Dieter Kersten - Oktober 1999    
Komödie: Dürrenmatt "Der Besuch der alten Dame"  
     
  Die Theatersaison 1999/2000 kann ich mit einem erfreulichen Bericht eröffnen. Ich sah und hörte die tragische Komödie in drei Akten von Friedrich Dürrenmatt Der Besuch der alten Dame, und zwar am Donnerstag, den 26. August, im DEUTSCHEN THEATER in Berlin - Mitte. Vor ausverkauftem Haus wurde ein Stück gespielt, für welches der Begriff >> tragische Komödie << meiner Ansicht nach nicht ausreicht. Natürlich ist es das auch, aber es ist auch eine >> paradoxe Tragödie << oder auch ein >> moralistisches Lehrstück oder auch Märchen <<. Es geht um folgendes: eine alte Dame kehrt in die kleine spieüige Stadt zurück, in der sie geboren und aufgewachsen ist. Sie ist - durch Heirat - Milliardärin geworden und sie verspricht Stadt und Einwohnern eine Milliarde, wenn die Einwohner ihren ersten Geliebten, ihren Jugendfreund, töten. In einer sehr geschickten Dramaturgie stellt sich nach und nach heraus, daü dieser Verflossene, genannt Alfred III , dem sich die alte Dame Claire Zachanassian durch eine Haüliebe nach wie vor verbunden fühlt, der nicht bekennende Vater ihres einzigen Kindes war, welches sie, damals als junges Mädchen in Schande aus der Stadt gejagt, in einem Bordell zur Welt brachte und welches bald an Gehirnhautentzündung starb. Die >> tragische Komödie << wird dann mehr und mehr zu einem >> klassischen Drama <<, wenn die Erinnyen (Rachegöttinnen) über alle Beteiligten kommen. Selbst die Einsicht in die Schuld rettet den Alt - Geliebten nicht vor seinem Tod, die Reue bringt keine Verzeihung, sondern die Gier nach dem Geld läüt die bürgerliche Meute seiner Mitbürger zu gemeinschaftlichen Mördern werden.
Ich konnte nicht anders: ich habe schon sehr früh an diesem Abend an die verflossene Bevölkerung der DDR gedacht, die in Gier auf Wagenladungen von Bananen ihren alten Geliebten Sozialismus tötete, weil es die alte Dame Kapitalismus verlangte. wird mit der alten Dame Claire Zachanassian wird auf komödiantische Art der "reale" Kapitalismus zelebriert? Es kommt wohl darauf an, in welcher "politischen" Stimmung der Zuschauer und Zuhörer ist.
Die alte Dame wurde von Inge Keller gespielt, Alfred III von Kurt Bowe, um nur zwei aus dem vorzüglichen Ensemble des DEUTSCHEN THEATERS zu nennen. Die Regie besorgte der Intendant Thomas Langhoff. Erwähnen möchte ich auch das passende und gute Bühnenbild von Pieter Hein.
Stürmischer, begeisterter Applaus beendete einen gelungenen Theaterabend in einem schönen Haus.
Über Friedrich Dürrenmatt heiüt es in Knauers Lexikon der Weltliteratur u.a: geboren am 5. Januar 1921 in Konofingen b. Bern, gestorben am 14. Dezember 1990 in Neuenburg (Schweiz). - Als Erzähler, Theaterkritiker der >> Weltwoche << , Hörspielautor und Dramatiker gehört Dürrenmatt heute zu den bekanntesten und erfolgreichsten zeitgenössischen Schriftstellern; wurde mehrfach international ausgezeichnet, zuletzt 1986 mit dem Büchner - Preis.
Ich glaube, ich habe das erste Mal ein Stück von Dürrenmatt gesehen. Hier in Berlin jedenfalls wird er nicht sehr oft gespielt. Neben Der Besuch einer alten Dame ist das Stück Die Physiker sehr bekannt.
 
     
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