnotwendige Dinge, die besser „unten“, vor Ort entschieden werden sollten, von den Menschen, die dort arbeiten und leben.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Herbst. Die nächste Ausgabe erscheint im November d.J..

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kersten

(abgeschlossen am 15. September 2011)
 
     
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