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Zu DDR - Zeiten war
das Kabarett DIE DISTEL eine ständig ausverkaufte, höchst intelligente
Institution, die theatralische Kontrapunkte in einer zutiefst kleinbürgerlichen
Gesellschaft lieferte. Themen waren damals leichter zu finden als heute,
aber was noch wichtiger war, die Themen konnten besser in Sprache umgesetzt
werden. Sicher, da gab es die Zensur, aber gerade diese Zensur zwang Texteschreiber
und Interpreten zu einer sehr feinfühligen Umsetzung, deren knisternde
Inhalte das Publikum wenigstens für 90 Minuten zu - fast - Weltbürgern
machte.
Aber heute? Ich war eingeladen, am 18. Oktober 1997 eine Vorstellung des
altberühmten Kabaretts zu besuchen. Titel des etwa einen Monat alten
Programms: Das haben wir nicht verdient. Es fing an mit dem Geld
und der Wirtschaft, es wurde, hoppla, einiges kritisches über den Warencharakter
des Geldes gesagt und dann ...... Es sickerte und sickerte in eine ganz
plumpe antipolnische Anmache über, die, ja vielleicht, typisch deutsch
oder typische DDR - deutsch ist und dann ..... lange Zeit Geplänkel
.... und zum Schluü einiges über die Bonner in Berlin mit einigen
guten Pointen, ganz weniges zum Ablachen. Das war`s. Dabei lieü sich
die Geschichte mit dem Geld gut an und ich spaüte zu meinen Gastgebern,
daü wir uns doch anbieten könnten, das Thema weiterzuführen,
Schreiber und Interpreten zu beraten.
In dem Stadtführer Berlin, 4. Auflage 1988 im VEB - Tourist - Verlag
steht über Die Distel: Das politisch - satirische Kabarett spieüt
in seinen Programmen mit Witz und Humor den Fortschritt hemmende Erscheinungen,
Denk - und Verhaltensweisen auf. Eine typisch DDR - sozialistische
Formulierung.
Freundlicherweise schickte mir die DISTEL auf meine Bitte am 30. Oktober
1997 ihre Geschichte. Ich habe mich darüber sehr gefreut, denn es ist
leider nicht üblich, immer eine Antwort auf solche Bitten zu bekommen.
Ich gebe den Text so wieder, wie ich ihn bekommen habe: "Hurra,
Humor ist eingeplant" - mit diesem Programm begann die Distel "auf
Wunsch breitester Bevölkerungskreise" durch Magistratsbeschluü
am 2. Oktober 1953 zu blühen. Mit ihrer Gründung sollte im Osten
Berlins ein politisches Gegengewicht zu INSULANER´n und STACHELSCHWEINEN
in West-Berlin geschaffen werden. Ihr Gründer und Direktor Erich Brehm
aber zielte auf´s "Janze" und so wurde die DISTEL bald zu
einer bekannten und beliebten gesamtberliner Adresse. Mehrmals wollten sich
die Regierenden der DDR dieses kritische Kabarett nicht mehr bieten lassen.
Direktoren wurden neu berufen und muüten gehen. 1965 drohte Walter
Ulbricht auf dem bekannten 11. Plenum : "... sie brauchen sich nicht
zu wundern, wenn eines Tages ein Gewitter niedergeht über die betreffenden
(...) sie dürfen doch nicht denken, daü wir uns weiter als Partei-
und Arbeiterfunktionäre von jedem beliebigen Schreiber anspucken lassen.
In Moskau gibt's ja auch kein Kabarett." - Die Beliebtheit beim Publikum,
die Kompromiübereitschaft der Direktoren, Autoren und des Ensembles
bewahrte die DISTEL immer wieder vor dem Aus.
1976 wurde eine 2. Spielstätte eröffnet und das Ensemble wesentlich
vergröüert (63 Mitarbeiter). Dadurch wurden Bestrebungen, ein
zweites Berufskabarett zu gründen, abgewürgt. Szenen, die das
Publikum nie erlebte, füllen ganze Aktenordner. 1988 durfte ein ganzes
Programm "Keine Mündigkeit vorschützen" nicht zur Aufführung
kommen. Das nächste Programm konnte nicht mehr verboten werden und
die DISTEL ging "Mit dem Kopf durch die Wende". Am 01.08.1991
wurde die DISTEL in eine private GmbH überführt und arbeitet seitdem
mit 20 Mitarbeitern ohne staatliche Subventionen.
Frau Dr. Gisela Oechselhaeuser wurde 1990 zur Intendantin berufen. Sie löste
Otto Stack ab, der 22 Jahre als dienstältester Kabarettdirektor in
den Ruhestand ging.
Drei Programme stehen immer auf dem Spielplan und jährlich gibt es
mindestens eine Neuinszenierung.
Als Stachel am Regierungssitz geht die DISTEL nun wieder aufs janze Berlin
und geht auf Tournee durch's janze Deutschland mit politischer Satire -
aktuell, Interessant und unterhaltsam.
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