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Vielleicht
zwar ist auch der Patriot bei mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob
eines eifrigen Patrioten, nach meiner Denkungsart, das allerletzte ist,
wonach ich geizen würde; daü ich ein Weltbürger sein sollte.
Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes (es tut mir leid,
daü ich Ihnen vielleicht meine Schande gestehen muü) keinen
Begriff, und sie scheinet mir aufs höchste eine heroische Schwachheit,
die ich gern entbehre.
Lessing an Gleim
Es trifft sich wohl, daü mitten unter den Greueln einer Schlacht,
mitten in den Schrecken einer Feuersbrunst oder sonst eines traurigen
Verhängnisses, ein Einfall, eine ungefähre Posse, trotz aller
Beängstigung, trotz alles Mitleids, das unbändigste Lachen erregt.
Man befahl, in der Schlacht bei Speyern, einem Regimente, daü es
keinen Pardon geben sollte. Ein deutscher Offizier bat darum, und der
Franzose, den er darum bat, antwortete: Bitten Sie, mein Herr, was Sie
wollen; nur das Leben nicht; damit kann ich unmöglich dienen! Diese
Naivität ging sogleich von Mund zu Munde; man lachte und metzelte.
Lessing, Hamburgische Dramaturgie
In der beiliegenden Bestelliste biete ich Ihnen Minna von Barnhelm
oder Das Soldatenglück in drei Variationen an, auüerdem
die oben erwähnte Hamburgische Dramaturgie. Natürlich
kann ich Ihnen alle Werke des deutschen Klassikers Gotthold Ephraim Lessing
besorgen.
Womit soll ich beginnen: mit dem Theaterstück oder mit seinem Dichter?
Beides ist hochinteressant: das Lustspiel in fünf Akten Minna
von Barnhelm oder Das Soldatenglück und der Dichter
Gotthold Ephraim Lessing. Beides ist so eng miteinander verbunden,
daü allein diese Tatsache Ursache dafür sein wird, daü
Lessing, deutscher Klassiker, in dem Bewuütsein von uns Deutschen
viel weniger verankert ist, als z.B. Goethe oder Schiller. Ich habe, zugegeben
sehr wahllos, im Internet die Spielpläne der Theater von sechs Städten,
Hamburg, München, Augsburg, Frankfurt am Main, Dresden und Halle
"durchgesehen" und kein einziges Stück von Lessing entdeckt.
Dafür gibt es aber interessanterweise eine Internet - Adresse - http.//www.bs-net.de/kultur/theater/minna_von_barnhelm.html
- wo Sie sogar den gesamten Text des Lustspiels runterladen können.
Also, noch scheint es mit dem Bewuütsein von deutscher Kultur bei
uns Deutschen nicht ganz so schlimm zu stehen.
Ich nehme an, daü Lessing schon damals - 1763 - seine Schwierigkeiten
mit der Zensur hatte. Ohne in die Tiefen der heutigen Praxen der sehr
vielseitig gewordenen Zensuren zu gehen, nehme ich an, daü die Bezeichnung
Lustspiel schon damals Sand in die Augen der Politicalcorrectness
- Vertreter war. Es darf zwar ab und zu gelacht werden, aber ein Lustspiel
ist es nicht.
Es ist ein ernstes Stück, um Krieg, um Liebe, um Emanzipation und,
nicht zuletzt, um die Ehre. Bei der Ehre, ich fange mit dem letzten und
schwierigsten Begriff an, handelt es sich nicht um die Primitivform, wie
z.B. den Sammelbegriff die Ehre des deutschen Soldaten, wo ein
jeder schnell nicht satifikationsfähig erklärt werden
kann, sondern es handelt sich um die Ehre eines preuüischen Majors,
der mitten im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) des preuüischen
Königs Friedrich II, um Frieden zu bewahren und Menschenrechte zu
gewähren, auf Plünderung und Zwangs - Kontribution in Thüringen
(Sachsen) verzichtet hatte, Vereinbarungen für eine zivile materielle
Abwicklung schloü und aus eigenem Vermögen Geld verauslagte.
Daü das einigen Kommiüköpfen in Preuüen miüfiel,
war klar: der Major von Tellheim wurde verabschiedet und geriet in Zahlungsschwierigkeiten.
Dies schlug auf seine Ehre, nicht weil er versucht hatte, Frieden und
Menschenrechte zu bewahren. Mit Krieg und dem mörderischen Töten
wollte Tellheim schon lange nichts mehr zu tun haben.
Es ehrt den König, daü dieser, nachdem er von der Kabale erfahren,
seinen Major aus den Verstrickungen befreite. Vorher aber kam das Fräulein
Minna von Barnhelm, reich und verliebt in den Ritter, der ihre Heimat
verschonte, in das sachsenfeindliche Berlin, um den seit sechs Monaten
Verschollenen zu suchen. Minna läüt sich von der gleichaltrigen
Zofe Franziska begleiten, die mit ihr zusammen erzogen worden und die
eine Vertraute besonderer Art ist. Es sind, so würde man heute sagen,
zwei emanzipierte junge Damen, die beide genau wissen, was zu wollen,
die eine ihren Ritter und die andere schlieülich auch ihren Paul
Werner, gewesener Wachtmeister des Majors, ein Vorbild an Selbstlosigkeit.
Für die damalige Zeit ist die Selbstbestimmung zweier "unmündiger"
und zumal noch junger Frauenzimmer - so nehme ich an - ein 'Verstoü
gegen die guten Sitten", was u.a. zu der Bezeichnung Lustspiel
führte..
Die Geschichte von Minna von Barnhelm und Major von Tellheim
geht im wahrsten Sinne des Wortes "unentschieden" aus; die Geschichte
zwischen Franziska und ihrem Paul hat ein glückliches Ende.
Ich sah Minna von Barnhelm oder Das Saldatenglück am 17.
Dezember 1999 in dem Berliner Theater Die Kammerspiele in der
Schumannstraüe. Es war eine "moderne" Aufführung,
ohne historische Kostüme und historisierende Kulissen. Zu Anfang
bekam ich einen Schreck. Es ist schon eine besondere Sache: die alte Sprache
Lessings und die desillusionierende Kleidung der Jetztzeit. Das Stück
ist dadurch scharfkantiger geworden, angesichts ehrloser Panzerverkäufe,
der ehrlosen Verwüstung Jugoslawiens bzw. des Kosovo und angesichts
der ehrlosen tschechenischen Katastrophe. Weder ein Friedrich II., noch
ein Tellheim, noch eine Minna ist in diesen Tagen zu erblicken.
Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück wäre nicht
von Lessing, wenn es nur die hervorgehobenen Facetten hätte. So manchen
Zuschauer und/ oder Leser mag ein anderer Handlungsstrang wesentlicher
sein. Aber vielleicht, vielleicht, sind Sie nun interessiert, sich mit
dem Stück und Lessing zu befassen? Das wäre der gröüte
Erfolg dieser Besprechung.
Das Theater war nur durch Schulklassen gefüllt, und ich wäre
neugierig, was über Mnna von Barnhelm in Schulaufsätzen
erzählt wird. Es war ein gutes Spiel und das Ensemble der Kammerspiele
ist sehr zu loben.
Lessing war Weltbürger, und das deutsche Bildungsbürgertum (und
nicht nur das deutsche) gab sich patriotisch bis nationalistisch, und
gibt sich heute, im Jahr 2000 - zur Sicherung der Rohstoffquellen - internationalistisch.
Gotthold Ephraim Lessing, der Weltbürger, lebte von 1729 bis 1781.
+ + +
Irgendwo las ich die Bemerkung, daü es viel schwieriger sei, ein
Lustspiel wirkungsvoll zu inszenieren als ein Trauerspiel. Noch schwieriger
erscheint es mir dann, wenn das Lustspiel einen allzu banalen Inhalt hat.
Bei Goldonis Der Diener zweier Herren - il servitore di due padroni
ist es dem Schloüpark - Theater in Berlin - Steglitz gelungen, das
ca. 250 Jahre alte Stück in einer lebhaften komödiantischen
und zirzensichen Form zu präsentieren.
Ich sah das Stück am 19. Januar. Im Programmheft steht hinter dem
Wort Inszenierung: nach Franz Matter von Marcello de Nardo. Schade,
daü das Programmheft, teuer genug, nichts Näheres über
diese beiden Herren verrät. Marcello de Nardo spielt vorzüglich
den Diener Truffaldino, nachdem das Stück benannt ist, den Diener
zweier Herren. Es geht um ein Liebespaar, sie als
Mann verkleidet, welches getrennt nach Venedig flieht und nichtsahnend
den gleichen Diener engagiert. Die Verschwörungen und Verwechslungen
führen zu grotesken Szenen. Ein glückliches Ende ist der Komödie
Ehrensache.
Carlo Goldoni, italienischer Lustspieldichter, wurde am 26. Februar 1707
in Venedig geboren und starb am 6. Februar 1793 in Paris. Er hat nicht
nur zahlreiche und erfolgreiche Lustspiele verfaüt - er gilt auch
als Erneuerer des italienischen Theaters. Von Beruf war er Rechtsanwalt
und zeitweise Notar, zuletzt aber Italienisch - Lehrer der Töchter
Ludwig XV. in Frankreich, was ihn dann in die Wirren der Revolution trieb.
Er starb verarmt und erblindet; sein Grab ist unbekannt.
Der 19. Januar war ein Mittwoch; das Theater war schlecht besucht, höchstens
Zweidrittel der Plätze waren besetzt Erfreuerlicherweise waren viele
junge Menschen zu sehen.
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