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Am 27. Oktober
1998 sah ich in dem traditionsreichen, und von mir meistens hochgelobten
DEUTSCHEN THEATER in Berlin-Mitte, Thomas Bernhards Stück Der
Weltverbesserer. Wer schmunzelt nicht, wenn es um die Weltverbesserer
geht und wer von den ständigen politischen Opponenten in diesem Staat
hat dieses Wort nicht schon einmal (mitleidig) an den Kopf geworfen bekommen.
Aber das Schmunzeln wird Ihnen schnell vergehen, wenn Sie folgenden Text,
den ich über das Stück Der Weltverbesserer aus dem
Internet übernommen habe, lesen: Er ist ein Hypochonder und Nihilist,
der Weltverbesserer, der längst nicht mehr an die Verbesserungsmöglichkeit
der Welt glaubt und dennoch sein philosophisches Traktat schreibt, für
das er in wenigen Stunden das Ehrendoktorat der örtlichen Universität
erhalten wird. Glatzköpfig, mit Hörrohr sitzt er in seinem Sessel
und schikaniert seine Lebensgefährtin, die sich an die permanente
Miühandlung schon gewöhnt hat. Ein Spiel zwischen Macht und
Gewohnheit, Gefühl und Mechanik, Angst und Qual.
Hypochonder ist laut dem Etymologischen Wörterbuch der deutschen
Sprache von Kluge eine 'Person mit unbegründeten Krankheitsvorstellungen'
(< 18.Jh.), Rückbildung zu d. hypochondrisch 'schwermütig'
(zunächst nur von Männern gesagt, im Gegensatz zu hysterisch).
Dieses geht zurück auf gr. hypochóndrios 'eigentlich unterhalb
des Brustknorpels liegend', zu gr. chóndros 'Brustknorpel' und
gr. hypo-. Nach antiker Auffassung saüen die Gemütskrankheiten
im Unterleib.
Der Begriff Nihilist paüt noch weniger auf den Weltverbesserer.
Es steht dazu im Kluge: Nihilismus: Die früheste entsprechende
Bildung ist frz. nihiliste neben frz. rienniste 'jemand, der an nichts
glaubt' (im religiösen Sinn), so seit dem 17. Jh. Das Abstraktum
taucht dann an mehreren Stellen auf - unter Umständen parallel gebildet.
In Deutschland gebrauchen es D. Jenisch und F.H. Jacobi seit 1796, um
damit den deutschen Idealismus zu kritisieren, nach dem der menschlichen
Erkenntnis der Welt nur rohe Sinnesdaten vorgegeben sind, während
die Ganzheit des Erkennungsgegenstands durch Anschauungs- und Denkformen
des erkennenden Subjekts erzeugt wird. 1884 beansprucht Turgenjew, das
Wort Nihilist erfunden zu haben, um die Vertreter eines russischen politischen
Anarchismus zu charaktisieren.
Der Weltverbesserer von Thomas Bernhard glaubt schon an etwas,
nämlich an sich selbst, an seine Unwiderstehlichkeit, wenn auch,
in einigen Wortfetzen, gelegentlich Zweifel aufkommen. Er glaubt an seine
charakterlichen Webfehler. Seine Art hat dieses Jahrhundert bestimmt:
rücksichtslos gegenüber anderen Menschen zur eigenen Profilierung.
Deshalb treffen die beiden Charakteristika Hypochonder und Nihilist
nicht den Kern des Stückes. Dieser Weltverbesserer ist kein
Weltverbesserer, er ist nicht krank, er ist kein Anarchist, sondern
er gehört zu der Sorte Menschen, die, sei es den Umständen sei
es der Charakterbildung nach, anderen Menschen nur Schlechtes antun können
Das Stück ist eigentlich eine Zumutung. Zwei Stunden ohne Pause und
fast neunzig Prozent der Zeit der Monolog des Weltverbessers.
Aber wie es so kommt - Sie, verehrte Leserin, Sie, verehrter Leser, haben
schon gemerkt, daü ich, während ich den Bericht niederschreibe,
versucht habe. das Stück zu reflektieren. Und, es ist ja doch ganz
interessant, was dabei rausgekommen ist?!
Die wenigen Schauspieler, insbesondere Der Weltverbesserer selbst,
gespielt von Jürgen Holtz, waren sehr überzeugend.
Nur die Hälfte der Zuschauersessel waren besetzt. Während der
Aufführung verlieüen einige den Theatersaal. Es gab einige
im Publikum, die ganz offensichtlich sich selbst oder ihre Umgebung in
dem Weltverbesserer wiedererkannten und ihren Spaü hatten.
Ich gelegentlich auch.
Thomas Bernhard, österreichischer Schriftsteller, lebte von 1931
bis 1989. Mehr konnte ich nicht erfahren; auch kann ich Ihnen nichts über
die Werkgeschichte mitteilen. Bei Suhrkamp ist offensichtlich das gesamte
dichterische Werk von Thomas Bernhard verlegt worden.
+ + +
Meisterhafte Stil - "Blüten" nennt sich eine Konzertreihe
des Deutschen Kammerorchesters im Schauspielhaus (Konzerthaus - kleiner
Konzertsaal) am Gendarmenmarkt . Über das erste Konzert berichtete
ich in der Januar - Ausgabe. Am 25. Januar, dem zweiten Konzert, wurden
Stücke von Pietro Locatelli (1695 - 1764), Wolfgang Amadeus Mozart
(1756-1791) und Joseph Haydn (1732-1809) gespielt - unter dem Vorbehalt,
daü es eigentlich nicht sicher ist, daü die gespielten Werke
von den genannten Komponisten stammen. Ich will Sie nicht mit den unterschiedlichsten
Vermutungen langweilen, weshalb die Zuschreibung der Stücke unklar
ist. Da den Leserinnen und Lesern Mozart und Haydn zur Genüge bekannt
sein dürften, hat mich Pietro Locatelli am meisten interessiert.
Locatelli wurde 1695 in Bergamo geboren und starb 1764 in Amsterdam. In
dem Programmheft heiüt es: Nach Studien bei A. Corelli in Rom
sind Aufenthaltsorte am Hof in Mantua und am Hof des Kurfürsten Friedrich
August des Starken belegt. Doch eine systematische Suche nach dem genauen
Lebensweg während dieser Wanderjahre muü wohl eine Utopie bleiben.
Seit 1729 ist er sicher in Amsterdam nachweisbar, wo er bis zu seinem
Tode gewirkt hat. Zu Lebzeiten war er nicht nur als Virtuose sehr geschätzt,
sondern auch ein gesuchter Pädagoge.
Muüte ich das letzte Mal über den Solisten meckern, so kann
ich diesmal Matthias Wollong, Violin-Solist, der auch der Dirigent des
Abends war, sehr loben. Sein lebhaftes Engagement riü förmlich
Orchester und Publikum mit. Auch der Horn - Solist Uwe Holjewilken war
Spitze.
Ein gelungener Abend im ausverkauften Haus und in freundlicher Umgebung.
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