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Bevor ich mich dazu
durchrang, diesen nachfolgenden Text zu schreiben, habe ich versucht, mich
mit dem Begriff Freiheit bei Friedrich Schiller befaüt. Ich habe nämlich
am 26. August 1997 im Gorki - Theater in Berlin - Mitte eine Aufführung
des Don Carlos gehört und gesehen, des am 18. August 1787 in Hamburg
mit groüen Erfolg uraufgeführten Dramatischen Gedichtes. Schlieülich
bin ich dann doch zurückgefallen auf das, was im Programm zitiert war
- Hermann Hesse an Felix Salden: Verehrter Herr, hier mein bescheidener
Ratschlag zum Schillerfest: Schiller sollte aus dem Lehrplan der Gymnasien
gestrichen und womöglich auch noch den Schülern verboten werden.
Dann wäre er bald wieder unerhört populär und wirksam. Uns
allen ist er von den Schullehrern verleidet worden und wir muüten
ihn uns später - oft schon zu spät - mühsam wiedererobern.
Ich habe, weiü Gott, das Werk von Friedrich Schiller noch nicht erobert.
Ich war gespannt, wie eine moderne Inszenierung mit einem 200 Jahre alten
Stoff umgeht. Wir bilden uns ein, in diesen 200 Jahren einen gewaltigen
Sprung nach vorne gemacht zu haben, z. B. der Macht der Kirche, der Inquisition,
entronnen zu sein. Aber, ist nicht der Beichtvater Domingo nur eine Metapher
für alle Ideologie - Wächter der Vergangenheit und der Gegenwart?
Oder die um Freiheit, Liebe und Freundschaft kämpfenden Protagonisten,
der Prinz Don Carlos und sein Freund Marquis Posa, die sich in einem Geflecht
von "Beziehungskisten", politischen Intrigen und realen Machtstrukturen
verwirren und verirren? Der Spannungsbogen wird in der Gorki - Inszenierung
von Anfang bis zum Ende durchgehalten. Mich störte die Infantilität,
die in dieser Inszenierung bis zur Pause Don Carlos aufgedrückt wird,
obwohl es sicher richtig ist, daü sein Freund Marquis Posa der Stärkere
von Beiden ist. Herzog Alba wird in dem zeitlosen Lederlook der Kommisköpfe
dargestellt. Schiller hat ihm eine etwas differenzierte Rolle zugestanden,
aber es ist sicher gut, den Willen zur Machtbenutzung herauszustreichen.
Lederlook trägt zeitweilig auch der König, was seine Rolle gut
unterstützt. Die Königin spielt die emanzipierte Rolle, die ihr
Schiller zugewiesen hat. Die Prinzessin Eboli, die ereignisbestimmende Frau
in dem Drama, hat in der Inszenierung ihre prägnanten Auftritte. Das
Bühnenbild ist einfach, was die Konzentration auf den Text erhöht.
Zur Regie ist anzumerken, daü sie hörbar den gewiü guten
Schauspielern nicht vermittelt hat, daü, wenn sie in der Tiefe der
Bühne sprechen, dies etwas lauter tun müssen. Auch weiü
ich nicht, ob Nuscheln heutzutage zur Sprachausbildung von Schauspielern
gehört. Es waren leider nur - höchstens - die Hälfte der
Plätze besetzt. Schade!
Geben sie Gedankenfreiheit, Sire .... Vielleicht sollte ich zum
Schluü doch noch ein paar Worte zur Freiheit bringen; im 2. Aufzug,
10. Auftritt läüt Schiller den Beichtvater Domingo über
den Thronfolger Don Carlos zum Herzog Alba sagen: Den rasenden Entwurf,
Regent zu sein und unsern heil'gen Glauben zu entbehren - sein Herz erglüht
für eine neue Tugend, die, stolz und sicher und sich selbst genug,
von keinem Glauben betteln will. - Er denkt! Sein Kopf entbrennt von einer
seltsamen Schimäre - er verehrt den Menschen - Herzog, ob er zu unserm
König taugt?
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