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Es gibt bestimmte
Theaterstücke, die können nur in einem Jahr, in einem Land und
wahrscheinlich nur in einer Stadt gespielt werden. Da haben sie Erfolg,
in diesem Fall sogar ihren Skandal. Das Theaterstück Der Herr Karl
von Carl Merz und Helmut Qualtinger ist mit Sicherheit so ein Fall. 1961
in Wien uraufgeführt und von dem Kabarettisten und Schauspieler Helmut
Qualtinger selbst gespielt, da war es eine Meldung im Kulturleben unseres
Sprachraumes wert. Heute erzeugt es nur noch ein lautes, vernehmliches Gähnen.
In unserer nicht mehr existierenden Familien - Sanitär - Groühandlung
hatten wir eine sehr nette Kundin, die in Wien geboren und aufgewachsen
war. Mein Vater, empfänglich für den Wiener Charme und ihn auch
lobend, eilte immer zum Tresen, wenn Frau G. einkaufen kam. Eines Tages
erschreckte unsere Wienerin meinen Vater, indem sie ihm sagte .... Herr
Kersten, ich bin doch nach Berlin gekommen, um der Wiener Falschheit zu
entgehen. Ich fühle mich mit der Berliner Direktheit viel wohler.
Es war der Intendant des Schloüpark - Theaters, Heribert Sasse, höchst
persönlich, der am 17. Juni d.J. den Wiener Herrn Karl spielte. Es
war eine schauspielerische Leistung, ca. 90 Minuten alleine, zwischen Getränkekisten,
zu monologisieren. Gesprochen wurde wienerisch, was das Verständnis
nicht gerade erleichterte. Es war primitivstes Stammtisch - Gesabbel, nicht,
wie wir Berliner sagen, Schnauze mit Herz, sondern zum Teil menschlich gemein.
Mag sein, daü es solche Wiener gibt, mag sein, daü es solche
Berliner gibt, - ich bin überzeugt, daü es keine Städte
- bezogenen moralisch - menschlichen Charakteristiken gibt - aber schon
deshalb lohnt es sich wirklich nicht, nein, gar nicht, so ein Stück
auf die Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, zu bringen. Die Vorstellung
war sehr schlecht besucht. Wenn ich auch öfter die Qualität des
bürgerlichen Geschmacks bezweifle, so hat er diesmal in's Schwarze
getroffen.
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