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Am 2. April 1998
nahm ich eine Einladung zu einer Vernissage von Jeff Carpenter, veranstaltet
durch die Berliner Bank (Bankgesellschaft Berlin) in ihrer alten Zentrale
in Berlin - Charlottenburg, wahr. Es ist sehr erfreulich, daü die
Banken, sonst nicht gerade die von mir politisch favorisierten Institute,
verstärkt kulturelle Aufgaben übernehmen. Jeff Carpenter ist
ein US-Amerikaner, der in Öl auf Leinwand Landkarten übermalt,
und zwar so, daü bei näherem Hinsehen diese Landkarten erkennbar
sind. Fast alle Bilder sind groüflächig, und, wenn ich es mit
meinen Worten beschreibe, in einem "architektonischen" Stil
gemalt, sehr oft mit Ausblicken und Fenstern, sehr viel mit Licht und
Schatten und sehr oft mit der Bevorzugung der hellblauen Farbe. Die Bilder
konnten erworben werden; die Preise zwischen DM 6000,-- und DM 24 000,--
luden nicht gerade dazu ein, ein solches zu erwerben. Ich kann mir diese
Ölgemälde auch nur in sehr modernen, groüzügig gebauten
und gestalteten Wohnungen vorstellen, oder in modernen Büros (wie
z.B. die einer Bank). Es ist Kunst für die Reichen, keine Volkskunst.
Der Röhrende Hirsch über dem Schlafzimmerdoppelbett ist durch
diese Kunst nicht zu ersetzen.
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Es kann durchaus so sein, daü die Liebe so groü ist, daü
man sich einem Menschen völlig anvertraut. Ist dieser Mensch, den
man liebt, auch noch der Retter in der Not, dann ist das Anvertrauen noch
gröüer. Liebe ist ja etwas metaphysisches, ein schwer faübares
Gefühl, welches bei den Menschen sehr unterschiedlich empfunden wird.
Ich sah und hörte am 30. April in der Charlottenburger Oper Wagners
LOHENGRIN, eine Romantische Oper in 3 Akten, Spielzeit einschlieülich
zwei Pausen viereinhalb Stunden. In dieser Oper spielt die Liebe eine
besondere, ja, eine merkwürdige Rolle. Elsa, Fürstentochter
von Brabant, vertraut sich einem Ritter an, der ihr verbietet, nach seiner
Herkunft und Namen zu fragen. Er verlangt sozusagen die absolute Liebe
von ihr. Die damit verbundende Selbstentsagung ist uns Menschen meiner
Ansicht nach nicht gegeben. Wir sind erst durch unseren Namen. Unser Name
ist gleichzeitig unsere Herkunft. Können Sie sich vorstellen, einen
Menschen zu lieben, den Sie nicht beim Namen nennen dürfen bzw. können,
weil Sie ihn nicht kennen? Ich nicht! Für mich ist das keine Romantische
Oper, sondern eine Phantastische Oper.
Es war die 38. Aufführung seit der Premi- ere am 23. Juni 1990. Die
Inszenierung stammt vom Hausherrn Götz Friedrich. Viel Romantik hat
die Oper auch an die moderne Inszenierung abgeben müssen, was u.a.
mit der schlecht eingesetzten neuen Technik zu tun hat. Der Schwan wird
jetzt mit elektrischen Spielereien in der äuüertsen Tiefe der
Bühne angezeigt. Die Rüstung des Titelhelden hat mehr mit einer
verfremdeten Astronautenkleidung zu tun als mit der Rüstung eines
deutschen Recken. Ein Teil der stolzen Ritterschaft ist in Uniformen gesteckt
worden, die wie eine miüglückte Kreuzung von SS - und Polizeiuniform
aussehen. Ich weiü nicht, was das bedeuten soll. Will Friedrich
persiflieren, weil es sich um eine deutsche Sage handelt?
Dann soll er lieber die Finger vom Thema lassen. Wagner ist eben Wagner.
Übrig bleibt die vorzügliche Musik Wagners unter der ebenfalls
vorzüglichen Stabführung von Christian Thielemann und die durchweg
stimmlich exzellenten Gesangssolisten und der sehr gute Chor.
Die Oper entstand in der Zeit von 1845- 1848, also in einer politisch
stürmischen Zeit. Der Königlich-Sächsische Hofkapellmeister
Richard Wagner stand während der 1848er Revolution waffenlos (!!)
auf den Dresdner Barrikaden und muüte dann als Asylsuchender in
die Schweiz fliehen. Der sächsische Intendant von Lüttichau
verbot die Aufführung von LOHENGRIN, so daü die Uraufführung
erst 1850 unter der Stabführung von Franz Liszt - in Abwesenheit
des Meisters - in Weimar stattfinden konnte.
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Am 22. Mai sah und hörte ich zusammen mit zwei Freunden in der Tribüne,
Otto - Suhr - Allee in Berlin - Charlottenburg Deutschland, ein Wintermärchen,
eine Heinrich - Heine - Revue. Den Begriff Revue hatte ich auf der Vorankündigung
überlesen und es war mir unklar, wie Lyrik ohne Dramaturgie auf die
Bühne gebracht werden kann. Es konnte, denn das, was geboten wurde,
war ein Spiegel deutscher Seele, geschickt und amüsant zusammengesetzt
aus Heine-Texten. Sechs Schauspieler, darunter eine Frau, sangen, musizierten
und sprachen deutsche Geschichte des vorigen Jahrhunderts. Heine, der
lange Zeit in Paris lebte, war ein sehr kritischer Begleiter deutscher
Innenpolitik der damaligen Zeit. Er konnte das tun, weil er als Asylant
im damals freieren Frankreich nicht nur geduldet, sondern geschätzt
wurde.
Einer meiner Freunde kam gerade aus Neuruppin, einer der Fontane - Feier
- Städte und es tauchte die Frage auf, ob Heine und Fontane sich
begegnet sind. Heine ist am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf zur Welt
gekommen und starb am 17. Februar 1856, Fontane wurde am 30. Dezember
1819 in Neuruppin geboren und starb am 20. September 1898 in Berlin. Als
Heine in Berlin studierte - 1824 - war Fontane fünf Jahre alt.
Um es kurz zu machen, Heine und Fontane sind sich nie begegnet. Es ist
jedoch bekannt, daü Fontane Heine-Texte fleiüig gelesen hat.
Dennoch, und das ist meine These, sind Heine und Fontane zu unterschiedlich,
um in einem Atemzug genannt zu werden. Sie sind literarisch unterschiedlich,
aber auch in ihrer politischen Entwicklung. Indem Heine seiner sehr liebevollen
Deutschlandkritik bis zuletzt treu geblieben ist, hat sich Fontane von
einem kritischen Menschen zu einem kaisertreuen Rechtskonservativen entwickelt.
Ich will damit keinesfalls Fontane literarisch herabsetzen, sondern ich
will damit sagen, daü beide sehr unterschiedliche Wege beschritten
haben.
Noch einmal zurück zur Tribüne. Die Vorstellung war
gut besucht (zweidrittel der Plätze waren besetzt). Beim begeisterten
Schluüapplaus kam dann die Klage der Schauspieler, daü die
Tribüne als Spielstätte gefährdet sei, weil die
staatlichen Subventionen gekürzt werden. Ich bin gegen Subventionen,
aber für eine Förderung der Kultur. Dieses scheinbar Widersprüchliche
kann nur über den Bildungs- (Kultur - ) Gutschein aufgelöst
werden, den jeder Bürger Zeit seines Lebens erhält und mit dem
Gegenwert er bestimmen kann, welche Kultureinrichtungen er aufrecht erhalten
will, natürlich auch durch seine Akzeptanz als Besucher bzw. Nutzer.
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Boulevard: Am 15. Juni sah ich im äuüerst schwach besuchten
THEATER AM KURFÜRSTENDAMM Geteilte Freude von Peter Yeldham.
Boulevard-Theater funktioniert ja am besten, wenn das richtige Thema (möglichst
unpolitisch), die richtigen Pointen und die richtigen Schauspieler zusammen
kommen. Alles das trifft auf Geteilte Freude zu. Beziehungskisten,
gewürzt mit Emanzipierungsanstrengungen einer Frau, hilflose Männer,
ein wenig Sex mit Worten und lustigen Pointen, ja, das ist eigentlich
der Inhalt des ganzen Stückes. Fünf Personen, Gaby Gasser, Stefan
Behrens, Renate Blume, Cusch Jung und Ali Yigit, tummeln sich auf der
Bühne. Normalerweise, denke ich, wäre das Theater besser besucht
gewesen, wenn nicht diese Fuüballweltmeisterschaft die Leute (auch
sonst ganz verständige) in Massenhysterie vor der Glotze versammelt
hätte.
Peter Yeldham ist als australischer Fernseh - und Filmautor lt. teurem
Programmheft ein international bekannter Mann. Mehr kann ich Ihnen leider
nicht mitteilen, aber vielleicht reicht das auch schon.
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