Dieter Kersten - Januar 1996    
Oper: Massenet "Werther"  
     
  Kennen Sie Jules Massenet? In Knaurs Opernführer von 1952 ist er nicht zu finden. In dem Neuen Opernbuch von 1953 des Henschelverlages Berlin ist nur seine Oper MANON beschrieben. In der Brockhaus Enzyklopädie von 1971 finde ich eine kurze Notiz: französischer Komponist, geboren Montaud (Loire) 12. 5. 1842, gestorben Paris 13. 8. 1912, studierte bei A. Thomas, erhielt 1863 den Rompreis, war 1878-96 Prof. am Conservatoire in Paris; Mitgl. der Akademie. M. hatte starke Begabung für sinnfällige, theaterwirksame Melodik, knüpfte an G. Meyerbeer und Ch. Gounod an und verwendete Elemente R. Wagners und des italen. Verismus. In der kurzen Aufzählung der Werke wird dann auch die Oper erwähnt, die ich an der Berliner Komischen Oper am 13. Dezember 1995 das Vergnügen hatte zu hören und zu sehen. Es handelt sich um die Oper WERTHER, die laut dem Brockhaus 1886 entstand, laut dem Programmheft 1887, und die 1892 in Wien erfolgreich uraufgeführt wurde. Sie orientiert sich an Goethes WERTHER, von dem der bildungsbeflissene Deutsche gerne redet, meistens, ohne diesen Roman gelesen zu haben. Ich übrigens auch nicht. So folge ich dem Programmheft, in dem beschrieben steht, daü die Librettisten, es sind derer drei Herren, die offensichtlich zusammengearbeitet haben - Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann - den Stoff der vorbürgerlichen Zeit (1774 erschien Goethes WERTHER) in die bürgerliche Zeit Massenets übertragen haben. Aber mir persönlich erscheint eine solche Betrachtung des Stückes ohnehin marginal zu sein; mich begeisterte die Musik, wie sie mit den Singstimmen sich vereinte und wie sie mit ihrer sehr schönen Lyrik doch so dramatisch werden konnte, daü sie die Handlung vorzüglich unterstützte. Sieht man davon ab, daü es die Sängerinnen und Sänger offensichtlich nicht mehr lernen, deutlich artikulierend zu singen, so daü man etwas von dem Text versteht (es wurde in deutscher Sprache gesungen), waren die Stimmen und die schauspielerische Leistung ausgesprochen gut. Es war die 11. Aufführung nach der Premiere in Berlin am 10. Juni 1995; die Inszenierung besorge Christine Mielitz, die musikalische Leitung hatte Shoa-Chia Lü, der übrigens sehr engagiert das vorzügliche Orchester der Komischen Oper dirigierte. Das Bühnenbild war sehr modern und für mich nur sehr bedingt akzeptabel. In Sachen Bühnenbild scheint es an den deutschen Opernbühnen ohnehin eine Krise zu geben. Die Vorstellung war sehr schlecht besucht - nur ungefähr ein Drittel der Plätze war besetzt. Das haben das Werk von Jules Massenet und die Komische Oper nicht verdient.  
     
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