Dieter Kersten - September 1999    
Theater: Merz & Qualtinger "Der Herr Karl"  
     
  Es gibt bestimmte Theaterstücke, die können nur in einem Jahr, in einem Land und wahrscheinlich nur in einer Stadt gespielt werden. Da haben sie Erfolg, in diesem Fall sogar ihren Skandal. Das Theaterstück Der Herr Karl von Carl Merz und Helmut Qualtinger ist mit Sicherheit so ein Fall. 1961 in Wien uraufgeführt und von dem Kabarettisten und Schauspieler Helmut Qualtinger selbst gespielt, da war es eine Meldung im Kulturleben unseres Sprachraumes wert. Heute erzeugt es nur noch ein lautes, vernehmliches Gähnen.
In unserer nicht mehr existierenden Familien - Sanitär - Groühandlung hatten wir eine sehr nette Kundin, die in Wien geboren und aufgewachsen war. Mein Vater, empfänglich für den Wiener Charme und ihn auch lobend, eilte immer zum Tresen, wenn Frau G. einkaufen kam. Eines Tages erschreckte unsere Wienerin meinen Vater, indem sie ihm sagte .... Herr Kersten, ich bin doch nach Berlin gekommen, um der Wiener Falschheit zu entgehen. Ich fühle mich mit der Berliner Direktheit viel wohler.
Es war der Intendant des Schloüpark - Theaters, Heribert Sasse, höchst persönlich, der am 17. Juni d.J. den Wiener Herrn Karl spielte. Es war eine schauspielerische Leistung, ca. 90 Minuten alleine, zwischen Getränkekisten, zu monologisieren. Gesprochen wurde wienerisch, was das Verständnis nicht gerade erleichterte. Es war primitivstes Stammtisch - Gesabbel, nicht, wie wir Berliner sagen, Schnauze mit Herz, sondern zum Teil menschlich gemein. Mag sein, daü es solche Wiener gibt, mag sein, daü es solche Berliner gibt, - ich bin überzeugt, daü es keine Städte - bezogenen moralisch - menschlichen Charakteristiken gibt - aber schon deshalb lohnt es sich wirklich nicht, nein, gar nicht, so ein Stück auf die Bretter, die angeblich die Welt bedeuten, zu bringen. Die Vorstellung war sehr schlecht besucht. Wenn ich auch öfter die Qualität des bürgerlichen Geschmacks bezweifle, so hat er diesmal in's Schwarze getroffen.
 
     
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