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"Der Widerspenstigen
Zähmung ist ein bemerkenswertes Beispiel für Shakespeares wiederholte
Versuche, dem Publikum realistische Komödie schmackhaft zu machen.
Petruchio ist als menschliche Charakterstudie fünfzig Orlandos wert
... Und es ist gut für Katharina, daü sie auf eine kraftvolle
Persönlichkeit wie ihn stöüt, der sie zur Vernunft bringt."
Diesen Textausschnitt, der gekennzeichnet ist Bernard Shaw (1897),
fand ich auf der Rückseite des Reclam - Heftchens, welches den Text
Der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare enthält.
Welch eine Enttäuschung beim Lesen des Textes! Aber vielleicht war
es gar keine Enttäuschung, sondern nur das Gähnen eines reizüberflossenen
Menschen? Vielleicht ist es auch der des öfteren beschworene britische
Humor, den ich nicht verstehe? Die Dialoge, gelesen, schleppen sich dahin.
Ein Schmarren, verkündigte ich, bevor ich das Stück sah. Mitnichten;
der dreistündige Theaterabend hat sich gelohnt.
Ich sah das über dreihundert Jahre alte Theaterstück am 17. März
1996 in den Kammerspielen im Bezirk Berlin - Mitte. Das Bühnenbild
war, sieht man von einigen Versatzstücken ab, immer gleich. Einer meiner
Neffen stellte anläülich eines schon zurückliegenden Theaterbesuches
- es war ein ganz anderes Stück - die These auf, daü die Bühnenbilder
aus Kostengründen so einfach und das ganze Stück durchlaufend
konzipiert sind. Die Theaterleute weisen vermutlich diese These als Unterstellung
zurück, indem sie sagen werden, der Blick des Zuschauers wird durch
ein vereinfachtes Bühnenbild auf Handlung und Text gerichtet. Dieser
müüige "Streit" ist nur zu schlichten, indem ich behaupte,
daü immer noch das Spiel und die Qualität der Schauspieler entscheidend
sind.
Es war das Spiel der real vorhandenen guten Schauspielerinnen und Schauspieler,
welches dieser Inszenierung Der widerspenstigen Zähmung einen
sehr guten Platz in der Berliner Theaterszene sichert. Dreihundert Jahre
vor dem Zeitalter der Frauenemanzipation persifliert Shakespe- are in einer
vorzüglichen Art und Weise Unterordnung und Emanzipation der Frau,
nicht ohne das Männlichkeitsgehabe auf eine sehr diffizile Art und
Weise vorzuführen. Es gab Zuschauer, die in der Pause die Vorstellung
verlassen haben. Ich kenne ihre Motive nicht. Ich kann mir jedoch vorstellen,
daü allzu heftige Anhänger bürgerlicher Unterordnung bzw.
emanzipatorischer Freiheit, gepaart mit Humorlosigkeit, das Stück als
eine Zumutung empfinden.
In dem Stück geht es um eine Frau (Katharina), die sich selbst durch
überspannte Erwartungen an die Ehe eine bei ihr selbst unbeliebte Keuschheit
auferlegt. Sie ist mit sich selbst und der Welt unzufrieden, dadurch übellaunig
zu sich selbst, zu jederfrau und jedermann und auch noch gewalttätig.
Zu allem kommt noch, daü die Mutter Baptista die jüngste Tochter
Bianca, umworben von vielen Freiern, erst verheiraten will, wenn Katharina
"unter die Haube" gebracht ist. Das erhöht die Garstigkeit
von Katharina ins Unermeüliche, zumal sich diese Schwester den Wünschen
der Mutter (scheinbar) unterordnet. Die durch das mir vorliegende Textbuch
nicht gedeckte Wandlung des reichen Edelmannes in Padua (Vater
von Katharina und Bianca), Baptista, in eine reiche Witwe in Padua
(Mutter von ...), Bapista, ist insofern ein guter Inszenierungs - Schachzug,
als ein besseres Gleichgewicht zwischen den Männern und Frauen des
Stückes hergestellt wird.
Aus dem Programmheft geht hervor, daü Der Widerspenstigen Zähmung
.. früher als alle anderen Shakespeare . Dramen 1672 in gedruckter
deutscher Übersetzung .. vorlag... Es wurde schon 1658, von Zittauer
Gymnasiasten, in Deutschland aufgeführt. Die Premiere der Berliner
Inszenierung fand am 17. Dezember 1995 statt.
William Shakespeare, der im Meyers Konversationslexikon von 1909 als
der gröüte Dichter Englands und einer der gröüten
aller Zeiten bezeichnet wird, wurde (vermutlich) am 26. April 1564
geboren, und zwar in Stratford - on - Avon und starb daselbst am 23. April
1616. Laut Reclam - Textheftchen ist die Entstehungszeit des Lustspiels
nicht festzustellen; es gibt Vorgängertexte; natürlich ist Shakespeare
durch fremde Texte zum Schreiben angeregt worden, und, wie vielfach bei
Shakespeare, wird die Frage nach seiner Urheberschaft gestellt und schlieülich
positiv beantwortet.
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