Dieter Kersten - November / Dezember 1997    
Oper: Henze "Der Prinz von Homburg"  
     
  In Staub mit allen Feinden Brandenburgs! Ich kann mich entsinnen, daü ich als Schüler zwar Kleists Prinz von Homburg als sehr spannend empfand, die Verurteilung des Prinzen durch den Groüen Kurfürsten aber nie verstand. Kern des Stückes ist die Schlacht bei Fehrbellin 1675 gegen die Schweden; der Sieg über die Schweden war dem Prinzen vom Homburg zu verdanken, der der Kleistschen Diktion nach gegen den ausdrücklichen Befehl handelte, auf eine Anweisung des Groüen Kurfürsten zu warten. Homburg griff selbstherrlich in die Schlacht ein. Er wurde daraufhin vom Groüen Kurfürsten zum Tode verurteilt. Kleist hat das Stück als einen Traum des Prinzen geschrieben. Das Stück endet mit dem Erwachen des Prinzen und mit der Überreichung des Lorbeers.
Ich habe immer gedacht, die Figur des Prinzen von Homburg ist eine reine Erfindung des Dichters. Es gab ihn aber wirklich, den Prinzen von Homburg; laut Brockhaus-Enzyklopädie ist der Prinz von Homburg Friedrich II., Landgraf von Hessen-Homburg von 1680 - 1708, geboren am 30. 3. 1633 in Homburg vor der Höhe und gestorben ebenda am 24. 1. 1708. Trotzdem haben die Kleistsche Figur und die Handlung des Stückes wenig mit der geschichtlichen Überlieferung zu tun.
Am 21. September 1997 sah und hörte ich in der Deutschen Oper, Berlin - Charlottenburg, Der Prinz von Homburg, Oper in drei Akten von Hans Werner Henze, nach Heinrich von Kleists Drama, für Musik eingerichtet von Ingeborg Bachmann. Es war die Berliner Premiere und eine Neuinszenierung anläülich der Berliner Festwochen >>Deutschlandbilder<<. Die musikalische Leitung hatte Christian Thielemann, die Inszenierung besorgte der Intendant Götz Friedrich, die Ausstattung Andreas Reinhardt. Das Stück ist am 22. Mai 1960 in Hamburg uraufgeführt und in dieser Inszenierung in Berlin am 23. September 1960 als Gastspiel im Rahmen der 10. Berliner Festwochen gezeigt worden.
Ich bin ein sehr interessierter Musikhörer aber kein Musikfachmann. Deshalb mögen mir die Fachfrauen und - männer verzeihen, wenn ich einmal mehr feststelle, daü ich der Musik von Henze sehr distanziert gegenüber stehe. In einem Beitrag im Programmheft fand ich den Satz: Mit seinem Namen verbinden wir meist eine rhythmisch und harmonisch sehr aggressive Musik. In der Tat habe ich Henzes Musik als sehr aggressiv empfunden. Andererseits hat er die Gesangsinterpreten keinesfalls mit Disharmonien gequält; die Gesangspartien waren durchaus harmonisch. Das spannende Bühnengeschehen wurde durch die Musik erstaunlich gut begleitet. Henze versteht sein Fach. Meine Ablehnung moderner Musik hat durchaus einen (positiven) Riü bekommen.
Die Gesangsinterpreten haben vorzüglich gespielt und gesungen. Es sei ausnahmsweise René Kollo genannt, der den Kurfürsten gesungen hat. Das Bühnenbild war sehr einfach modern. Was sich Götz Friedrich bzw. Andreas Reinhardt dabei gedacht haben, Junge Brandenburger als Motorradfahrer im dezenten Rocker-Outfit auf die Bühne zu bringen, ist mir nicht klar. Ich kann mir nicht vorstellen, daü sich die junge Motorradszene der Gegenwart für einen Prinzen von Homburg aus der Vergangenheit interessiert, geschweige denn für eine Miüachtung eines militärischen Befehls. Infolge der schlechten Leistungen unserer hochbezahlten Lehrer haben viele junge Leute keinen blassen Schimmer von Heinrich von Kleist oder Ingeborg Bachmann, so auch vom Groüen Kurfürsten und der Schlacht bei Fehrbellin.
 
     
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