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Am 7. Oktober berichtete
Joachim Mischke im Hamburger Abendblatt unter der Überschrift Oh
Geld, du Geld, das mir fehlt und unter der Unterüberschrift Die
gestrichene Medienzulage an der Deutschen Oper Berlin läüt viele
Orchestermusiker unpäülich werden, wie bis zu achtzehn Orchestermitglieder,
mit Hilfe der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), den Spielbetrieb ausbremsten.
Die sensiblen Opernmusiker mit durchschnittlich 118 000 Mark im
Jahr (ohne Pauschale und andere Einnahmen) streikten wegen
11 278 Mark Medienzulage im Jahr und verursachten durch
ihren illegalen Boykott enorme Kosten in einem ohnehin subventionssensiblen
Berliner Kulturbereich. Der Autor berichtet von der kulturpolitischen Zeitbombe
in Hamburg, wo jedes Mitglied des Philharmonischen Staatsorchesters monatlich
900 Mark Medienzulage erhält, von der in Hamburg nur ungefähr
154 Mark eingespielt werden. Da die Berliner und die Hamburger Verhältnisse
nicht so unterschiedlich sein werden, können wir diese Summe getrost
für die Berliner annehmen: danach erhalten die Berliner Opernmusiker
9480 Mark jährlich zuviel Medienzulage. Der Autor des Artikels im Hamburger
Abendblatt bezeichnet das musengerecht als Tanz um das goldene Kalb, ich
würde das weniger prosaisch Parasitentum nennen.
Im übrigen ist der Beitrag von Joachim Mischke beispielgebend, weil
er neben den konkreten Geldbeträgen auch Roü und Reiter nennt.
Beethoven bekam, als der sich in Wien etablierte, 4000 Gulden im
Jahr, wobei er sich, solange er als Solist und Dirigent auftreten
konnte, noch was zuverdiente. Das wurde unmöglich, als er nicht mehr
hören konnte. 4000 Gulden im Jahr als festes Einkommen
waren für einen Künstler in dieser Zeit ein glücklicher Sonderfall.
Es ehrt die adligen Mäzene, daü sie den hervorragenden Geist
des Meisters erkannten. Ich bin nicht in der Lage, die Kaufkraft von damals
mit der Kaufkraft von heute zu vergleichen. Ich nehme mal an, daü
es da kluge Betrachtungen gibt. Vielleicht gibt es Leser, die auf diesem
Gebiet bewandert sind und mir Hinweise geben können.
Ich sah und hörte am Dienstag, den 5. Oktober in der Deutschen Oper
Berlin (Charlottenburger Oper) Missa solemnis für vier Solostimmen,
Chor, Orchester und Orgel, D-Dur op. 123 unseres groüen deutschen
Komponisten Ludwig van Beethoven.
Beethoven selbst soll die Missa solemnis als sein bestes Werk bezeichnet
haben. Das Stück ist, wie die 9. Sinfonie, in seiner letzten Schaffensperiode,
etwa in seinem letzten Lebensjahrzehnt, entstanden, in der Zeit, in der
der Meister selbst kaum mehr hören konnte, ja vermutlich völlig
taub war. Die Missa solemnis ist seinem Freund und Gönner,
dem Erzherzog Rudolph von Österreich gewidmet; sie sollte ursprünglich
zur Inthronisation des Erzherzogs als Erzbischof von Olmütz 1820 fertig
sein, konnte jedoch erst drei Jahre später überreicht werden.
Die Missa solemnis ist nicht einfach ein geistliches Werk; die
Musik vermittelt, ähnlich wie bei der 9. Sinfonie, den humanistischen
Geist Beethovens.
Beethoven - Kenner kennen die Szene, die der Mann der Freiheit, Ludwig van
Bethoven, dem Minister Goethe, dem von ihm verehrten Dichterfürsten,
lieferte, als er 1812 in Bad Teplitz mit ihm spazieren ging und der kaiserlichen
Familie begegnete. Beethoven ging mit untergeschlagenen Armen >> mitten
durch den dicksten Haufen <<. Die hohen Herrschaften, die seine Eigenart
kannten, grüüten ihn zuerst. Minister Goethe aber trat "wohlerzogen"
beiseite und machte den "pflichtschuldigen" tiefen Bückling.
An dem Abend des 5. Oktober 1999 war von dem Streik der Musiker nichts zu
spüren. Unter der bewährten Stabführung von GMD Christian
Thielemann spielte das Orchester der Deutschen Oper Berlin in der gewohnten
Präzision und Güte. Die vorzüglichen Solisten waren Noemi
Nadelmann, Sopran, Ulrike Helzel, Alt, Robert Dean Smith, Tenor, Franz -
Josef Selig, Bass. Vielleicht wirkte der Ernst Senff Chor unter
der Leitung von Sigurd Brauns besänftigend auf die Tänzer
um das goldene Kalb. Der Ernst Senff Chor kommt nämlich
ohne Subventionen aus; ein Vorbild für die bundesdeutsche Kulturlandschaft,
nicht nur materiell, sondern auch musikalisch.
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