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Am Tag der TAGESSPIEGEL
- Kritik, also einen Tag nach der Wiederaufnahme von Don Giovanni
in der Deutschen Oper Berlin, habe ich mir Mozarts Glanzstück angesehen,
dreidreiviertel Stunden, die Pause mit eingerechnet. Der Zuschauerraum
war nur zur Hälfte gefüllt, was natürlich auch dem Abend
vor Heiligabend zuzurechnen war.
Die Oper ist am 29. Oktober 1787 in Prag uraufgeführt worden, vom
Meister Mozart selbst dirigiert. Es war eine gelungene Aufführung.
Nun, ich kenne mich in den Musikgeschmäckern der Jahrhunderte nicht
aus, aber ich kann mir, das überlieferte Temperament Mozarts vor
Augen, vorstellen, daß diese Uraufführung kräftiger, ein
Deut schneller und in der Szenenführung konsequenter aufgeführt
worden ist. Schon die Ouvertüre unter der musikalischen Leitung von
Christian Thielemann erklang seltsam matt und die Stimmen der Sänger
kamen nicht so richtig zum Tragen.
Götz Friedrich, der Intendant des Hauses in der Bismarckstraße
in Berlin-Charlottenburg schreibt im Programm - Heft unter der Überschrift
Der aristokratische Rebell: Auch und besonders durch die Erfindung
der Don - Juan - Gestalt hat das Theater seine ureigene Schöpferkraft
erwiesen. Damit wird bekräftigt, daß das Theater eine autochthone
Kunst ist und nicht zur Illustration von Geschichte, Literatur oder Philosophie
degradiert werden sollte. Eine durch und durch arrogante Position,
die durch die Verwendung des Wortes "autochthon" nur noch unterstrichen
wird. Im großen Fremdwörter - Duden von 1960 steht dazu: 1.)
(von Völkerschaften:) alteingesessen, eingeboren, bodenständig,
2.) am Fundort selbst entstanden (Geol.). Ich weiß nicht, warum
die Sprache und die Begriffe immer vergewaltigt werden müsssen.
Dagegen schreibt zutreffender und gegenwartsbezogen Knut Sommer, der mit
Saskia Kuhlmann die Abendspielleitung besorgte, unter der Überschrift
>>Eine Nacht im Leben und Sterben des Don Giovanni<< und
unter der Unterüberschrift Woran stirbt Giovanni? u.a. (es folgt
jetzt ein entsetzlich langer Satz): Giovanni, dem an diesem Tag alles
mißlungen war, der die Frau nicht besitzen konnte, die zu besitzen
ihn mehr als jemals zuvor erstrebenswert dünkte, der ihren Vater
ungewollt getötet hatte, der auf der Suche nach dem Lebenselixier
Sexus an eine abgelegte Geliebte gerät, der unfähig ist, sich
ein neues >> divertimento << zu verschaffen, der von Bauern
gejagt und mit dem Tode bedroht wird, dem Stimmen verdrängter Schuld
peinigen, er nimmt schließlich Zuflucht zu leicht zu erringenden
Genßssen : Fressen und Saufen. So stirbt er, dem alles mißlingt,
an der Krankheit unserer Zeit: am Frust. Giovanni erleidet einen Herzinfarkt.
>> Nicht der steinerne Gast tötet Don Giovanni, sondern die
eigene zerstörte Psyche.<< (Imre Fabian).
"Autochthoner", verehrter Herr Friedrich, geht es doch nicht!!
Nichts wird "degradiert". Die heutige Wirklichkeit ist sichtbar
gemacht.
Wie's so ist - mit dem Programmheft erhielt ich Aktuell, die
"Zeitschrift" der Deutschen Oper Berlin. Fressen und Saufen,
wenn schon autochthon ertragen werden muß, erlaube ich
mir einige Bemerkungen über des liebe Geld. Große Klage wird
geführt . gleich auf der Titelseite steht: DAS LETZTE WORT?!?
Der Senat und der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses von Berlin
haben zur Verabschiedung des Haushalts durch das Parlament, laut Berliner
Morgenpost vom 26. November, Prioritäten bei der Bezuschussung der
Berliner Bühnen gesetzt und als einzigem Opernhaus der Deutschen
Oper die Zuwendungen einschneidend gekürzt. Mir kamen die Tränen.
1994 bekam die Deutsche Oper 88, 6 Millionen DM, 1995 soll sie 85,9 Millionen
DM und 1996 83,8 Millionen DM erhalten. Das Gehalt des Intendanten und
die Gagen der Sängerinnen und Sänger wurden nicht veröffentlicht.
Solange das nicht geschieht, bin ich der Meinung, daß die Kürzungen
in Ordnung gehen.
Die Deutsche Oper wurde 1912 als Deutsches Opernhaus an der Stelle, wo
1961 das neue Haus entstanden ist, von B. Sehring gebaut. Sie wurde auch
die Charlottenburger Oper genannt. Charlottenburg war vor dem 1. Weltkrieg
nicht nur eine selbständige Stadt und königlich-kaiserliche
Residenz, Charlottenburg war nach Wiesbaden die reichste Stadt Preußens.
Das alte Opernhaus, in dem sich mein Vater, ein geborener Charlottenburger,
als junger Mann Anfang der zwanziger Jahre in der Statisterie ein Zubrot
verdiente, brannte 1943 aus. Der Architekt des Neubaus war Hans Bornemann.
+ + +
Am Sonnabend, den 31. Dezember 1994 war ich eingeladen in die Komische
Oper, zu einem Johann - Strauss - Konzert des Orchesters
der Komischen Oper in der Behrenstraße, Dirigent: Yakov
Kreizberg. Man merkte dem Orchester an, wie gern es mal auf der Bühne
spielte und wie schön es für alle Musiker war, eine flotte Operettenmusik
spielen zu dürfen, die zu Unrecht bei vielen "ernsten"
Musikliebhabern verpönt ist. Das Johann - Strauss - Konzert am letzten
Tag es Jahres ist eine alte Tradition der Komischen Oper. Tradition
ist es ebenfalls, eine Gastkomponisten mit hinzu zunehmen; diesmal hieß
er Franz von Suppé. Die Sopranistin Dagmar Schellenberger brillierte
nicht nur mit ihrer Stimme, sondern auch mit ihrem Charme und stellte
den Tenor Ilja Lewinsky und den Bariton Jochen Schmeckenbecher fast in
die Ecke.
Die Komische Oper ist 1892 als >>Theater unter den Linden <<
eröffnet worden. 1947 gründete Walter Felsenstein in diesem
Hause die Komische Oper. Walter Felsenstein ist 1980 gestorben.
Sein Nachfolger ist Harry Kupfer. Walter Felsenstein war österreichischer
Staatsbürger und als solcher konnte er und sein Frau Maria die Mauer,
sprich "Staatsgrenze der DDR" jederzeit passieren, obwohl sein
Arbeitsplatz in der "Hauptstadt der DDR" lag und sein Wohnort
bei Berlin war. Seine Frau Maria war in "meiner" Straße,
der Wilhelmsaue in Berlin - Wilmersdorf geboren. Die Felsensteins, auch
zwei ihrer Söhne, waren Kunden der väterlichen Firma, einer
Sanitären Großhandlung, in der ich bekanntlich auch über
dreißig Jahre tätig war. Maria Felesenstein ist etwa Mitte
der 80iger Jahre gestorben. Einer der Söhne ist jetzt nach meinen
Informationen Theater - und Opern - Intendant in Halle.
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