Dieter Kersten - Juni 1998    
Konzert: Beethoven
Theater: Maria Bill als "Edith Piaf "
 
     
 

Im Januar 1997 berichtete ich bereits von einem Konzert, veranstaltet von der Konzert - Direktion Prof. Victor Hohenfels in Zusammenarbeit mit dem "sinfonie orchester berlin". Ich habe damals etwas über die Konzert - Direktion und ihre Chefin Eva-Maria Hohenfels, über das Orchester und über die Atmosphäre bei den Populären Konzerten berichtet. Ich will mich nicht wiederholen. Diesmal, am 22. März, hörte ich Beethoven, über den im deutschen Kulturraum wohl nichts weiter geschrieben werden braucht. Das Konzert bestand aus drei Teilen; ich bringe anschlieüend Auszüge aus den Beschreibungen aus dem Programmheft, die von der "Impressaria" Eva-Maria Hohenfels verfaüt worden sind: Die Coriolan-Ouvertüre wurde 1807 als musikalische Einleitung zu Heinrich Collins Drama "Coriolan" geschrieben; die Dichtung ist heute vergessen; ... Das erste Thema charakterisiert den Helden, der in trotziger Verblendung gegen die eigene Vaterstadt zu Felde ziehen will; aus dem zweiten spricht die Stimme des Gewissens: Innige Heimatliebe und edle Menschlichkeit. Das Werk schildert in sinfonischer Entwicklung den Kampf dieser Gegensätze, an dem der Held zerbricht: Sein stolzes Thema erlischt todesmatt in den tiefen Streichern. - Das Violinkonzert (Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61) fällt in Beethovens mittlere Schaffensperiode. Er schrieb es 1806. Es wurde am 23. Dezember 1806 in Wien uraufgeführt, blieb jedoch 40 Jahre lang vergessen, bis es der 13jährige Joseph Joachim am 27. Mai 1846 unter der Stabführung von Mendelssohn vortrug. ... Der erste Satz, beginnend mit einer vom Orchester gespielten längeren Einleitung, ist getragen von einem marschähnlichen Thema mit einem Paukenmotiv und vom melodiösen, in entrückter Verklärtheit singenden zweiten Thema, mit dem die Geige ihre groüen Bögen spannt. Der zweite Satz ist ein poesievolles, lyrisches Zwiegespräch zwischen Orchester und Solisten. Nach einer zum dritten Satz überleitenden Kadenz übernimmt die Geige allein die Führung mit dem fröhlichen Hauptthema. ... Vorzügliche Solistin war die 21jährige Japanerin Naoko Ogihara. - Die 6. Symphonie in F-Dur (Pastorale) schrieb der Meister im Frühjahr 1806 in dem vor Wien gelegenen Dorf Heiligenstadt. ... Der erste Satz trägt die Überschrift "Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Land", womit die Grundstimmung erschöpfend umrissen ist. Es folgt die "Szene am Bach", in tiefer Waldeinsamkeit, umflossen vom Sonnenlicht, raunt leise ein Bach, Nachtigall, Goldammer, Wachtel und Kuckuck zwitschern unter dem klaren Blau des Himmels und verbreiten eine Stimmung von Glück und Frieden. "Lustiges Zusammensein der Landleute vermittelt der dritte Satz. Auf dem Dorfplatz finden sich die Paare zum Tanz bei den Klängen der Dorfmusikanten und steigern sich zu wilder Ausgelassenheit. Eine Wolke verdeckt die Sonne und kündet das aufsteigende Gewitter an. Die Menge stiebt auseinander, es donnert und blitzt, Regengüsse prasseln nieder, Sturm fegt durch die Gassen - dann ebbt das Unwetter ab und wohlige Ruhe erquickt die Natur. "Frohe dankbare Gefühle nach dem Sturm" erfüllen das Finale, das sich unmittelbar als "Hirtengesang" anschlieüt. Frohe Erinnerungen kehren zurück und beschlieüen heiter und dankbar des Meistern Werk als Hymne an die Natur. Dirigent des Abends in der gut besuchten Philharmonie war der Bulgare Borislav Iwanov, der neben vielen anderen Engagements Chefdirigent des "sinfonie orchesters berlin" ist.

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Zwei Tage später, am 24. März, hatte ich einen Theater - und Musik - Spaü ganz besonderer Art: Ich sah und hörte Maria Bill als Edith Piaf im Steglitzer Schloss- parktheater. Ich gebe zu, daü mich das französische Chanson nie so gefesselt hat, wie die heitere Operette oder die Oper oder die ernste Musik Mehr als, das Milord von der Piaf gesungen wurde, wuüte ich bis zu diesem Abend - ernsthaft - nicht. Maria Bill spielt, unterstützt von Stephan Schill und den Musikern Andrew Hannan und Krzysztof Dobbek, das Leben der Piaf, gerafft, aber dennoch eindrucks- voll. Edith Piaf ist am 19. Dezember 1915 geboren und starb am 11. Oktober 1963. Das exzessive Leben der französischen Künstlerin, die in ihren Affären, Liebschaften, in ihren Alkohol - und Rauschgiftsüchten, in ihren Sehnsüchten, in ihren Hunger nach Liebe ein beliebtes Objekt der Regenbogenpresse war, wird von Maria Bill überzeugend auf die Bühne gebracht. Selbst das Ordinäre in Sprache und Bewegung einer Frau, die auf der Straüe aufgewachsen ist, wird charmant dargestellt.
Das Schlossparktheater war bis auf den letzten Platz besetzt; das Publikum war gemischt - durch alle Altersklassen und Schichten der Bevölkerung. Es war eine vorzüglich Stimmung, knisternd, traurig, begeisternd. Maria Bill kann vorzüglich singen und es ist anzunehmen, daü sie mit ihrem Vorbild gleichzieht.
Bisher war mir das Schlossparktheater als ein Teil des Wrangel-Schlösschen bekannt. Erstaunt bin ich, in dem Büchlein Theater Berlin des FAB-Verlages zu lesen, daü sich das Schlossparktheater im ehemaligen Pferdestall und der Remise des Herrenhauses Beyme befindet. Dort wurde das Theater am 12. Mai 1921 mit Sheakespeares Simon von Athen eröffnet und war über Jahrzehnte ein renommiertes Theater, bis es vor Jahren dem fehlenden Geld, dem Publikums - Zeitgeist und der Phantasielosigkeit der Theatermacher und Kulturpolitiker zum Opfer fiel. Seit 1994 betreibt die Schiel und Sasse Management für Wirtschaft und Kultur GmbH das ehemalige Staatstheater mit wechselndem Erfolg.
Ein biüchen unzufrieden mit meiner Recherche und immer noch auf den ollen Papa Wrangel hoffend, habe ich in meiner Bibliothek weiter gekramt. Der Baedeker von 1964 gibt Aufschluü: der Generalfeldmarschall Wrangel wohnte dort im Alter ab und zu mal im Sommer bei der Familie Beyme - deshalb also "Wrangelschlöüchen"; naja, wie der Volksmund verkürzt! Dieser Generalfeldmarschall war übrigens derjenige, der der bürgerlichen Revolution von 1848 am 9. November 1848 den letzten Todesstoü gab, als er als Oberbefehlshaber in den Marken mit seinen Truppen in Berlin einmarschierte und am 12. November den Ausnahmezustand verhängte. Er war damals der meistgehaüte Mann im bürgerlichen Berlin, um 25 Jahre später zu einer Kultfigur des kaiserlich - königlich - preuüischen Militarismus bürgerlicher Provenienz zu werden. Vielleicht ist das auch eine Legende über eine Legende, geboren aus späteren Propagandawellen, wie so manches, was unseren Blick in Geschichte und Gegenwart verstellt.

 
     
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