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Im Januar 1997
berichtete ich bereits von einem Konzert, veranstaltet von der Konzert
- Direktion Prof. Victor Hohenfels in Zusammenarbeit mit dem "sinfonie
orchester berlin". Ich habe damals etwas über die Konzert
- Direktion und ihre Chefin Eva-Maria Hohenfels, über das Orchester
und über die Atmosphäre bei den Populären Konzerten
berichtet. Ich will mich nicht wiederholen. Diesmal, am 22. März,
hörte ich Beethoven, über den im deutschen Kulturraum wohl nichts
weiter geschrieben werden braucht. Das Konzert bestand aus drei Teilen;
ich bringe anschlieüend Auszüge aus den Beschreibungen aus
dem Programmheft, die von der "Impressaria" Eva-Maria Hohenfels
verfaüt worden sind: Die Coriolan-Ouvertüre wurde 1807
als musikalische Einleitung zu Heinrich Collins Drama "Coriolan"
geschrieben; die Dichtung ist heute vergessen; ... Das erste Thema charakterisiert
den Helden, der in trotziger Verblendung gegen die eigene Vaterstadt zu
Felde ziehen will; aus dem zweiten spricht die Stimme des Gewissens: Innige
Heimatliebe und edle Menschlichkeit. Das Werk schildert in sinfonischer
Entwicklung den Kampf dieser Gegensätze, an dem der Held zerbricht:
Sein stolzes Thema erlischt todesmatt in den tiefen Streichern. - Das
Violinkonzert (Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61) fällt
in Beethovens mittlere Schaffensperiode. Er schrieb es 1806. Es wurde
am 23. Dezember 1806 in Wien uraufgeführt, blieb jedoch 40 Jahre
lang vergessen, bis es der 13jährige Joseph Joachim am 27. Mai 1846
unter der Stabführung von Mendelssohn vortrug. ... Der erste Satz,
beginnend mit einer vom Orchester gespielten längeren Einleitung,
ist getragen von einem marschähnlichen Thema mit einem Paukenmotiv
und vom melodiösen, in entrückter Verklärtheit singenden
zweiten Thema, mit dem die Geige ihre groüen Bögen spannt.
Der zweite Satz ist ein poesievolles, lyrisches Zwiegespräch zwischen
Orchester und Solisten. Nach einer zum dritten Satz überleitenden
Kadenz übernimmt die Geige allein die Führung mit dem fröhlichen
Hauptthema. ... Vorzügliche Solistin war die 21jährige Japanerin
Naoko Ogihara. - Die 6. Symphonie in F-Dur (Pastorale) schrieb der Meister
im Frühjahr 1806 in dem vor Wien gelegenen Dorf Heiligenstadt. ...
Der erste Satz trägt die Überschrift "Erwachen heiterer
Gefühle bei der Ankunft auf dem Land", womit die Grundstimmung
erschöpfend umrissen ist. Es folgt die "Szene am Bach",
in tiefer Waldeinsamkeit, umflossen vom Sonnenlicht, raunt leise ein Bach,
Nachtigall, Goldammer, Wachtel und Kuckuck zwitschern unter dem klaren
Blau des Himmels und verbreiten eine Stimmung von Glück und Frieden.
"Lustiges Zusammensein der Landleute vermittelt der dritte Satz.
Auf dem Dorfplatz finden sich die Paare zum Tanz bei den Klängen
der Dorfmusikanten und steigern sich zu wilder Ausgelassenheit. Eine Wolke
verdeckt die Sonne und kündet das aufsteigende Gewitter an. Die Menge
stiebt auseinander, es donnert und blitzt, Regengüsse prasseln nieder,
Sturm fegt durch die Gassen - dann ebbt das Unwetter ab und wohlige Ruhe
erquickt die Natur. "Frohe dankbare Gefühle nach dem Sturm"
erfüllen das Finale, das sich unmittelbar als "Hirtengesang"
anschlieüt. Frohe Erinnerungen kehren zurück und beschlieüen
heiter und dankbar des Meistern Werk als Hymne an die Natur. Dirigent
des Abends in der gut besuchten Philharmonie war der Bulgare Borislav
Iwanov, der neben vielen anderen Engagements Chefdirigent des "sinfonie
orchesters berlin" ist.
+ + +
Zwei Tage später, am 24. März, hatte ich einen Theater - und
Musik - Spaü ganz besonderer Art: Ich sah und hörte Maria Bill
als Edith Piaf im Steglitzer Schloss- parktheater. Ich
gebe zu, daü mich das französische Chanson nie so gefesselt
hat, wie die heitere Operette oder die Oper oder die ernste Musik Mehr
als, das Milord von der Piaf gesungen wurde, wuüte ich
bis zu diesem Abend - ernsthaft - nicht. Maria Bill spielt, unterstützt
von Stephan Schill und den Musikern Andrew Hannan und Krzysztof Dobbek,
das Leben der Piaf, gerafft, aber dennoch eindrucks- voll. Edith Piaf
ist am 19. Dezember 1915 geboren und starb am 11. Oktober 1963. Das exzessive
Leben der französischen Künstlerin, die in ihren Affären,
Liebschaften, in ihren Alkohol - und Rauschgiftsüchten, in ihren
Sehnsüchten, in ihren Hunger nach Liebe ein beliebtes Objekt der
Regenbogenpresse war, wird von Maria Bill überzeugend auf die Bühne
gebracht. Selbst das Ordinäre in Sprache und Bewegung einer Frau,
die auf der Straüe aufgewachsen ist, wird charmant dargestellt.
Das Schlossparktheater war bis auf den letzten Platz besetzt;
das Publikum war gemischt - durch alle Altersklassen und Schichten der
Bevölkerung. Es war eine vorzüglich Stimmung, knisternd, traurig,
begeisternd. Maria Bill kann vorzüglich singen und es ist anzunehmen,
daü sie mit ihrem Vorbild gleichzieht.
Bisher war mir das Schlossparktheater als ein Teil des Wrangel-Schlösschen
bekannt. Erstaunt bin ich, in dem Büchlein Theater Berlin des FAB-Verlages
zu lesen, daü sich das Schlossparktheater im ehemaligen
Pferdestall und der Remise des Herrenhauses Beyme befindet. Dort wurde
das Theater am 12. Mai 1921 mit Sheakespeares Simon von Athen
eröffnet und war über Jahrzehnte ein renommiertes Theater, bis
es vor Jahren dem fehlenden Geld, dem Publikums - Zeitgeist und der Phantasielosigkeit
der Theatermacher und Kulturpolitiker zum Opfer fiel. Seit 1994 betreibt
die Schiel und Sasse Management für Wirtschaft und Kultur GmbH das
ehemalige Staatstheater mit wechselndem Erfolg.
Ein biüchen unzufrieden mit meiner Recherche und immer noch auf
den ollen Papa Wrangel hoffend, habe ich in meiner Bibliothek
weiter gekramt. Der Baedeker von 1964 gibt Aufschluü: der Generalfeldmarschall
Wrangel wohnte dort im Alter ab und zu mal im Sommer bei der Familie Beyme
- deshalb also "Wrangelschlöüchen"; naja, wie der
Volksmund verkürzt! Dieser Generalfeldmarschall war übrigens
derjenige, der der bürgerlichen Revolution von 1848 am 9. November
1848 den letzten Todesstoü gab, als er als Oberbefehlshaber in den
Marken mit seinen Truppen in Berlin einmarschierte und am 12. November
den Ausnahmezustand verhängte. Er war damals der meistgehaüte
Mann im bürgerlichen Berlin, um 25 Jahre später zu einer Kultfigur
des kaiserlich - königlich - preuüischen Militarismus bürgerlicher
Provenienz zu werden. Vielleicht ist das auch eine Legende über eine
Legende, geboren aus späteren Propagandawellen, wie so manches, was
unseren Blick in Geschichte und Gegenwart verstellt.
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