Dieter Kersten - April 1995    
Schloßpark - Theater in Berlin - Steglitz
Theater: Kishon "Es war eine Lerche"
Oper: Puccini "Das Mädchen aus dem goldenen Westen"
 
     
 

Heribert Sasse, einstmals geschasster Staatsbühnen - Intendant zu Berlin, hat das Schloüpark - Theater in Berlin - Steglitz als Privattheater eröffnet. Neben dem vom Steuerzahler total renovierten Haus wird von einem Betrag von 5 Millionen DM Zuschuü aus der Steuerzahler - Schatulle gesprochen, sehr viel Geld für einen Mann, von dem Eingeweihte behaupten, daü er das geschlossene Schiller - Theater in Berlin - Charlottenburg heruntergewirtschaftet hat, um danach mit des Gerichtes Hilfe für über 5 Jahre pro Monat DM 12 500,-- (in Worten: zwölftausendfünfhundert) Abfindung zu kassieren - die er dann im fernen Österreich in aller Ruhe verzehrte. Eine sehr interessante Geschichte angesichts der kulturpolitischen Geld - Diskussion in Berlin. Herr Sasse eröffnete das Schloüpark - Theater am 17. März 1995 mit Shakespeares Richard III und hatte am 18. März 1995 in der Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel eine sehr schlechte Kritik. Er spielte die Rolle des Richard selbst und fiel in diesem Zeitungsbericht auch als Schauspieler durch.
Einem kultur - und finanzpolitischen Klagelied von Detlev Lücke in der Wochenzeitschrift FREITAG vom 17. März 1995 entnehme ich, daü 23 Musikkorps der Bundeswehr mit 80 Millionen DM im Jahr finanziert werden. Ich gehe mal davon aus, daü die Jungs ihr Gehalt zusätzlich über den Verteidigungshaushalt erhalten. Nun kann ja die Betrachtungsweise unterschiedlich sein: eine Entmilitarisierung kann auch darin bestehen, daü die ganze Bundeswehr in Musikkorps aufgeteilt wird. Dann bin ich mit allem einverstanden. Nur jetzt finde ich, daü die Bundeswehr mit ihren 23 Musikkorps genauso überflüssig ist wie ein Kropf. (Obwohl - ich gestehe es: ich habe was übrig für Marschmusik.)

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Am 16. März 1995 sah ich in der Vagantenbühne nahe dem Berliner Zoo das Stück von Ephraim Kishon Es war eine Lerche. Das Stück hatte seine Premiere am 15. Oktober 1993. Die drei Schauspieler Sabine Kotzur, Detlef Bierstedt und Reinhard Scheunemann spielten unter der Regie von Rainer Behrend ein vorzügliches Theater vor leider nur halb ausverkauftem Haus. Mir persönlich scheint die Art Humor des Herrn Kishon nicht zu liegen - ich kann dem Stück, welches die Geschichte von Romeo und Julia weitererzählt, nichts abgewinnen; es hat mit Mord und Selbstmord der Beiden nicht geklappt und nun zanken sie sich um Tochter und Leben. Meine Distanz scheint mein Problem zu sein: das Publikum hat sich amüsiert.

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Am 7. April 1995 war ich wieder in der Deutschen Oper Berlin in Charlottenburg und sah und hörte Das Mädchen aus dem goldenen Westen von Giacomo Puccini. Diese Oper erlebte ihre Uraufführung am 10. Dezember 1910 an der Metropolitan Opera in New York, in der Enrico Caruso den Dick Johnson sang. Die deutschsprachige Uraufführung in Berlin fand 1913 statt. Hier sang die Minnie Herta Stolzenberg, von der mein Vater - als junger Mann Statist an der Charlottenburger Oper - in seinen Erzählungen schwärmte. Ich weiü nicht, wie es Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, mit Pucchini ergeht: wenn ich seine beiden Opern Madame Butterfly und La Bohéme hintereinander höre, dann fühle ich mich leicht Puccini - geschädigt, denn die Art Musik ist sehr ähnlich, manchmal fast austauschbar. Mit dem Stück Das Mädchen aus dem goldenen Westen ist es anders. Freilich, es fehlt der "Ohrwurm", die gefällige Melodie, die man gerne nachsummt oder nachpfeift - statt dessen ist in der Musik ein Spannungsbogen, der vom Anfang bis zum Ende nicht abreiüt. Und das bei einer Aufführung, die, zwei Pausen mit eingerechnet, 3 1/4 Stunden lang dauert. Das Orchester war gut, wie immer in der Deutschen Oper und spielte unter der Leitung von Paolo Olmi. Trotz dieses Lobes denke ich, daü sich das Orchester etwas besser auf die Gesangssolisten einstellen sollte; Corneliu Murgu sang den Dick Johnson und hatte zu Anfang Schwierigkeiten, sich gegenüber dem Orchester durchzusetzen. Auch erschien mir das Timbre des Tenors zu Anfang etwas schrill. Erst im Laufe der Aufführung sang er sich ein. Herausragend war Galina Kalinina als Minnie - ein kräftiger Sopran, so richtig angemessen für die einzige weibliche Rolle in diesem Goldgräberstück.
Dem Chronisten bleibt nur nachzutragen, das es die 24. Aufführung dieser Inszenierung seit der Premiere am 19. Dezember 1982 war. Die Oper war leider nur zu ca. 2/3 besucht; ich unterhielt mich in der einen Pause kurz mit dem Platzanweiser und Programmverkäufer, der den - für die Charlottenburger Oper - schlechten Besuch auf die neue Wettberwerbssituation in Berlin zurückführte. Vielleicht spiegelt die geringe Zahl der Aufführungen - 24 innerhalb von 13 Jahren - auch die Skepsis des Publikums gegenüber dieser Oper wieder. Die Skepsis ist unbegründet. Dem Vernehmen nach war die von mir besuchte Aufführung für lange Zeit die letzte Aufführung in diesem Haus - nicht nur in dieser Saison. Schade.
Zum Schluü möchte ich auf das Programm - Heft verweisen, in dem ein interessanter Beitrag von Giuseppe Sonopoli über Puccini - ein europäischer Komponist; Anmerkungen zu "La Funiciulla des West" (der italienische Titel) erschienen ist. Dieser Beitrag befaüt sich besonders mit der Musik der besprochenen Oper und ist sehr interessant. Ich nehme an, daü Ihnen die Deutsche Oper Berlin, Bismarckstraüe 35, 10627 Berlin, auf Anforderung ein solches Programmheft gerne zuschickt.

 
     
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