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"Martha oder
Der Markt zu Richmond" ist eine romantische Oper von Friedrich von
Flotow, eine sehr romantische Oper, fast schon zu romantisch. Deshalb
hat Winfried Bauernfeind, der die Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin
(Charlottenburger Oper) besorgte, versucht, das Libretto von Friedrich
Wilhelm Riese zu modernisieren, etwas, was auch wieder mal fast in's Auge
ging. Die Oper bietet einige musikalische Ohrwürmer, die auch mich
erfreut haben. Wenn das aber der einzige Grund ist, eine alte, vom Sujet
her, verstaubte Oper auf die moderne Bühne bringen, dann ist das
Unsinn. Was man natürlich auch heute noch machen kann: eine solche
Oper so zu bringen, wie sie in ihrer Zeit gedacht war. Im Programmheft
wird eine Rezension aus dem Jahre 1932 von W. Fiedler in der DEUTSCHEN
ALLGEMEINEN ZEITUNG nachgedruckt, die die Überschrift trug Die
entstaubte "Martha". Es scheint also ein altes Problem
mit dem Staub zu sein.
Ich habe die Vorstellung am 16. Juni 1995 gesehen. Es war die 9. Aufführung
seit der Premiere am 11. März 1995. Das Programmheft will suggerieren,
daü es sich um eine sozialkritische Oper handelt. Ich habe den Eindruck,
daü das an den Haaren herbeigezogen ist. Trotzdem sind die Texte
interessant.
Flotow ist ein mecklemburger Junker gewesen, ein Gutsbesitzer, der von
1812 bis 1883 gelebt hat. "Martha" ist 1847 in Wien uraufgeführt
worden. Caruso hat sich später für die Oper eingesetzt und sie
international berühmt gemacht.
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Wenn Sie diesen Text lesen, dann ist die Reichstags - Verhüllung
durch das Ehepaar Christo und der Rummel darum beendet. Mich hat diese
Aktion schon im Vorfeld kalt gelassen. Solange dem Steuerzahler durch
eine solche private Aktion keine Kosten entstehen - na bitte - wenn's
unbedingt sein muü ...... Ich gehöre auch zu den 12 Millionen
Menschen, die sich die Verhüllung angesehen haben. Ich kann durchaus
ein Mensch sein, der sich sowohl positiv wie negativ überschwenglich
äuüert. Hier hatte mich die Gleichgültigkeit gepackt.
Die Frage. ob die Christo-Verhüllung Kunst ist oder nicht, habe ich
mir und anderen gestellt. Die Äuüerungen, die ich eingefangen
habe, waren durchaus vielschichtig bzw. vieldeutig. Es ist, und darauf
sollten wir uns einigen, "Aktion - Kunst", ähnlich der
"Aktions - Kunst" des verstorbenen Künstlers Beuys. Von
kultureller Bedeutung ist die Reichtagsverhüllung schon. Sie gewinnt
diese Bedeutung aus der Reaktion auf Menschen, die den Reichstag zum nationalen
Symbol stilisieren wollen. Es erscheint mir schon wichtig, den Menschen
durch die Verhüllung zu zeigen, daü nationale Symbole dieser
Art ganz augenfällig verschwinden können, wenn sie nicht durch
Leben, durch Inhalte, gefüllt werden. Das Gebäude DER REICHSTAG
hat ja nie den demokratischen oder auch nationalen Inhalt gehabt, der
da hineingeheimst wird. Das Gebäude DER REICHSTAG wird auch nicht
inhaltsschwerer werden, wenn der Bundestag dort einzieht, auch wenn die
unheimlich kluge Frau Süssmuth meinte sagen zu müssen, daü
das Gebäude DER REICHSTAG nun DER BUNDESTAG heiüen müsse.
Ich hoffe, daü die Berliner sich diese Bezeichnung erst angewöhnen,
wenn demokratische Kultur in die Institution Bundestag eingezogen ist.
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Bevor sich mir Christos Verhüllung ansah, war ich im Kabarett DIE
STACHELSCHWEINE im Europa - Center an der Kaiser - Wilhelm - Gedächtniskirche.
Thema: Seid umschlungen Milliarden. DIE STACHELSCHWEINE sind
40 Jahre alt und das merkt man ihnen an. Hinzu kam, daü Wolfgang
Gruner, die unverwechselbar berliner Kodderschnauze, zur Kur war und ersetzt
wurde durch Uwe Paulsen Es ist unmöglich, Gruner zu imitieren; Text
hin, Text her, es wäre besser gewesen, Herr Paulsen hätte seinen
eigenen Stil auf die Bühne gebracht, soweit er einen hat. Natürlich
gab es viele Passagen zum Lachen, weil ja auch andere Mitwirkende sich
unverwechselbar spielten, aber es ist doch auffällig, daü diesem
Kabarett die Reibungsflächen fehlen.
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Am 6. Juli 1995 habe ich in der STAATSOPER, Unter den Linden, in Berlin
- Mitte LA TRAVIATA, Libretto von Francesco Maria Piave, Musik von Guiseppe
Verdi, gesehen und gehört. Die Inszenierung besorgte Klaus Dieter
Kirst; es war die 59. Vorstellung seit der Premiere am 14. Februar 1995.
Es war eine Aufführung mit vorzüglichen Sängerinnen und
Sänger, überlegt und schwungvoll inszeniert. Gratulation auch
den Bühnenbildnern und ebenso vorzüglich begleitet von einem
guten Orchester.. Auch der Text des Programmheftes ist gut, so gut, daü
ich mich bemühen werde, die Erlaubnis zum Abdruck des Haupttextes
zu bekommen, der von Manfred Haedler verfaüt wurde. Leider muü
ich aber ein Wehrmutstropfen in den süffigen Wein tun: die Zusatztexte
von Verdi und seiner Zeitgenossen bzw. seiner Lebensgefährtin sind
so dünn gedruckt, daü ich eine Lupe zum Lesen brauchte.
La Traviata - "die Verirrte" ist eine Gegenwartsoper gewesen.
Alexander Dumas hat in seinem Roman DIE KARMELIENDAME eine wahre Begebenheit
verarbeitet, in der er selbst sogar verwickelt war. Dieser Roman war die
Grundlage für ein Theaterstück und dann wiederum die Grundlage
für das Libretto für LA TRAVIATA. Die Oper wurde im März
1853 in Venedig uraufgeführt und war ein Miüerfolg. Nach den
Berichten war der Miüerfolg auf die Besetzung der Rollen zurückzuführen,
gegen die sich Verdi vergeblich gewehrt hatte.
Anschlieüend führte mich die Sommernacht auf den Gendarmenmarkt,
diesem unverwechselbaren Gebäudeensemble in Berlin - Mitte. Auf diesem
Platz fand ein Operrettenkonzert unter offenen Himmel statt, in einer
unbeschreiblichen Atmosphäre. Ich muüte an die bürgerliche
Revolution von 1848 denken, an die März - Gefallenen, die auf diesen
Platz aufgebahrt waren und an E.T.A. Hoffmann, den leider viel zu wenig
bekannten deutschen Schriftsteller, der im vorigen Jahrhundert in unserer
Stadt lebte und der ein damals bekanntes Weinlokal an diesem Platz gerne
besuchte. Empfehlen kann ich nach solchen gelungenen Abenden das Wein
- Restaurant in Turm des Französischen Domes. Ein guter Cotes du
Rhone Rosé beendete den Abend.
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