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Kennen Sie Jules
Massenet? In Knaurs Opernführer von 1952 ist er nicht zu finden. In
dem Neuen Opernbuch von 1953 des Henschelverlages Berlin ist nur seine Oper
MANON beschrieben. In der Brockhaus Enzyklopädie von 1971 finde ich
eine kurze Notiz: französischer Komponist, geboren Montaud (Loire)
12. 5. 1842, gestorben Paris 13. 8. 1912, studierte bei A. Thomas, erhielt
1863 den Rompreis, war 1878-96 Prof. am Conservatoire in Paris; Mitgl. der
Akademie. M. hatte starke Begabung für sinnfällige, theaterwirksame
Melodik, knüpfte an G. Meyerbeer und Ch. Gounod an und verwendete Elemente
R. Wagners und des italen. Verismus. In der kurzen Aufzählung
der Werke wird dann auch die Oper erwähnt, die ich an der Berliner
Komischen Oper am 13. Dezember 1995 das Vergnügen hatte zu
hören und zu sehen. Es handelt sich um die Oper WERTHER, die laut dem
Brockhaus 1886 entstand, laut dem Programmheft 1887, und die 1892 in Wien
erfolgreich uraufgeführt wurde. Sie orientiert sich an Goethes WERTHER,
von dem der bildungsbeflissene Deutsche gerne redet, meistens, ohne diesen
Roman gelesen zu haben. Ich übrigens auch nicht. So folge ich dem Programmheft,
in dem beschrieben steht, daü die Librettisten, es sind derer drei
Herren, die offensichtlich zusammengearbeitet haben - Edouard Blau, Paul
Milliet und Georges Hartmann - den Stoff der vorbürgerlichen Zeit (1774
erschien Goethes WERTHER) in die bürgerliche Zeit Massenets übertragen
haben. Aber mir persönlich erscheint eine solche Betrachtung des Stückes
ohnehin marginal zu sein; mich begeisterte die Musik, wie sie mit den Singstimmen
sich vereinte und wie sie mit ihrer sehr schönen Lyrik doch so dramatisch
werden konnte, daü sie die Handlung vorzüglich unterstützte.
Sieht man davon ab, daü es die Sängerinnen und Sänger offensichtlich
nicht mehr lernen, deutlich artikulierend zu singen, so daü man etwas
von dem Text versteht (es wurde in deutscher Sprache gesungen), waren die
Stimmen und die schauspielerische Leistung ausgesprochen gut. Es war die
11. Aufführung nach der Premiere in Berlin am 10. Juni 1995; die Inszenierung
besorge Christine Mielitz, die musikalische Leitung hatte Shoa-Chia Lü,
der übrigens sehr engagiert das vorzügliche Orchester der Komischen
Oper dirigierte. Das Bühnenbild war sehr modern und für mich
nur sehr bedingt akzeptabel. In Sachen Bühnenbild scheint es an den
deutschen Opernbühnen ohnehin eine Krise zu geben. Die Vorstellung
war sehr schlecht besucht - nur ungefähr ein Drittel der Plätze
war besetzt. Das haben das Werk von Jules Massenet und die Komische
Oper nicht verdient. |
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